Königreich Bayern, 1806–1918

Königreich Bayern, 1805–1918.

In den französischen Revolutionskriegen wurde die linksrheinische Pfalz bereits 1792 von den Franzosen überschwemmt und war darauf mehrere Jahre Schauplatz des Kampfes; 1796 drangen die Franzosen auch in Bayern ein, eine französische Armee unter Moreau rückte über den Lech bis München vor und besetzte Ingolstadt; Karl Theodor flüchtete nach Sachsen. Nach seinem Tod (16. Febr. 1799) wurde, da Herzog Karl inzwischen kinderlos gestorben war, dessen Bruder Maximilian IV. Joseph von Pfalz-Zweibrücken Kurfürst von Bayern. 1800 wurde Bayern von neuem durch eine französische Armee unter Moreau überschwemmt, der bei Hohenlinden über die Österreicher siegte, und verlor im Frieden von Lunéville (1801) die ganze Rheinpfalz, Zweibrücken und Jülich (12.400 km² mit 690.000 Einwohnern), erhielt aber dafür 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss in den Bistümern Würzburg, Bamberg, Augsburg, Freising, einem Teil von Passau und Eichstätt, in 12 Abteien und 15 Reichsstädten eine reichliche Entschädigung (18.000 km² mit 900.000 Einwohohnern), die zugleich das Gebiet trefflich abrundete.

Gleichzeitig nahm der an die Spitze der Regierung berufene Minister Montgelas im Innern durchgreifende Reformen vor. Die Klöster wurden teilweise aufgehoben, allgemeine Religionsduldung verkündet und ein protestantisches Generalkonsistorium in Würzburg eingesetzt, die Universität Würzburg wurde neu organisiert, die von Ingolstadt nach Landshut verlegt, die zu Bamberg, Dillingen und Altdorf aufgehoben. Das Finanz- und Justizwesen wurde verbessert und das Heerwesen von Grund aus reformiert, so dass Bayern, im Besitz einer ansehnlichen, gut ausgerüsteten und geschulten Truppenmacht, eine selbständige Politik zu ergreifen vermochte. Beim Ausbruch des Krieges zwischen Napoleon und Österreich 1805 entschied es sich, eingedenk der österreichischen Annexionsgelüste, die noch in den letzten Jahren offen kundgegeben worden, für Frankreich. Nach dem Sieg der Franzosen erhielt Bayern im Pressburger Frieden (1805) für Würzburg (5500 km² mit 200.000 Einwohnern) Tirol, Vorarlberg, die Markgrafschaft Burgau, die übrigen Teile von Passau und Eichstätt und einige Bezirke des südöstlichen Schwaben mit Augsburg (insgesamt 32.000 km² mit 1.028.000 Einwohnern) sowie die Königswürde.

Der Kurfürst nahm 1. Jan. 1806 als Maximilian I. Joseph den Titel König von Bayern mit voller Souveränität an und verpflichtete sich beim Eintritt in den Rheinbund 12. Juli 1806, Napoleon in allen seinen Kriegen mit 30.000 Mann zu unterstützen. Für Berg, das Bayern 1806 an Frankreich abtrat, erhielt es Ansbach, bald darauf die Reichsstadt Nürnberg mit ihrem Gebiet und die Souveränität über verschiedene ehemals reichsunmittelbare Fürsten, Grafen und Herren, deren Rechte eine königliche Deklaration vom 19. März 1807 regelte. Bayern vergrößerte sich hierdurch auf 91.000 km² mit 3.231.000 Einwohnern und erhielt 1. Jan. 1808 eine Verfassung, die einen einheitlich organisierten Staat schuf. Alle Sonderrechte, die Leibeigenschaft und die Adelsvorrechte wurden abgeschafft, Zehnten und Fronen abgelöst, alle Klöster aufgehoben, ein gleichmäßiges Justiz- und Steuerwesen, die Konskription nach französischem Muster eingerichtet. Mit absichtlicher Missachtung des geschichtlichen Herkommens und der Stammesverschiedenheit erfolgte die Einteilung des Landes in geographische Kreise. Bayern war der mächtigste der Rheinbundstaaten, aber doch nur Napoleons Vasall; alle deutschnationalen Bestrebungen wurden verfolgt, während man Frankreich gegenüber knechtisch unterwürfig war.

Im Krieg von 1809 zwischen Frankreich und Österreich bekämpfte Bayern auf Napoleons Seite namentlich den Aufstand in Tirol und Vorarlberg. Nach der Niederlage Österreichs musste es 1810 Südtirol an Italien, Schweinfurt und einige Teile des Mainkreises an Würzburg, einen schwäbischen Landstrich (Buchhorn, Wangen, Ravensburg, Ulm u. a.) an Württemberg abtreten, während es dafür Bayreuth, Regensburg, Salzburg, das Innviertel und einen Teil des Hausruckviertels erhielt. Es gewann dabei noch 75.000 Einwohner, so dass es auf 3,3 Mill. Einw. stieg; aber der Kampf gegen die aufständischen Tiroler machte Bayern in Deutschland verhasst. 1812 nahm das ganze Kontingent von 30.000 Mann am russischen Feldzug teil, und im November sandte Bayern 10.000 Mann Ersatztruppen nach; nur unbedeutende Trümmer kehrten im Frühjahr 1813 zurück. Auch für den Krieg von 1813 stießen wieder frische Truppen zum französischen Heer in Sachsen. Aber sofort nach den Niederlagen Napoleons im August und September knüpfte Bayern Unterhandlungen mit Metternich an, der im Vertrag von Ried (8. Okt. 1813) Bayern seinen Besitzstand und seine Souveränität garantierte, wogegen es 36.000 Mann gegen Frankreich zu stellen versprach. Am 14. Okt. erklärte es diesem den Krieg und sandte Wrede, dem auch ein österreichisches Korps unterstellt wurde, an den unteren Main, um Napoleon den Rückzug über den Rhein abzuschneiden; aber Wredes Stellung bei Hanau wurde 30. und 31. Okt. durchbrochen. Im Feldzug von 1814 fochten die bayerischen Truppen mit der Hauptarmee unter Schwarzenberg bei La Rothière, Bar und Arcis-sur-Aube und rückten auch 1815 ins Feld.

Tirol und Vorarlberg trat Bayern gleich nach dem ersten Pariser Frieden an Österreich ab und nahm dafür vorderhand die Fürstentümer Würzburg und Aschaffenburg in Besitz. Nach den Bestimmungen des Wiener Kongresses sollte Bayern außerdem noch den größten Teil von Salzburg, das Hausruck- und Innviertel an Österreich abtreten und zur Entschädigung außer Würzburg und Aschaffenburg die linksrheinische Pfalz und einige fuldaische und hessische Ämter bekommen. Doch erhob Bayern auch auf die rechtsrheinische Pfalz Anspruch und nahm erst 16. April 1816 durch Vertrag von München die Bestimmungen des Kongresses an, nachdem ihm Österreich versprochen hatte, dass, falls in Baden die Linie der Grafen von Hochberg zur Regierung käme, der rechtsrheinische Teil der alten Kurpfalz an Bayern fallen sollte; doch musste es auf dem Aachener Kongress 1818 auf diesen Anspruch verzichten (vgl. Baden, S. 252). Bayern umfasste nun 81.000 km² mit 3.377.000 Einwohnern.

Bayern als konstitutioneller Staat bis 1848

Bei der Beratung der Deutschland zu gebenden Verfassung auf dem Wiener Kongress beanspruchte das durch Wrede vertretene Bayern die Stellung eines völlig souveränen Staates, und wesentlich auf Bayerns Betrieb wurde der Deutsche Bund auf einen völkerrechtlichen Verein beschränkt. Dem nationalen Gedanken, dem sich Bayern aus partikularistischen Interessen widersetzte, wollte es nun durch freiere Institutionen ein Gegengewicht bieten und den Großmächten, namentlich Preußen, darin zuvorkommen. Daher entschloss sich der König zu liberalen Reformen, und der Absolutist Montgelas erhielt 2. Febr. 1817 seine Entlassung. Das Königreich wurde in acht Kreise eingeteilt, deren jeder einen Landrat, eine ständisch organisierte Vertretung, erhielt. Darauf wurden die kirchlichen Angelegenheiten neu geregelt, die katholischen durch ein Konkordat mit dem Papst (5. Juni 1817) und ein Religionsedikt (1818), und den Gemeinden Selbstverwaltung verliehen (6. Mai 1818). Endlich erließ 26. Mai 1818 der König ein Grundgesetz (Verfassungsurkunde), das erste dieser Art in einem größeren deutschen Staat, das eine Volksvertretung mit zwei Kammern einführte. Gleichheit vor dem Gesetz und in der Besteuerung, Freiheit und Sicherheit der Person und des Eigentums, Glaubensfreiheit und andere staatsbürgerliche Rechte wurden darin zugesichert, die Gesetzgebung und die Besteuerung an die Zustimmung des Landtags gebunden.

Der erste Landtag ward 4. Febr. 1819 eröffnet und gab zur Erörterung der öffentlichen Angelegenheiten erwünschten Anlass, aber die Ergebnisse blieben unerheblich. Ludwig I., der seinem Vater 13. Okt. 1825 gefolgt war, regelte die Finanzen und hob die Zensur für alle nicht politischen Blätter auf. Er pflegte Kunst und Wissenschaft, verlegte 1826 die Universität von Landshut nach München, wo sie glänzend dotiert und durch die Berufung berühmter Gelehrten gehoben ward, und schmückte die Residenz mit großartigen Prachtbauten für die wertvollen Kunstschätze, die München zur Hauptstadt der modernen deutschen Kunst machten. 1831 berief er den liberalen Fürsten von Öttingen-Wallerstein an die Spitze des Ministeriums, aber der Einfluss Metternichs und der Widerstand des Landtags gegen einige Lieblingspläne des Königs beförderten bei diesem mehr und mehr eine reaktionäre Strömung. Prozesse wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrat wurden eingeleitet und erregten durch die Strenge der Strafen wie namentlich durch die sonderbare Zutat der Abbitte vor dem Bilde des Königs allgemeinen Unwillen. In Würzburg wurden mehrere Professoren versetzt, der Bürgermeister Behr verhaftet und das Appellgericht nach Aschaffenburg verlegt. Der Landtag widersetzte sich namentlich dem Anspruch des Königs, über die Überschüsse der Staatseinnahmen nach Belieben (für seine Kunstbauten) verfügen zu können, wenn dies nur für Staatszwecke geschehe, und missbilligte die Absendung von bayerischen Truppen nach Griechenland zur Unterstützung des jungen Königs Otto und die Bewilligung von bayerischen Staatsgeldern für eine griechische Anleihe, obwohl der Philhellenismus des Königs und die Erhebung seines Sohnes auf den griechischen Thron (1832) im Lande populär gewesen waren. Öttingen nahm im November 1837 seinen Abschied und wurde durch den streng ultramontanen Minister Abel ersetzt.

Unter dem zehnjährigen Regiment Abels (s. d.) wurde Bayern ganz nach dem Wunsch der Jesuiten und Metternichs regiert; die Aufhebung der Zensurfreiheit für die Besprechung der inneren Politik und die Einführung der Stockprügel waren seine ersten Maßregeln. An der Münchener Universität mehrten sich die ultramontanen Professoren; die Zahl der Klöster stieg auf mehr als 132; besonders aber erregte Unzufriedenheit die Zulassung der Jesuiten unter dem Namen der Redemptoristen. Die Protestanten wurden zurückgesetzt und die Ausübung ihres Gottesdienstes erschwert; durch die Verordnung vom 14. Aug. 1838 wurde den protestantischen Soldaten befohlen, dem katholischen Militärgottesdienst beizuwohnen und vor der Monstranz die Kniee zu beugen. 1844 wurde der Gustav Adolf-Verein in Bayern verboten. Die Opposition der ohnehin zahmen und gemäßigten Kammern wurde dadurch gelähmt, dass die Regierung ihr Recht, Staatsdienern den Urlaub zum Eintritt in das Abgeordnetenhaus zu verweigern, auf Advokaten und Ärzte ausdehnte und rücksichtslosen Gebrauch davon machte. Der Sturz des ultramontanen Ministeriums erfolgte nicht durch die Kammern, sondern durch die Tänzerin Lola Montez, welche die Gunst des Königs gewonnen hatte und ihn völlig beherrschte.

Im Dezember 1846 wurde Abel die Leitung des Kirchen- und Unterrichtswesens entzogen und einem besonderen Ministerium übertragen. Als Abel ein Memorandum gegen die vom König gewünschte Indigenatsverleihung an seine Maitresse veröffentlichte und verbreiten ließ, noch ehe er es dem König überreichte, entließ der König sofort das ultramontane Ministerium (17. Febr. 1847) und berief den protestantischen Staatsrat v. Maurer zum Präsidenten eines Kabinetts, das Lola Montez das Indigenat verlieh. Als die Ultramontanen, an ihrer Spitze mehrere Professoren der Münchener Universität (Lasaulx, Sepp, Höfler, Philipps, Döllinger u. a.), das Volk, namentlich die Studenten, zu Straßenexzessen und Insulten gegen Lola Montez, ja gegen den König selbst aufreizten, wurden die Professoren abgesetzt, aber auch der Landtag aufgelöst und das Ministerium 27. Nov. in Ungnaden entlassen. Öttingen bildete ein neues Kabinett, doch konnte auch dieses wegen des herrischen Benehmens der zur Gräfin Landsfeld erhobenen Lola Montez kein Vertrauen gewinnen. Aus Anlass eines Kommerses dervon ihr begünstigten Studentenverbindung »Alemannia« (Lolamontanen genannt) kam es Anfang Februar 1848 zu neuen Studententumulten; Lola ward öffentlich verhöhnt und bedroht. Als der König Militär einschreiten und 8. Febr. die Universität schließen ließ, nahm die Bevölkerung Münchens für die Universität Partei; die Unruhen steigerten sich 10. und 11. Febr., und da unter dem Eindruck der Pariser Februarrevolution und der Wiener und Berliner Bewegung kleine Zugeständnisse nicht befriedigten, dankte König Ludwig I. am 20. März 1848 zugunsten seines Sohnes Maximilian ab.

Die Regierung König Maximilians II. 1848-64

Maximilian II. eröffnete 22. März 1848 den Landtag und erteilte Amnestie für alle politischen Verbrechen und Vergehen, kündigte Gesetze über Pressefreiheit, Wahlreform, Ablösung der Grundlasten u. a. an und ernannte ein neues Ministerium, Bray (s. d.), dem die als freisinnig bekannten populären Männer Thon-Dittmer (Inneres) und Lerchenfeld (Finanzen) angehörten. Der Landtag genehmigte die Regierungsvorlagen, namentlich ein neues Wahlgesetz. Die Regierung ging mit der deutschnationalen Bewegung, unterwarf sich der deutschen Zentralgewalt und verkündete 19. Dez. amtlich die ersten Reichsgesetze. Doch die Kammer sprach sich 9. Febr. 1849 gegen ein preußisches Kaisertum und die Ausschließung Österreichs aus, während sie die Anerkennung der deutschen Reichsverfassung und der Grundrechte forderte. Ja, als der am 18. April 1849 zum Minister des Auswärtigen ernannte v. d. Pfordten (s. d.) die in Frankfurt beschlossene Reichsverfassung verwarf und die Bildung eines deutschen Bundesstaates mit Österreich unter einem Direktorium forderte, kam es zu lebhaften Demonstrationen für die Reichsverfassung und in der Pfalz sogar zu einem Aufstand.

Die Kammer, die am 21. Mai 1849 vom König die Anerkennung der Reichsverfassung verlangte, wurde 11. Juni aufgelöst. Da die Neuwahlen im Juli eine kleine Mehrheit für die Regierung ergaben, verweigerte die Regierung gegen Preußen den Eintritt in das Dreikönigsbündnis, erkannte im Herbst 1849 das sogenannte Interim an, das eine provisorische österreichisch-preußische Bundesgewalt einsetzte, und schloss 27. Febr. 1850 mit Hannover, Sachsen und Württemberg das Vierkönigsbündnis zur Herstellung einer deutschen Verfassung mit Einschluss Österreichs. Schon 10. Mai beschickte Bayern wieder den Bundestag in Frankfurt. Bei den Verhandlungen über die Erneuerung des Zollvereins 1852–53 stand Bayern an der Spitze der preußenfeindlichen Darmstädter Koalition und unterstützte eifrigst Österreichs Verlangen nach Aufnahme in den Zollverein, um Bayerns Stellung an der Spitze der Mittelstaaten zu heben. Dasselbe Ziel hatte die Beteiligung Bayerns an den Bamberger Konferenzen während des Krimkrieges. Des Königs und Pfordtens Ideal der deutschen Verfassung war die Trias, d. h. eine Vereinigung der »reindeutschen« Staaten als gleichmächtigen Faktor neben Österreich und Preußen.

Die Reaktion war in Bayern weniger stark als anderwärts; die Regierung begünstigte das geistige und wissenschaftliche Leben und den höheren Unterricht, berief bedeutende Gelehrte (Liebig, Jolly, Pfeufer, Sybel) und Dichter (Geibel, Bodenstedt, Heyse) nach München. Den ersten Reaktionsversuch der Regierung, die Abschaffung des Wahlgesetzes von 1848, beantwortete die Kammer 1854 mit lebhafter Opposition, die zu wiederholten Auflösungen führte. Endlich entließ der König 27. März 1859 das Ministerium Pfordten und berief Schrenck an seine Stelle. Die neue Regierung trat sofort in ein freundliches Verhältnis zu den Kammern und brachte wichtige Reformen (die Aufhebung des Lottos, die Trennung der Justiz und der Verwaltung, die Reform der Gesetze über Ansässigmachung und Gewerbebetrieb, die Einführung eines neuen Strafgesetzbuches) zustande.

In der deutschen Frage wahrte Schrenck Bayerns Selbständigkeit: da dieser nur von Preußen Gefahr zu drohen schien, so konnte die Regierung österreichische Sympathien kundgeben, zumal auch die große Mehrheit der Bevölkerung, selbst der protestantischen, sich zu Österreich neigte; dies bestätigten die im Frühjahr 1863 vorgenommenen Neuwahlen zum Landtag, die eine entschieden großdeutsche und ministerielle Mehrheit ergaben. Diese billigte in einer Adresse auf die Thronrede vom 23. Juni 1863 die deutsche Politik der Regierung durchaus, auch die Ablehnung des von Preußen 1862 mit Frankreich abgeschlossenen Handelsvertrags. Während Bayern 2. Febr. 1862 gegen Preußens Bundesreformpläne protestierte, spielte König Max auf dem Frankfurter Fürstentag im August 1863 eine hervorragende Rolle. Der bayerische Plan eines Direktoriums als oberster deutscher Zentralgewalt schien sich verwirklichen zu sollen, und wenn durch die neue Bundesverfassung die Nebenbuhlerschaft Österreichs und Preußens verewigt wurde, war Bayern an der Spitze der reindeutschen Staaten ein maßgebender Einfluss in Deutschland gesichert. Doch starb Maximilian II. schon 10. März 1864, kurz nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Italien.

Die Regierung König Ludwigs II. 1864–86

Da Maximilians Sohn, König Ludwig II. (s. d.), erst 18 Jahre alt war, so leiteten die Staatsgeschäfte zunächst Schrenck und der Bundestagsgesandte Pfordten. In der schleswig-holsteinischen Frage beantragten sie gemäß den Weisungen des verstorbenen Königs am Bundestag die Anerkennung des Prinzen Friedrich von Augustenburg als Herzogs von Holstein und vertraten entschieden das Recht des Bundes auf Entscheidung der Sache. Seitdem jedoch Bismarck Österreich für eine gemeinschaftliche Politik gegen Dänemark gewonnen hatte, waren die Mittelstaaten allein am Bundestag ohnmächtig; die bayerischen Anträge auf Anerkennung des Augustenburgers wurden immer abgelehnt. Da Preußen den Weiterbestand des Zollvereins von der Annahme des preußisch-französischen Handelsvertrags abhängig machte, musste Bayern auch diesen annehmen, und um diese Schwenkung zu erleichtern, trat Pfordten im Oktober 1864 an Schrencks Stelle; im April 1865 genehmigte der bayerische Landtag den Handelsvertrag.

Beim Ausbruch des Konflikts zwischen Österreich und Preußen wegen der Elbherzogtümer 1865 bemühte sich zwar Bismarck, Bayern für eine preußenfreundliche Neutralität zu gewinnen, doch Bayern schloss sich 1866 Österreich an; es erklärte 8. März, dass kein Bundesglied zurückbleiben dürfe, wenn eine der Großmächte die Hilfe des Bundes anriefe, und stimmte, als Österreich dies tat, 14. Juni für die Mobilmachung der Bundesarmee gegen Preußen; an demselben Tage vereinbarte General v. d. Tann in Olmütz mit dem österreichischen Oberfeldherrn gemeinschaftliche Kriegsoperationen. Der geforderte Militärkredit von 31,5 Mill. Gulden wurde 18. Juni bewilligt, und die bayerische Armee (das 7. Bundeskorps) konzentrierte sich in Bamberg unter dem Oberbefehl des Herzogs Karl von Bayern, dem auch das 8. Bundeskorps unterstellt wurde. Doch die Kriegsoperationen (s. Deutscher Krieg) endeten nach den Gefechten bei Dermbach (4. Juli) und Kissingen (10. Juli) mit dem Rückzug an den Main. Während Pfordten in Nikolsburg vergeblich mit Bismarck wegen Waffenstillstand unterhandelte und Frankreichs Einschreiten anrief, rückten die Preußen in Ober- und Mittelfranken ein; gegen Ende Juli waren sie die Herren im Lande. Der Friede am 22. August legte Bayern unerhebliche Opfer auf: 30 Mill. Gulden Kriegsentschädigung und die Abtretung von Gersfeld, Orb und Kaulsdorf. Dagegen schloss Bayern auf die Mitteilung, dass Frankreich auch einen Teil der Pfalz als Entschädigung gefordert habe, ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen ab.

Der Krieg hatte die öffentliche Meinung in Bayern vollständig gewandelt, das Volk war für Anschluss an den Norddeutschen Bund, der Landtag genehmigte den Friedensvertrag, und die Zweite Kammer ersuchte die Regierung, die Einigung Deutschlands unter Mitwirkung eines Parlaments zu erstreben. Pfordten nahm 29. Dez. 1866 seine Entlassung; an seine Stelle trat der nationalgesinnte Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst, doch der sofortige Anschluss an den Norddeutschen Bund unterblieb auf Wunsch Preußens. Der im Prager Frieden in Aussicht genommene Südbund kam nicht zustande. Das Schutz- und Trutzbündnis sicherte Preußen für den Fall des Krieges den Oberbefehl, die Errichtung des Zollparlaments entwickelte den Zollverein weiter, und eine Reihe von Gesetzen, die denen des Norddeutschen Bundes nachgebildet waren, wurden in Bayern angenommen.

Die ultramontan-partikularistische Partei der »Patrioten« begann ihre gegen Preußen gerichtete Tätigkeit im Innern sehr bald, und die Wahlen zum Zollparlament 1868 ergaben 26 Klerikale neben 12 Nationalgesinnten. Noch stärker ward ihre Agitation, als 1869 das neue Schulgesetz, das die Schulaufsicht staatlichen Beamten übertrug und der Geistlichkeit nur einen Anteil an der Lokalinspektion ließ, zur Beratung stand. Die Neuwahlen im Mai 1869 wurden unter dieser Parole vorgenommen, das Ergebnis waren 72 Patrioten und 72 Liberale, deren Tätigkeit bei der Stimmengleichheit so unersprießlich war, dass die Regierung 6. Okt. die Kammer auslöste. Aber nach den Neuwahlen standen 83 Patrioten nur 71 Liberale gegenüber.

Das Ministerium Hohenlohe reichte sofort seine Entlassung ein; indes hielt der König Hohenlohe, und nur v. Gresser (Kultus) und v. Hörmann (Inneres) wurden 9. Dez. entlassen. Der Landtag trat 3. Jan. 1870 zusammen, und beide Kammern sprachen Hohenlohe in Adressen ihr Misstrauen aus; ja, die der Zweiten Kammer, von Jörg (s. d.) verfasst, verlangte neben Hohenlohes Entlassung auch die Lösung der mit Preußen geschlossenen Verträge. Nun übertrug 7. März der König dem Grafen Bray (s. d.) die Leitung des Ministeriums. Dieser erklärte 30. März die Haltung der Verträge für unerlässlich und betonte die Unabhängigkeit und Souveränität Bayerns. Die Patrioten richteten jetzt ihre Angriffe gegen das Militärbudget, und der mit ihnen verbündete demokratische Statistiker Kolb beantragte die völlige Umgestaltung des Heeres zu einer Miliz mit achtmonatiger Dienstzeit bei der Infanterie. Graf Bray und der Kriegsminister Pranckh widersetzten sich 18. Juli diesen Vorschlägen entschieden; doch noch vor der Abstimmung brach der Deutsch-Französische Krieg aus. König Ludwig erklärte sofort, der Bündnisfall sei gegeben, befahl 16. Juli die Mobilmachung, und die Regierung forderte 18. Juli von den Kammern einen Kredit von 26,7 Mill. Gulden. Der Ausschuss der Zweiten Kammer beantragte nur 5,6 Mill. Gulden zur Aufrechterhaltung einer bewaffneten Neutralität zu bewilligen; doch unter dem Druck der öffentlichen Meinung wurde der Ausschussantrag 19. Juli verworfen und für den Fall der Unvermeidlichkeit des Krieges die Summe von 18,26 Mill. Gulden bewilligt; die Reichsratskammer stimmte 20. Juli zu.

Nachdem die bayerische Regierung 20. Juli Preußen angezeigt hatte, dass Bayern auf Grund des Bündnisses in den Krieg gegen Frankreich eingetreten sei, übernahm der Kronprinz als Führer der dritten Armee den Oberbefehl persönlich in München 27. Juli. Die beiden bayerischen Armeekorps unter v. d. Tann und Hartmann nahmen an den Siegen von Weißenburg, Wörth und Sedan und an den Kämpfen vor Paris und bei Orléans Anteil, und die bayerische Kriegsverwaltung erfüllte durch Ergänzung der Verluste und des Kriegsmaterials sowie durch Stellung von Landwehrtruppen ihre Bundespflichten. Während des Krieges wuchs auch in Bayern der Wunsch nach nationaler Einigung. Schon 12. Sept. erbaten sich die bayerischen Minister vom König die Ermächtigung zu Unterhandlungen über den Anschluss an den Norddeutschen Bund und begaben sich, nachdem Besprechungen mit Delbrück in München zu keinem Resultat geführt hatten, Ende Oktober nach Versailles, wo 23. Nov. 1870 der Vertrag Bayerns mit dem Norddeutschen Bund unterzeichnet wurde. Es erhielt ausgedehnte Reservatrechte: eigene Diplomatie, selbständige Verwaltung des Heerwesens, der Post, Telegraphie und Eisenbahnen, besondere Besteuerung des Bieres und des Branntweins u. a.; anderseits trat es wesentliche Souveränitätsrechte an den Bund ab und ordnete der Sache nach sein Heerwesen dem Bundesfeldherrn völlig unter. Auf Anregung der übrigen Fürsten trug dann König Ludwig dem König von Preußen als Oberhaupt des neuen Bundes den Kaisertitel an. Der norddeutsche Bundesrat und Reichstag genehmigten den Vertrag 9. Dez., die bayerische Reichsratskammer 30. Dez. 1870. Im Abgeordnetenhaus machten aber die »Patrioten« trotz der Reservatrechte alle Anstrengungen, um den Vertrag zu Fall zu bringen, doch waren schließlich 21. Jan. nach zehntägigen Debatten 102 Abgeordnete für, 48 gegen den Vertrag. So wurde Bayern ein Glied des Deutschen Reiches, und unter dem erhebenden Eindruck des Krieges fielen auch die ersten Reichstagswahlen 3. März national aus: von 48 Abgeordneten waren nur 19 klerikal-partikularistisch.

Die Eindrücke des Krieges hatten die durch das vatikanische Konzil hervorgerufene kirchliche Frage zurücktreten lassen. Hohenlohe hatte zwar schon im April 1869 vor den Beschlüssen des Konzils gewarnt; 24. Juli 1870 erließen 44 Professoren und Dozenten der Münchener Universität, an ihrer Spitze Döllinger, eine öffentliche Erklärung gegen die Ökumenizität des Konzils und das Unfehlbarkeitsdogma, während die Regierung 9. Aug. die Veröffentlichung der Konzilsbeschlüsse ohne das königliche Plazet verbot. Dennoch publizierten die Bischöfe die Beschlüsse, und der Erzbischof von München forderte von den dortigen Professoren der Theologie die Anerkennung der Beschlüsse durch Unterzeichnung eines Reverses. Drei verweigerten den Revers, die übrigen sechs erhielten wegen der Unterzeichnung von der Universität einen Verweis. Es bildeten sich Vereine von »Altkatholiken«, die das Unfehlbarkeitsdogma verwarfen, aber sich nicht aus der Kirche verdrängen lassen wollten; auch mehrere Pfarrer gingen zu ihnen über und blieben trotz der Exkommunikation in ihrem Amt.

Der Kultusminister v. Lutz lehnte es 27. Febr. 1871 ab, den Bischöfen die Beihilfe des weltlichen Armes zu gewähren. Doch hielt der König ein noch tatkräftigeres Auftreten gegen den Klerus für notwendig und berief daher 22. Juli 1871 den Grafen Hegnenberg-Dux an die Spitze des Ministeriums, an dessen Stelle nach seinem frühen Tod (2. Juni 1872) der bisherige Finanzminister Pfretzschner trat; das Innere übernahm Pfeufer, die Justiz Fäustle. Das neue Ministerium wies die Ansprüche der Bischöfe entschieden zurück und beantragte im Bundesrat den Erlass eines Gesetzes gegen den Missbrauch der Kanzel zu politischen Agitationen (Kanzelparagraphen), das auch vom Bundesrat und Reichstag beschlossen wurde. Das Reichsgesetz über die Ausweisung der Jesuiten wurde 6. Sept. 1871 in Bayern verkündet und 1873 auf die Redemptoristen ausgedehnt. Das 1869 abgelehnte Schulgesetz wurde zwar nicht wieder eingebracht, aber die damals beabsichtigten Reformen teils auf dem Verordnungsweg durchgeführt, teils den Landräten und Gemeinden anheimgestellt.

Die Patriotenpartei, die bei den Neuwahlen 24. Juli 1875 nur eine knappe Mehrheit erzielt hatte, forderte 13. Okt. vom König in einer Adresse die Entlassung des Ministeriums. Der König verweigerte die Annahme der Adresse, bezeigte dem Ministerium 19. Okt. sein Vertrauen und vertagte den Landtag. Nach dieser Niederlage änderten die Patriotenführer Jörg und Freytag ihre Taktik, gaben die prinzipielle Opposition auf und entschädigten sich durch Abstriche an den Forderungen für Universitäten, Schulen und Beamtengehalte. Mit dieser Änderung der Politik war aber die »Katholische Volkspartei« nicht einverstanden; ihre Vertreter suchten durch Massenaustritt aus der Kammer diese zu sprengen, um durch eine starke klerikale Mehrheit den ersehnten Umschwung zu erzwingen. Dieser Zwiespalt erleichterte dem Ministerium seine Stellung.

Im Reich gestaltete sich die Stellung Bayerns günstiger als man geglaubt hatte; schon 31. März 1871 nahm es freiwillig eine Reihe von Gesetzen des Norddeutschen Bundes (über Freizügigkeit, Staatsangehörigkeit, Wechselordnung, Strafgesetzbuch) an und stimmte den verschiedenen Erweiterungen der Reichskompetenz zu. Nur dem Reichseisenbahnprojekt widersetzte es sich gleich anderen Staaten. Die große Justizreform wurde 1879 durchgeführt. Die durch den neuen Zolltarif von 1879 vermehrten Einnahmen des Reiches kamen auch Bayern zugute, wo der Ausfall bei den Eisenbahnerträgen schon durch eine Steuerreform, besonders eine Erhöhung der Biersteuer, hatte gedeckt werden müssen. Noch mehr zu statten kam Bayern die neue Branntweinsteuer, zu deren gunsten es sein Reservatrecht aufgab; die wichtigere Biersteuer behielt es. Wenngleich König Ludwig II. jede persönliche Begegnung mit dem hohenzollerischen Kaiserhaus vermied, so legte er doch der Erstarkung des Reiches kein Hindernis in den Weg. Auch den Patrioten gegenüber bot er dem Ministerium einen unerschütterlichen und ernannte 1880 nach Pfretzschners Rücktritt den von den Ultramontanen gehassten Kultusminister v. Lutz zum Ministerpräsidenten.

Neuere Zeit

Die Zurückgezogenheit, in welcher der König lebte, artete mit der Zeit in Menschenscheu aus, so dass er selbst mit den Ministern nur durch den Kabinettssekretär oder Kammerdiener verkehrte. Wegen seiner bedenklichen Neigung zur Verschwendung ließen ihn der nächste Agnat, Prinz Luitpold, Bruder Maximilians II., und der Ministerrat durch Irrenärzte beobachten und beschlossen, als diese den König für geistesgestört erklärten, 7. Juni 1886 eine Reichsverweserschaft einzusetzen. Prinz Luitpold übernahm sie 10. Juni durch eine Proklamation; dem König wurde diese mitgeteilt und er folgte der Aufforderung, sich vom Schloss Neuschwanstein nach Schloss Berg am Starnberger See zu begeben. Hier ward er unter irrenärztlicher Aussicht gehalten, ertränkte sich aber 13. Juni im See. Als König folgte sein jüngerer Bruder als Otto I.; da er jedoch geisteskrank ist, so behielt die Reichsverweserschaft Prinz Luitpold, der das Ministerium v. Lutz bestätigte. Durch die Neuwahlen 1887 verloren die Patrioten die unbedingte Mehrheit, die Liberalen waren gerade so stark wie sie, und die Entscheidung lag in der Hand der wenigen Konservativen und der gemäßigten Patrioten. Dennoch beschlossen die Ultramontanen, die sich nunmehr wie im Reichstage »Zentrum« nannten, im Oktober 1889 einen neuen Ansturm gegen das Ministerium Lutz und erreichten wenigstens, dass ihrer Forderung gemäß auch die Regierung 15. März 1890 die Altkatholiken als aus der katholischen Kirche ausgeschieden anerkannte.

Der Ministerpräsident v. Lutz erbat und erhielt wegen Krankheit 31. Mai 1890 seine Entlassung; an seine Stelle trat der bisherige Minister des Auswärtigen v. Crailsheim (s. d.). Bei den Neuwahlen vom Juli 1893 vermehrten sich die Sozialdemokraten auf 5, die Bauernbündler auf 9, während 68 Liberalen 73 Ultramontane gegenüberstanden. 1893 übernahm v. Asch (s. d.) das Ministerium des Krieges, 1895 v. Landmann (s. d.) das des Kultus. Die Wahlen von 1899 führten neben 83 Zentrumsmitgliedern 48 Liberale, 11 Sozialdemokraten, 10 Bauernbündler, 4 Konservative, 1 Demokraten und 2 Wilde in die Zweite Kammer, Präsident wurde Orterer (Zentrum) und Vizepräsident v. Keller (liberal). Die Landesfinanzen entwickelten sich bis zum Etat 1900/1901 günstig: der letztere hielt mit 421 Mill. Mark, fast 42 Millionen mehr, das Gleichgewicht. In den Beziehungen zum Reich brachte das 1898 errichtete Reichsmilitärgericht eine Veränderung: infolge direkter Verständigung zwischen dem Kaiser und dem Prinz-Regenten wurde 1899 für das bayerische Heer beim Reichsmilitärgericht ein besonderer Senat gebildet, dessen Mitglieder und Beamte der König von Bayern ernennt. Ein Zeichen dafür, dass der bayerische Partikularismus noch nicht erloschen ist, war die im Januar 1900 erfolgte Einschärfung eines älteren Verbots, aus Anlass von Kaisers Geburtstag öffentliche Gebäude mit anderen als den Landesfarben zu beflaggen. Im August wurde allerdings bestimmt, dass die Zivilstaatsgebäude am Geburtstage des Kaisers ohne weiteres, bei Reisen des Kaisers auf besondere Anordnung der Regierung in deutschen und bayerischen Farben flaggen sollen.

Bayern, Königreich, nach Flächenraum und Bevölkerung der zweite Staat des Deutschen Reiches, besteht aus zwei geographisch getrennten Gebietsteilen, von denen der größere, östliche Teil, von den Alpen, dem Böhmerwald, Thüringer Wald und der Hohen Rhön umschlossen, überwiegend dem Donaugebiet angehört, während der kleinere, westlich des Rheins abgesondert liegende Gebietsteil, die Pfalz, 113 des Ganzen, seine Gewässer dem Rhein zusendet. Der erstere Teil, Bayerns diesseit des Rheins, zwischen 9°1’ bis 13°50’ östl. Länge und zwischen 47°16’ bis 50°34’ nördl. Breite gelegen, grenzt gegen Norden an die preußische Provinz Hessen-Nassau, an Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Koburg-Gotha, an das Fürstentum Reuß j. L. und das Königreich Sachsen, gegen Osten an Böhmen, das Erzherzogtum Österreich ob der Enns und Salzburg, gegen Süden an Salzburg, Tirol und Vorarlberg, gegen Westen an Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt. Das linksrheinische Bayern, die Pfalz, liegt zwischen 7°4’ bis 8°30’ östl. Länge und 48°58 bis 49°49’ nördl. Breite und grenzt gegen Norden an die preußische Rheinprovinz und an Hessen-Darmstadt, gegen Osten an Baden, wovon es durch den Rhein getrennt ist, gegen Süden an Elsass-Lothringen, gegen Westen an die preußische Provinz Rheinland.

Staatsverfassung und Verwaltung

Bayern gehört nach dem Versailler Vertrag vom 23. November 1870 und der Reichsverfassung vom 16. April 1871 zum Deutschen Reich. Es hat jedoch verschiedene Sonderrechte; insbesondere erstreckt sich die Reichsgesetzgebung über die Heimats- u. Niederlassungsverhältnisse, über Immobiliarversicherungswesen und Bierbesteuerung nicht auf Bayern; Bayern hat eine eigene Heeresverwaltung unter der Militärhoheit des Königs, einen bayerischen Senat bei dem Reichsmilitärgericht in Berlin (für die diesem zugewiesenen Entscheidungen bayerischer Militärgerichte); es verwaltet sein Post- und Telegraphenwesen selbständig; die in der Verfassung den übrigen Bundesstaaten auferlegten Verpflichtungen hinsichtlich des Eisenbahnwesens gelten in der Hauptsache für Bayern nicht. Es ist im deutschen Bundesrat mit 6 Stimmen vertreten und entsendet 48 Abgeordnete in den Reichstag (vgl. Karte »Reichstagswahlen«).

Die bayerische Verfassung gründet sich im wesentlichen auf die Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818. Hiernach ist Bayern eine konstitutionelle Monarchie. Die Krone ist erblich im Mannesstamm des Hauses Wittelsbach nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linearerbfolge. Das bayerische Königshaus ist katholisch. Die weiblichen Nachkommen sind ausgeschlossen, solange noch ein Agnat aus ebenbürtiger, mit Bewilligung des Königs geschlossener Ehe oder ein durch Erbverbrüderung zur Thronfolge berechtigter Prinz vorhanden ist. Beim Erlöschen des Mannesstammes und bei Mangel einer Erbverbrüderung mit einem anderen deutschen Fürstenhaus geht die Thronfolge nach der für den Mannesstamm festgesetzten Ordnung auf die weibliche Nachkommenschaft über, in der wieder das männliche Geschlecht vor dem weiblichen den Vorzug hat. Bei Minderjährigkeit oder dauernder Regierungsunfähigkeit des Königs tritt Regentschaft ein, regelmäßig durch den nächsten regierungsfähigen Agnaten. Eine solche (Prinz-Regent Luitpold) besteht seit 10. Juni 1886 für König Ludwig II., seit 14. gleichen Monats für den jetzigen König Otto I.

Der Landtag besteht aus den zwei Kammern der Reichsräte und der Abgeordneten. Die Kammer der Reichsräte ist zusammengesetzt aus den volljährigen Prinzen des königlichen Hauses, den Kronbeamten, den beiden Erzbischöfen, den Häuptern der ehemals reichsständischen fürstlichen und gräflichen Familien, einem vom König auf Lebenszeit ernannten Bischof, dem Präsidenten des protestantischen Oberkonsistoriums und den vom König erblich oder lebenslänglich besonders ernannten Reichsräten, von denen die letzteren den dritten Teil der erblichen und den erblichen gleichgeachteten Mitglieder (Gesetz vom 9. März 1828) nicht übersteigen dürfen. Die Kammer der Abgeordneten setzt sich nach dem Wahlgesetz vom 4. Juni 1848 und 21. März 1881 aus 159 Mitgliedern zusammen, die unter bleibender Zugrundelegung der Volkszählung vom 1. Dez. 1875 im Verhältnis von einem Abgeordneten zu 31.500 Seelen gewählt werden. Die Wahlperiode ist sechsjährig, die Wahl eine mittelbare durch aus Urwahlen hervorgegangene Wahlmänner. Für die Urwahlen bestehen ständige Wählerlisten, die halbjährig durchgesehen werden. Wahlberechtigt als Urwähler ist jeder volljährige männliche bayerische Staatsangehörige, der dem Staate seit mindestens 6 Monaten eine direkte Steuer entrichtet, den Verfassungseid geschworen hat und keinem gesetzlichen Ausschließungsgrund unterliegt. Zur Wählbarkeit ist für die Wahlmänner das 25., für die Abgeordneten das 30. Lebensjahr erforderlich. Der Landtag muss wenigstens alle 3 Jahre berufen werden; da aber die Finanzperioden nach dem Gesetz vom 10. Juli 1865 zweijährig sind, so geschieht es mindestens alle 2 Jahre. Der erste Präsident der Kammer der Reichsräte wird vom König für die Sitzungsperiode ernannt; der zweite Präsident der Ersten und beide Präsidenten der Zweiten Kammer werden gewählt. Ohne Zustimmung des Landtags kann kein Gesetz, das die Freiheit der Personen oder das Eigentum der Staatsangehörigen betrifft, erlassen, abgeändert, authentisch erklärt oder aufgehoben werden. Die direkten Steuern werden vom Landtag für die Finanzperiode bewilligt. Zur Eingehung neuer Staatsschulden, die eine Mehrbelastung des Staates an Kapital oder Zinsen zur Folge haben, ist Zustimmung des Landtags nötig. Das Initiativrecht in Bezug auf Verfassungsänderung ist dem Landtag durch Gesetz vom 4. Juni 1848 nur bezüglich bestimmt bezeichneter Teile der Verfassungsurkunde eingeräumt. Bei Verfassungsänderungen ist zu einem gültigen Beschluss die Anwesenheit von drei Vierteln der Mitglieder in jeder Kammer und eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich. Der Landtag hat das Recht der Petition, der Information, der Verfassungsbeschwerde und der Ministeranklage. Die Stellung der Minister und die Anklage sind durch Gesetze vom 4. Juni 1848 und 30. März 1850 (mit Artikel 72 des Ausführungsgesetzes zur Strafprozessordnung vom 18. Aug. 1879) geregelt.

Heer, Wappen, Orden

Das bayerische Heer bildet einen selbständigen Bestandteil des deutschen Reichsheeres mit eigener Verwaltung unter der Militärhoheit des Königs von Bayern, im Kriegsfall jedoch unter dem Oberbefehl des deutschen Kaisers und zählt zur IV. deutschen Armeeinspektion. Bayern trägt die Kosten und Lasten seines Kriegswesens sowie den Unterhalt der auf seinem Gebiet gelegenen festen Plätze und Fortifikationen allein; es ist jedoch verpflichtet, verhältnismäßig dieselbe Summe wie die übrigen deutschen Staaten für sein Kriegswesen aufzuwenden. Die Aufstellung des Spezialetats steht Bayern zu. In Bezug auf Wehrpflicht, Dienstzeit, Organisation, Formation etc. gelten im wesentlichen die für das deutsche Reichsheer bestehenden Normen. Allgemeine Wehrpflicht war bereits 1868 eingeführt. Das bayerische Heer besteht aus 3 Armeekorps (mit 6 Divisionen) unter den Generalkommandos München, Würzburg und Nürnberg, umfasst 24 Infanterieregimenter, 2 Jägerbataillone, 10 Kavallerieregimenter, 2 Eskadrons Jäger zu Pferde, 12 Feld- und 2 Fußartillerieregimenter, die Maschinengewehrabteilung, das Ingenieurkorps mit 3 Pionierbataillonen, ein Eisenbahnbataillon, eine Telegrafenkompanie, 3 Trainbataillone, die Luftschifferabteilung.

Dem Kriegsministerium sind unterstellt: die Generalinspektion der Armee, die Inspektionen von Truppen und Behörden, das Sanitäts- und Gerichtswesen, die Intendantur der militärischen Institute, das Gendarmeriekorps (2682 Mann) und der Generalstab mit dem topographischen Bureau, Kriegsarchiv, Armeebibliothek, Armeemuseum, die Korpsgeneralstäbe etc. Bayern ist in 22 Landwehrbezirke eingeteilt. Die Friedensstärke (ohne Beamte und Ärzte etc.) beträgt gegenwärtig etwa 60.000 Mann und 10.000 Dienstpferde. Hiervon sind 2 Infanterie-, 2 Kavallerieregimenter und 2 Fußartilleriebataillone in Elsass-Lothringen (Metz) stationiert. Dazu kommt »die Leibgarde der Hartschiere« (90 Mann). Militärbildungsanstalten sind: die Kriegsakademie, die Artillerie- und Ingenieurschule, die Kriegsschule und das Kadettencorps (1756 gegründet), sämtlich in München. Ferner die Militärschießschule in Augsburg, die Unteroffizierschule und Vorschule in Fürstenfeldbruck, die Equitationsanstalt in München. Die Gewehrfabrik Amberg und die technischen Institute der Artillerie sind der Inspektion der Fußartillerie unterstellt. Landesfestungen sind Ingolstadt und Germersheim. Neu-Ulm gehört zum Rayon der Reichsfestung Ulm.

Das bayerische Wappen besteht aus einem quadrierten Schild mit einem Herzschild, der von Silber und Blau geweckt ist (Bayern). Oben rechls erscheint im schwarzen Feld ein goldener, rotgekrönter und bewehrter, doppelt geschwänzter Löwe (wegen der Pfalzgrafschaft bei Rhein); oben links ist das Feld durch einen Spitzenschnitt von Rot über Silber geteilt (Herzogtum Franken). Unten rechts folgt ein von Silber und Rot fünfmal schräg links geteiltes Feld mit einem darüber gelegten goldenen Pfahl (Markgrafschaft Burgau). Im vierten Feld erscheint in Silber ein gekrönter blauer Löwe (Grafschaft Veldenz). Auf dem Schilde ruht die bayerische Königskrone, die Spangen nicht mit Perlen, sondern mit Edelsteinen besetzt. Als Schildhalter dienen naturfarbene, doppelt geschwänzte, rückwärts sehende, mit Königskronen gekrönte Löwen. Das Ganze umgibt ein mit Hermelin gefütterter, purpurner, mit Gold gestickter und gekrönter Baldachin (s. die Tafeln »Wappen 1« und »Heraldik«, Fig. 12). Die Landesfarben sind Weiß und Blau.

Bayern hat folgende Orden und Ehrenzeichen: als Hausorden den St. Hubertusorden (1441 gestiftet) und den St. Georgsorden (aus den Zeiten der Kreuzzüge, 1729 erneuert); den Militär-Max-Josephsorden (1806 gestiftet) und den Verdienstorden der Bayerischen Krone (1808 gestiftet), beide mit persönlichem Adel verbunden; den St. Michaelsorden (1693 gestiftet, 1837 zu einem Verdienstorden umgeschaffen); den Ludwigsorden (1827 gestiftet) für 50jährige Dienstzeit; den Maximiliansorden (1853 gestiftet) für Kunst und Wissenschaft; den Militär-Verdienstorden (gestiftet 1866) und das Verdienstkreuz für 1870/71 (gestiftet 12. Mai 1871); vgl. die Tafel »Orden I«, Fig. 27, 29, 31–33. Frauenorden sind: der heil. Elisabeth- (1766) und der Theresienorden (1827 gestiftet); der St. Anna-Orden des Damenstifts zu München (1784 gestiftet) und Würzburg (1803 gestiftet). Auch verschiedene Verdienstmedaillen und Ehrenmünzen werden verteilt (s. Tafel »Verdienstmedaillen I«, Fig. 2, 3). Die Landeshaupt- und Residenzstadt ist München.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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