Keltische Sprachen
Keltische Sprachen, einer der Hauptzweige des indogermanischen Sprachstammes (s. Indogermanen), der in verschiedenen charakteristischen Eigentümlichkeiten den italienischen Sprachen am nächsten steht und früher den ganzen Westen von Europa beherrschte (siehe Kelten), aber im Laufe der Jahrhunderte immer mehr an Gebiet verloren hat. Er zerfällt in zwei Hauptgruppen: die britische und die gälische Gruppe. Zur ersteren Gruppe wird manchmal auch das ausgestorbene, sehr altertümliche Altgallisch gerechnet, das man nur teils aus Orts- und Eigennamen und anderen Wörtern, die von alten Autoren aufgeführt werden, teils aus gallischen Münzen und etwa drei Dutzend Inschriften kennt; nach neueren Forschungen scheint es indessen zu keiner der beiden noch lebenden Gruppen der keltischen Sprache in besonders naher Beziehung zu stehen. Die wichtigste lebende Sprache der britischen Gruppe ist das Walisische (Welsh) oder Kymrische (s. Welsche Sprache), das sich noch heutzutage mehr als alle anderen keltischen Idiome literarischer Pflege erfreut und von etwa 1 Million Menschen gesprochen wird; bei den jährlich stattfindenden Nationalfesten, den sogen. Eisteddfods (s. Barden und Caerwys), werden die besten Dichtungen in walisischer Sprache mit Preisen gekrönt.
Seine Blütezeit, aus der manche interessante Dichtungen und Chroniken erhalten sind, fällt ins Mittelalter; die ältesten Bruchstücke der kymrischen Sprache rühren aus dem 8. Jahrhundert her. Das Bretonische in der Bretagne (s. Bretonische Sprache und Literatur), das erst im 5. Jahrhundert n. Chr. oder später durch aus Cornwallis ausgewanderte Kelten dorthin kam, erscheint in der Literatur vom 14. Jahrhundert an, ist als Schriftsprache dem Erlöschen nahe, erhält sich aber als Volksdialekt in drei französischen Departements. Schon im 18. Jahrhundert ausgestorben ist das mit dem Bretonischen nahe verwandte Cornische von Cornwallis. Die wichtigste Sprache der gälischen Gruppe, zugleich die altertümlichste und daher für die Sprachforschung wichtigste keltische Sprache überhaupt ist das Irische, das, zuerst in Inschriften des 5. Jahrhunderts n. Chr. in der Ogam genannten Schriftart abgefasst, dann in Glossen zu lateinischen Werken auftrat, im Mittelalter eine stattliche Literatur, meist aus Chroniken, Legenden- und Gesetzsammlungen bestehend, erzeugte, seit der Renaissancezeit in Verfall geriet und heutzutage nur noch von höchstens 1 Million Individuen, die aber größtenteils auch Englisch verstehen, gesprochen wird. Eine Gesellschaft zur Erhaltung der irischen Sprache besteht in Dublin seit 1877. Das Hochschottische oder Erse, die Sprache der berühmten Lieder Ossians, auch speziell Gälisch genannt (s. Gälisch), wird nur in dem gebirgigen Teil Schottlands gesprochen. Das Manx, die alte keltische Sprache der Insel Man, wird dort kaum noch gehört. Die Gesamtzahl der keltisch Redenden in Europa betrug 1909 nur noch etwa 3,5 Millionen. Die keltischen Sprachen haben in allen Ländern, in denen sie einst gesprochen wurden, zahlreiche Ortsnamen zurückgelassen. Manche Besonderheiten der französischen Ausdrucksweise werden ebenfalls auf keltische Einwirkung zurückgeführt, so die der keltischen Zählmethode entsprechende Bezeichnung von 80 durch 4 × 20 (quatrevingt)
Bibliographie
- Holder: Altkeltischer Sprachschatz (Leipzig 1891)
- Arbois de Jubainville (s. d.): Études grammaticales de la grammaire celtique (Paris 1881)
- Arbois de Jubainville: Éléments de la grammaire celtique (Paris 1903)
- Sattler: Grammatik des Kymraeg (Zürich 1886)
- Stokes: Urkeltischer Sprachschatz (Göttingen 1894)
- Thurneysen: Keltoromantisches (Halle 1884)
- Windisch: Irische Grammatik (Leipzig 1879)
- Zeuß: Grammatica celtica (2. Aufl. von Ebel, Berlin 1871)
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909