Kolonialtruppen

Kolonialtruppen, dauernd im Interesse von Kolonien verwendete und dort ständig garnisonierende Truppen. Ihre Organisation hängt von Größe, Lage, politischer und wirtschaftlicher Bedeutung etc. der betreffenden Kolonie wie auch des Mutterlandes ab. In der Geschichte der Kolonialtruppen zeigt sich überall das Bestreben, die Hilfsmittel der Kolonien selbst, insbesondere das Menschenmaterial, für die Kolonialtruppen nutzbar zu machen, sowie die bei allen kolonisierenden Mächten wiederkehrende Tatsache, dass die Kolonialtruppen meist im Verhältnis zur Ausdehnung der Kolonien sehr schwach sind und daher vielfach in kritischen Zeiten nicht genügen. Der Grund mag vor allem in der Kostspieligkeit der Kolonialtruppen liegen. Über die deutschen Kolonialtruppen s. Deutschland (Ostasiatische Besatzungsbrigade), Kolonialrecht, Kolonien und Schutztruppen; über die französischen s. Frankreich. Was England betrifft, so sind, abgesehen vom englisch-ostindischen Heer (s. Ostindien), betreffs der Organisation der Kolonialtruppen dreierlei Kolonien zu unterscheiden (vgl. Großbritannien): Kronkolonien, die vollkommen zum Mutterland rechnen, Kolonien mit Volksvertretung, aber ohne eine dieser verantwortliche Regierung, und Kolonien mit eigener Regierung und Volksvertretung. Letzter beiden müssen für alles, was ihnen das Mutterland zu Militärzwecken liefert, einen bestimmten Betrag zahlen und die Truppen mit Unterstützung des Mutterlandes aufstellen und erhalten. Letzteres stellt nur für die wichtigsten Plätze in diesen Kolonien schwache Besatzungen aus Infanterie, Artillerie und Pionieren, die den Kolonialkorps oder den für den auswärtigen Dienst kommandierten Truppenteilen des stehenden Heeres entnommen werden. Die in einem Kriege wichtigsten Punkte weisen hierbei natürlich die stärksten Besatzungen auf, wie Gibraltar mit 5000, Malta mit 8000, Hongkong mit 3500 Mann etc. Im Übrigen ist die Zusammensetzung der Kolonialtruppen der englischen Kolonien, den äußerst verschiedenartigen Verhältnissen entsprechend, auch eine ganz verschiedene. Zu erwähnen sind noch die Kolonialtruppen der Niederlande und der Vereinigten Staaten von Amerika. Die niederländische-ostindische Armee ist von der heimischen ganz unabhängig und besteht aus geworbenen Europäern und Eingeborenen von Sulawesi (früher Celebes), Ambon (früher Amboina), Madura und Java; Weiteres s. Niederlande. Die Vereinigten Staaten haben ein provisorisches Infanterieregiment (2 Bataillone zu 4 Kompanien) auf Puerto Rico und eine Truppenmacht von rund 60.000 Mann (darunter 5000 Eingeborene) auf den Philippinen sowie schwache Postierungen in China und Alaska und auf den Hawaii-Inseln.

Bibliographie

  • »Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine«, Bd. 118, S. 127 (Berl. 1901)
  • Bremen, W. v.: Die Kolonialtruppen und Kolonialarmeen der Hauptmächte Europas, ihre geschichtliche Entwickelung und ihr gegenwärtiger Zustand (Bielef. 1902)
  • Ditte: Observations sur la guerre dans les colonies (Par. 1905)
  • Ferradini: Essai sur la défense des colonies (Par. 1905)
  • Löbell, v.: »v. Löbell’s Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen« (Berl., jährlich)
  • Montanaro: Winke für Expeditionen im afrikanischen Busch (a. d. Engl. von Glauning, Berl. 1905)
  • Schwabe: Dienst und Kriegführung in den Kolonien etc. (Berl. 1903)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe