Merseburg
Merseburg, im Mittelalter eine Markgrafschaft zwischen Saale und Mulde zu beiden Seiten der unteren Weißen Elster, bildete anfänglich einen Teil der thüringischen Mark, die Karl d. Gr. anlegte, der Sachsenherzog Otto um 900 bis zur Elbe erweiterte. Zu Merseburg hatte Graf Erwin, der Schwiegervater Heinrichs I., seinen Sitz. Die thüringische Mark, von Gero 940 neu organisiert, wurde bei seinem Tode 965 in drei Marken geteilt; das Gebiet um Merseburg (660 km²) fiel an das neue Bistum, das Otto I. 968 dem heil. Laurentius zu Ehren stiftete und dem Erzbistum Magdeburg unterordnete. Der erste Bischof, Boso (gest. 970), wirkte für die Bekehrung der Wenden in der Gegend von Zeitz. Als sein Nachfolger Giselher 981 Erzbischof von Magdeburg geworden war, wurde das Bistum Merseburg aufgehoben und unter die Diözesen Magdeburg, Halberstadt, Meißen und Zeitz geteilt. König Heinrich II. stellte es jedoch 1004 wieder her. Anfänglich übten die Könige, die auch in der ersten Zeit die Bischöfe ernannten, die Schutzgerechtigkeit; später eigneten sich die Markgrafen von Meißen die Oberherrschaft über das Bistum an, und obwohl 1288 Markgraf Friedrich darauf verzichtete und noch Kaiser Karl V. 1541 dem Bischof Siegmund die Reichsunmittelbarkeit bestätigte, übten die Markgrafen von Meißen tatsächlich die Lehnshoheit aus. Von den Bischöfen von Merseburg ist der berühmteste Thietmar (s. d., 1009–1019). Unter Herzog August von Sachsen (1544–48), dem Administrator des Stifts, wurde die Reformation eingeführt, und 1561 kam infolge einer Kapitulation die Administration des Stifts definitiv an Kursachsen, dem sie auch im Westfälischen Frieden zugesprochen wurde. Christian I., Sohn des Kurfürsten Johann Georg und seit 1650 Administrator des Stifts, erhielt durch testamentarische Verfügung seines Vaters 1657 auch die Niederlausitz, die Herrschaften Dobrilugk und Finsterwalde nebst den Ämtern Delitzsch, Bitterfeld und Zörbig und wurde so der Stifter der Linie Sachsen-Merseburg, einer Nebenlinie des Kurhauses Sachsen, die aber 1738 mit Herzog Heinrich erlosch. Seit dieser Zeit war das Bistum Merseburg ein Teil von Kursachsen, bis es durch den Wiener Kongress 1815 etwa zu drei Vierteln an Preußen kam und seitdem den Kreis Merseburg bildet. Der kleinere Teil blieb bei Sachsen und ist zum Leipziger Kreis geschlagen. Das Domkapitel besteht noch gegenwärtig.
Bibliographie
- Kehr: Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg (1. Teil, Merseburg 1899)
- Schmekel: Historisch-topographische Beschreibung des Hochstifts Merseburg (Halle 1858)
Merseburg, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks in der [ehem.] preußischen Provinz Sachsen und Kreisstadt, an der Saale, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Berlin-Weißenfels, Merseburg-Mücheln und Merseburg-Schafstädt sowie einer elektrischen Straßenbahn nach Halle, 99 m ü. M., besteht aus der eigentlichen Stadt, der Domfreiheit, den Vorstädten Altenburg und Neumarkt und einem neuen Stadtteil, hat im Innern ein altertümliches Ansehen und besitzt fünf evangelische und eine katholische Kirche, unter ersteren die ausgezeichnete viertürmige Domkirche (1884–86 restauriert). Diese gehört drei verschiedenen Bauperioden an: das Chor, die Krypte und die beiden Rundtürme (1042 geweiht) der rein romanischen, das Querschiff (um 1274) der spitzbogig-romanischen Periode, das Schiff mit einem barock-gotisch dekorierten Portal dem 16. Jahrhundert. Im Innern sind das Grabmal Rudolfs von Schwaben (des Gegenkönigs Heinrichs IV.), das Grabmal des Bischofs Siegmund von Lindenau (von Hans Vischer), die reichgeschnitzte spätgotische Kanzel und die große Orgel (1666 eingeweiht) bemerkenswert.
Märkte in Merseburg
- Merseburger Kunsthandwerker- und Töpfermarkt
- Merseburger Schlossfest
- Kunsthandwerkermarkt in der Hofstube
- Merseburger Rabenmarkt
- Merseburger Schlossweihnacht
Das Schloss, im gotischen Stil mit drei Türmen, ehedem Residenz der Bischöfe, dient jetzt als Regierungsgebäude; in dem daran stoßenden Garten steht ein Denkmal des Kaisers Wilhelm I. und das gusseiserne Denkmal des Feldmarschalls Kleist v. Nollendorf. Noch sind von öffentlichen Gebäuden zu erwähnen: das Kapitelhaus, das Rathaus, die alte Kirche St. Thomä in der Vorstadt Neumarkt, die Dompropstei und das neue, stilvolle Ständehaus mit schönen Wandmalereien. Auf dem Schulplatz steht das Bronzestandbild Kaiser Friedrichs III. Die Zahl der Einwohner beträgt (1900) mit der Garnison (ein Füsilierbataillon Nr. 36) 19.118 Seelen (1905: 20.023), davon 535 Katholiken und 29 Juden. Die Industrie erstreckt sich auf Eisengießerei, Armatur-, Maschinen-, Zellulose- und Papierfabrikation, Fabriken für Leim und Zigarren, Gerberei, Färberei und Bierbrauerei. Merseburg ist Sitz einer königlichen Regierung, der Provinzialverwaltung, der Generalkommission und der Städte- und Landfeuersozietät für die Provinz Sachsen, hat ein Amtsgericht, ein Domkapitel, ein Gymnasium, Präparandenanstalt, ein Waisenhaus und vortreffliche Armenanstalten.
Die Stadt Merseburg stammt schon aus der Karolingerzeit und wurde von König Heinrich I. erweitert und befestigt. Sie ward Residenz der Markgrafen von Merseburg, von 968 an Sitz der Bischöfe und war im 10. und 11. Jahrhundert auch königliche Pfalz. Von 973–1302 fanden hier 15 Hoftage statt. Die Stadt hatte im Bauernkrieg 1525, namentlich aber im Dreißigjährigen Krieg viel zu leiden; 1631 wurde sie von Pappenheim genommen, 1632 nochmals an die Kaiserlichen übergeben, von den Schweden 1636 gebrandschatzt und 1640 geplündert. Von 1657–1738 war Merseburg Residenz der Herzoge von Sachsen-Merseburg. Die frühere Annahme, dass der Ort der Ungarnschlacht von 933 hier zu suchen sei, ist hinfällig.
1756, bei Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, war Merseburg als Sammelplatz für 600 Mann leichte Kavallerie ausgewiesen, die Johann Michael von Gschray für preußischen Dienst anwerben sollte. Dazu kam es allerdings nicht, weil Gschray sein Versprechen nicht erfüllte und die königliche Kapitulation zurücksandte. Im Dezember 1756 warb der Marquis von Angelelli hier ein Freibataillon (F4).
Bei Merseburg siegten 29. April 1813 die Preußen unter Lobethal über Teile des französischen Korps Macdonald.
Bibliographie
- »Beschreibende Darstellung der ältern Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen«, Heft 8: Kreis Merseburg (Halle 1883)
- Hahn: Historia Martisburgica (Leipz. 1606)
- Hoffmann, E.: Historische Nachrichten aus Alt-Merseburg (Merseb. 1903)
Der Regierungsbezirk Merseburg (s. Karte »Provinz Sachsen«) umfasst 10.211 km² (185,43 mi²), zählt (1900) 1.189.825 Einwohner (117 auf 1 km²), davon 1.146.470 Evangelische, 39.185 Katholiken und 2070 Juden, und besteht aus den 19 Kreisen:
Kreise | km² | Einwohner | Einw. auf 1 km² |
---|---|---|---|
Bitterfeld | 696 | 67.036 | 98 |
Delitzsch | 757 | 69.485 | 92 |
Eckhartsberga | 562 | 38.450 | 68 |
Halle (Stadtkreis) | 40 | 156.609 | – |
Liebenwerda | 794 | 55.390 | 70 |
Mansfeld (Gebirgskr.) | 497 | 66.102 | 133 |
Mansfeld (Seekreis) | 587 | 100.333 | 171 |
Merseburg | 575 | 82.388 | 143 |
Naumburg | 162 | 37.349 | 230 |
Querfurt | 684 | 58.351 | 85 |
Saalkreis | 507 | 69.921 | 138 |
Sangerhausen | 773 | 72.145 | 93 |
Schweinitz | 1012 | 39.632 | 39 |
Torgau | 987 | 56.936 | 58 |
Weißenfels (Stadt) | 19 | 28.201 | – |
Weißenfels (Land) | 477 | 71.734 | 140 |
Wittenberg | 824 | 60.687 | 74 |
Zeitz (Stadt) | 8 | 27.391 | – |
Zeitz (Land) | 258 | 31.685 | 123 |
Über die acht Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks Merseburg s. Karte »Reichstagswahlen«.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909