Fürstentümer Reuß

Fürstentümer Reuß.

Reuß, zunächst vier, später zwei souveräne deutsche Fürstentümer, die bis 1918 bestanden: Reuß ältere Linie (Reuß-Greiz) und Reuß jüngere Linie (Reuß-Schleiz-Gera), deren Gebiet bis 1918 aus zwei getrennten Teilen bestand, wovon der nördliche (Unterland) an den ehemaligen preußischen Regierungsbezirk Merseburg, das Herzogtum Altenburg und das Großherzogtum Weimar grenzte, während der größere südliche Teil (Oberland) von Schwarzburg-Rudolstadt, dem preußischen Kreis Ranis, Sachsen-Weimar, dem Königreich Sachsen, Bayern (Oberfranken) und Sachsen-Meiningen eingeschlossen wurde. Im allgemeinen ist das Land gebirgig, indem es von einem Teil des Thüringer Waldes (dem sogen. Frankenwald) sowie von einem Teil des zwischen diesem und dem Erzgebirge befindlichen vogtländischen Mittelgebirges durchzogen wird. Die bedeutendsten Spitzen sind: der Sieglitz (747 m) und der Kulm (779 m).

Die Hauptgewässer sind: die Saale mit der Selbitz, Lemnitz, Friesau, Wetterau und Sormitz im westlichen und die Weiße Elster mit der Göltzsch im östlichen Teil des Landes. An der südlichen Grenze entspringt die Rodach, die zum Main geht. Das Oberland führt an zahlreichen Punkten Stahlquellen, von denen die in der Nähe von Lobenstein gefasst sind und Anlass zu der Begründung der dortigen Bade- und Heilanstalt gaben. Das Klima ist gemäßigt, um den Frankenwald etwas rauh, in den Gegenden an der Saale und um Gera weit milder.

Die Fürstentümer Reuß haben einen Flächeninhalt von 1143,01 km² mit (1905) 215.187 Einwohnern, wovon auf Reuß ältere Linie 316,3 km² mit 70.603 Einwohnern, auf Reuß jüngere Linie 826,71 km² mit 144.584 Einwohnern kommen. Reuß ältere Linie zählt 2 Städte, 2 Marktflecken und 71 Dörfer, Reuß jüngere Linie 6 Städte, 4 Marktflecken und 163 Dörfer. Städte mit über 10.000 Einwohnern sind Greiz (23.118) und Gera (46.909). 1905 waren von den Einwohnern 209.189 evangelisch, 4011 katholisch, 1613 andere Christen, 344 Juden und 30 andere Bekenntnisse. In Ebersdorf bestand eine Herrnhutergemeinde von 150 Seelen.

In militärischer Hinsicht bilden die Truppen der beiden Reuß mit denen von Sachsen-Altenburg und Schwarzburg-Rudolstadt das 7. thüringische Infanterieregiment Nr. 96, das der 38. Division des 11. preußischen Armeekorps (Kassel) zugewiesen ist. In Gera befindet sich der Regimentsstab, und außerdem garnisoniert dort ein Bataillon dieses Regiments, von dem allmonatlich ein kleines Detachement nach Greiz abgeschickt wird.

Das Wappen (s. Tafel »Wappen I« Fig. 9) beider Fürstentümer hat vier Felder, in deren erstem und viertem ein rot gekrönter, goldener, doppelt geschwänzter Löwe in Schwarz (wegen Reuß), in deren zweitem und drittem ein goldener Kranich in Silber (wegen Kranichfeld); der Schild ist mit drei Helmen bedeckt und wird von zwei Löwen gehalten, die bei Reuß ältere Linie golden, bei Reuß jüngere Linie schwarz-silbern sind. Die Devise auf blauem Bande lautet: »Ich bau auf Gott«. Die Landesfarben sind Schwarz, Rot und Gelb. In jedem der beiden Staaten bestehen ein Verdienstkreuz (in Reuß ältere Linie 3 Klassen, in Reuß jünger Linie goldenes und silbernes nebst silberner Medaille), ein Ehrenkreuz in 4 Klassen nebst affiliierter goldener und silberner Verdienstmedaille (1869 für Reuß jüngere Linie gestiftet, 1902 auf Reuß ältere Linie ausgedehnt), s. Tafel »Verdienstauszeichnungen«. Die fürstlichen Residenzen sind in Reuß ältere Linie Greiz, in Reuß jüngere Linie Schloss Osterstein bei Gera und Schleiz.

Geschichte der reußischen Fürstentümer

Das gegenwärtig reußische Gebiet war einst im Besitz der Sorben und gehörte nach deren Unterwerfung zur Mark Zeitz. Otto III. verlieh 999 die Landschaft Gera dem Kloster Quedlinburg, und Kaiser Heinrich IV. übertrug seinem Marschall Heinrich dem Frommen von Gleißberg (gest. um 1120) die Vogteien Gera und Weida. Heinrich ist der Ahnherr des reußischen Fürstenhauses. Sein Enkel Heinrich der Reiche (gest. um 1200) erwarb durch Heirat die Vogteien zu Greiz, Hof und Plauen. Heinrichs des Reichen zweiter Sohn, Heinrich IV. (gest. 1250), Landmeister des Deutschen Ordens in Preußen, setzte das Geschlecht fort. Seine Söhne teilten (etwa um 1244) und stifteten die drei Linien Weida, Plauen und Gera, deren jede den Vogtstitel führte.

Die Weidasche Linie (Stammvater Heinrich VII.) besaß die Herrschaften Weida und Greiz, die Pflegen Ronneburg und Werde, das Regnitzland, die Stadt Hof und Schloss Hirschberg (Saale), verkaufte Hof und das Regnitzland 1373 an die Burggrafen von Nürnberg und Weida 1427 an Kursachsen, erwarb dagegen Schloss und Herrschaft Wildenfels (1454), worin ihre Glieder den Titel Vögte von Weida und Wildenfels führten, bis sie 1532 erlosch.

Die Linie Gera wurde von Heinrich I., Sohn Heinrichs IV., gegründet, der bei der Teilung nur Gera und das Land westlich der Elster erhielt, später jedoch den östlichen Teil von Weida kaufte. Seine Enkel Heinrich VI. (gest. um 1343) und Heinrich VII. (gest. 1377) besaßen als Reichslandrichter, jener im Pleißener Land, dieser in Meißen, Osterland und Landsberg, einflussreiche Stellungen. Doch musste letzterer, Haupt der Linie seit 1347, 1371 die Herrschaft Lobenstein von Böhmen, 1374 Schleiz, Saalburg und Reichenfels von Thüringen zu Lehen nehmen. Heinrich XI., der mittlere, des vorigen älterer Sohn, setzte das Geschlecht fort; seine drei Söhne teilten, so dass der ältere Gera, der mittlere Schleiz, der jüngere Lobenstein erhielt. Doch vereinigte Heinrich XV., der mittlere, um 1497 wieder alle Besitzungen dieser Linie. Nach seinem Tod (1502) teilten seine Söhne Heinrich XVIII. und Heinrich XIX. wiederholt, doch beerbte der jüngere 1538 den Bruder. Heinrich, der um 1543 die Reformation eingeführt hatte, musste nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 seine Besitzungen von Böhmen zu Lehen nehmen und außerdem Gera an den Burggrafen zu Meißen, Heinrich von Plauen, abtreten. Mit seinem Tode 1550 erlosch die Linie Gera, und Heinrich von Plauen trat die Erbschaft an.

Die Linie Plauen (Stammvater Heinrichs IV. mittlerer Sohn Heinrich) erhielt die Stammherrschaft Plauen mit Vogtsburg, und ihr Stifter nannte sich daher Heinrich I., Vogt von Plauen. Seine beiden Söhne, Heinrich der Böhme und Heinrich der Reuße, sind die Stifter der beiden Linien Plauen, von denen die jüngere bis 1918 blühte.

In der älteren Linie Plauen gingen unter Heinrichs des Böhmen Nachkommen die Besitzungen fast unvermindert stets auf den ältesten Sohn über. Unter ihnen sind am bekanntesten Heinrich XI., der als Hofrichter Kaiser Siegmunds in Konstanz 1417 das über Huß gefällte Urteil für rechtswidrig erklärte, und sein Bruder Heinrich, der Hochmeister des Deutschen Ordens (s. Heinrich von Plauen). Heinrich XI. ward vom Kaiser 1426 mit der erledigten Burggrafschaft Meißen belehnt und zum Reichsfürsten ernannt, weshalb er den Namen Heinrich I. annahm. Sein ältester Sohn, Heinrich II. (gest. 1446), kam wegen des Burggraftums mit dem Kurfürsten von Sachsen in Streit und musste es auf Verfügung des Königs Albrecht II. 1439 an den Kurfürsten gegen eine Entschädigung von 16.000 rheinischen Gulden nebst allem Zubehör abtreten, doch bliebem ihm Titel und Wappen. 1572 ging dann die Burggrafschaft Meißen definitiv an Kursachsen über Heinrich III., des vorigen Sohn, verlor 1482 seine vogtländischen Besitzungen an Sachsen und erhielt dafür böhmische Güter als Entschädigung. Erst sein Enkel Heinrich V. (gest. 1554), kaiserlicher Kämmerer und oberster Kanzler von Böhmen, erhielt für die Dienste, die er dem Kaiser im Schmalkaldischen Krieg geleistet hatte, die Sachsen entrissenen vogtländischen und böhmischen Lehen und die Herrschaften Vogtsberg, Plauen, Ölsnitz, Adorf, Schöneck sowie die böhmische Herrschaften Graslitz zurück und wurde 1550 nach dem Aussterben der Linie Gera auch mit Gera, Schleiz, Lobenstein und Saalburg belehnt. Im Auftrage König Ferdinands eroberte er 1553 die brandenburgische Stadt Hof und erhielt als Entschädigung für die Kriegskosten die Hauptmannschaft von Hof und mehrere Ämter auf dem Fichtelgebirge. Unter seinen zwei Söhne, Heinrich VI. und Heinrich VII., ging das durch ihren Vater Erworbene wieder verloren. Beide Brüder starben verarmt und kinderlos, der jüngere 1572; mit ihm erlösch die ältere Plauensche Linie.

Die jüngere Plauensche Linie gründete Heinrich der Reuße, der erste dieses Namens; so hieß er wegen seines langen Aufenthaltes und seiner Abenteuer in Russland und starb vor 1309. Dessen Sohn Heinrich II. erhielt 1325 vom Kaiser Reichenbach und Mylau zu Lehen, vom Landgrafen Friedrich Meißen und das Schloss Waldeck. Im folgenden Jahr verlieh der Kaiser allen Plauenschen Linien eine Goldene Bulle über ihre Landesherrlichen Regalien. Des obigen Sohn Heinrich der Strenge (1349–59) verlor durch eine Fehde mit dem Markgrafen Friedrich dem Strengen von Meißen (1355–57) Triptis, Auma und Ziegenrück. Die drei Söhne desselben teilten das väterliche Erbe unter sich; doch starb der mittlere derselben (1372) wie der jüngere (um 1407) ohne Erben, und ihre Lande fielen als eröffnete Lehen an den Landgrafen von Thüringen. Der älteste setzte das Geschlecht fort; von seinen drei Enkeln trat der zweite in den Deutschen Orden und wurde 1469 Hochmeister, während die beiden anderen (1451) die Herrschaft Ober- und Niederkranichfeld an sich brachten. Von den fünf Söhnen des älteren der letztgenannten hatte nur einer, Heinrich XVI. (gest. 1535), Nachkommen, die infolge der Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg auf protestantischer Seite der Reichsacht verfielen und alle sächsischen und böhmischen Lehen verloren. Später erhielten sie teilweise ihre Länder zurück und spalteten sich 1504 in drei Linien, die ältere, mittlere und jüngere.

Die ältere Linie Reuß von Plauen und Untergreiz hatte Heinrich I. oder den älteren, der 1572 starb, zum Stifter. Nachdem 1616 die mittlere Linie (s. unten) erloschen und ihr Besitz der älteren Linie zugefallen war, nannte sich diese von da an Reuß-Greiz. 1625 entstanden innerhalb dieser Linie durch Teilung die beiden Häuser Reuß-Obergreiz und Reuß-Untergreiz. 1671 nahmen sämtliche Herren Reuß von Plauen den Grafentitel an, nachdem durch den Nebenrezess vom 13. Nov. 1668 die genauere Bezeichnung der Heinriche von Reuß durch Beifügung von Nummern eingeführt worden war. 1681 wurde vereinbart, künftig weitere Teilungen zu vermeiden; 1690 war die Primogenitur eingeführt. Das Haus Untergreiz erlosch 1768; seine Besitzungen fielen an Obergreiz, wo Heinrich XI. (1743–1800) regierte. Dieser wurde 1778 mit seinem ganzen Haus in den Reichsfürstenstand erhoben, und so entstand die bis 1918 bestehende Fürstentum Reuß ältere Linie (s. unten).

Die mittlere Linie Reuß von Plauen auf Obergreiz, die Heinrichs XVI. zweiter Sohn, Heinrich der Mittlere, bei der Teilung von 1564 gründete, erlosch schon 1616; ihr Besitz fiel an die ältere Linie (s. oben).

Die jüngere Linie Reuß von Plauen zu Gera gründete 1564 Heinrich XVI. jüngerer Sohn. Er veranlasste 1567 in Gemeinschaft mit dem Vetter von Obergreiz und den Herren von Schöneburg auf Glauchau die Bearbeitung der in den drei Gebieten eingeführten reußischen (geraischen) Konfession.

Sein Sohn Heinrich II. Posthumus, seit 1595 selbständig, erwarb 1613 das später auf alle reußischen Lande ausgedehnte Privilegium de non appellandon. Bei der Teilung von 1647 erhielt Heinrich II. ganz Gera, Heinrich IX. Schleiz, Heinrich X. Lobenstein und ihr Neffe Heinrich I. Saalburg nebst Teilen von Schleiz und Lobenstein. Da aber 1666 Heinrich IX. unvermählt starb, so erfolgte eine neue Teilung, in der ganz Schleiz an Heinrich I. fiel, während Saalburg nebst Zubehör unter die drei vorhandenen Linien geteilt wurde. So entstanden drei gesonderte Teile, die Reuß-Gera, Reuß-Schleiz und Reuß-Lobenstein hießen, für welche die obenerwähnten Vereinbarungen von 1668 (Verbot der Teilung) und 1690 (Einführung der Primogenitur) ebenfalls Gültigkeit erlangten.

Die Trennung hat bis 1. Okt. 1848 Bestand gehabt. Die Geraische Linie starb 1802 aus, und bis zur Vereinigung 1848 führten die anderen Linien die Regierung über das Land gemeinsam. – Die Schleizer Linie die bis 1918 als »Fürsten von Reuß jüngere Linie« blühte, erbte 1802 die Hälfte des Besitzes der Geraischen Linie, ward 9. April 1806 gefürstet, trat dem Rheinbund und 1815 dem Deutschen Bund bei und erbte 1848 auch den Besitz der Lobensteinschen Linie. Somit war aller seit 1666 getrennter Besitz wieder vereinigt und bildete seitdem den Bundesstaat Reuß jüngere Linie (s. unten).

Infolge des Verbots weiterer Teilungen war das Staatsgebiet zwar nicht mehr zerstückelt worden, aber Nebenlinien hatten sich auch ferner abgezweigt: die 1692 gestiftete Nebenlinie Reuß-Schleiz-Köstritz hat sich wieder gespalten, und zwar wurde die ältere, nicht souveräne (Paragiats-)Linie Reuß-Köstritz 1817 nach dem Rechte der Erstgeburt gefürstet, während die übrigen Glieder den prinzlichen Titel führten. Das Paragiat Köstritz war Sekundogenitur des fürstlichen Hauses Reuß jüngere Linie. Die jüngere Linie Reuß-Köstritz stammt von Heinrich XXIII. (gest. 1787) ab und führte seit 1867 den Prinzentitel. – Die Lobensteinsche Linie trennte sich schon 1678 wieder in die Lobensteiner Speziallinie (1790 gefürstet und 1805 im Hauptstamm. 1824 auch in dem Zweige Selbitz ausgestorben), die Hirschberger Speziallinie (1711 ausgestorben) und die Ebersdorfer Speziallinie. Letztere wurde 1806 gefürstet, trat dem Rheinbund und 1815 dem Deutschen bund bei und beerbte 1824 die Lobensteiner, deren Herren ebenfalls souveräne Rheinbundfürsten gewesen und dem Deutschen Bund beigetreten waren. Der seit 1822 regierende Fürst Heinrich LXXII. entsagte 1. Okt. 1848 der Regierung und starb 17. Febr. 1853 in Dresden. Sein Erbe fiel an die nunmehr allen 1666 getrennten Besitz wieder vereinigende Schleizer Linie.

Geschichte des Fürstentums Reuß ältere Linie

Das bis 1918 bestehende, 1778 (s. oben) entstandene Fürstentum hatte zu Herren Heinrich XI. (1745–1800), Heinrich XIII. (1800–1817), der Generalfeldzeugmeister in österreichischem Dienst war und 1807 dem Rheinbund, 1815 dem Deutschen Bund beitrat, und Heinrich XIII. (1817–36). Letzterer starb ohne Söhne, deshalb folgte ihm der Bruder Heinrich XX. (1836–59), der seinem Lande 1848 eine Verfassung gab, die jedoch nicht durchgeführt wurde. Sein Nachfolger war der unmündige Heinrich XXII. (1859–1902, s. Heinrich 53), der bis 1867 unter der Vormundschaft seiner Mutter Karoline stand. Letztere, streng konservativ gesinnt, stand 1866 gegen Preußen, schloss erst 26. Sept. 1866 Frieden mit Preußen, und das Land trat nach Zahlung von 100.000 Talern Kriegsstrafe dem Norddeutschen Bund bei. Heinrich XXII. führte bei seinem Regierungsantritt eine neue ständische Volksvertretung mit allerdings wenig weitgreifender Mitwirkung bei der Finanzverwaltung und Gesetzgebung ein.

Am 1. Juli 1867 ging die Militärhoheit im Fürstentum an Preußen über, 1871 wurde es Bundesstaat des Deutschen Reiches. Nichtsdestoweniger trug der Fürst seine Abneigung gegen Preußen und das Reich offen zur Schau und brachte dies auch in seinen Regierungshandlungen, wo er nur konnte, zum Ausdruck. Da sein Sohn und rechtmäßiger Thronerbe Heinrich XXIV. (geb. 1878) wegen geistigem Schwachsinn zur Regierung nicht fähig war, wurde 1902 eine Regentschaft eingesetzt, zu deren Führung der regierende Fürst von Reuß jüngere Linie, Heinrich XIV., als nächster volljähriger Agnat des fürstlichen Gesamthauses berufen war. Nach dem Ableben Heinrichs XXIV. wäre wäre ihm oder seinem Erben das Fürstentum als Erbe zugefallen, und dann wären die beiden Fürstentümer zu einem Land vereinigt gewesen. Der Regent hat während seiner Tätigkeit dauernd, aber schonend mit Einrichtungen aufgeräumt, die sein Vorgänger geschaffen hatte. Schon im Ablauf des Jahres 1902 stellte die reichsfeindliche »Landeszeitung für das Fürstentum Reuß ältere Linie« ihr Erscheinen ein; eine Verordnung aus dem Jahre 1855, welche die Bildung politischer Vereine vollständig verbot, wurde aufgehoben, und er gemeinschaftliche stellvertretende Bevollmächtigte der thüringischen Staaten beim Bundesrat wurde auch von dem Regenten für Reuß ältere Linie für diese Fürstentum bevollmächtigt.

Geschichte des Fürstentums Reuß jüngere Linie

Dieses bis 1918 bestehende Fürstentum hatte seine endgültige Gestalt erst durch die am 1. Okt. 1848 erfolgte Vereinigung Lobensteins mit Schleiz erhalten (s. oben). Der erste das vereinigte Land beherrschende Fürst war Heinrich LXII., der seit 1818 in Schleiz regierte und 1854 starb. Er berief sofort nach der Vereinigung einen konstituierenden Landtag, der das Staatsgrundgesetz vom 30. Nov. 1849 und die Gemeindeordnung von 1851 beschloss. Der erste konstitutionelle Landtag (seit November 1851) führte die indirekte Wahl und eine Gliederung nach Ständen ein; am 14. April 1852 erhielt das revidierte Staatsgrundgesetz nebst neuem Wahlgesetz Geltung. Heinrich LXII., der unvermählt geblieben war, folgte sein Bruder Heinrich LXVII. (1854-67), der mit seinem Minister v. Geldern der Reaktion zuneigte, die Verfassung 1856 änderte und erst durch den Minister v. Harbau modernere Bahnen beschritt. 1866 hielt sich Reuß neutral, trat aber schon 26. Juni 1866 durch freiwilligen Vertrag mit Preußen dem in Aussicht genommenen Norddeutschen Bund bei. 1867 ging infolge einer Konvention die Militärhoheit auf Preußen über. Seit 11. Juli 1867 regierte Fürst Heinrich XIV. (s. Heinrich 54), unter dem Reuß 1871 Bundesstaat des Deutschen Reiches wurde, und der seit 1902 zugleich Regent in Reuß ältere Linie war. Seit 1892 war der Erbprinz Heinrich XXVII. von seinem Vater als ständiger Stellvertreter mit der Führung der Regierung betraut worden.

Bibliographie

  • Auerbach: Bibliotheca Ruthenea (Bibliographie, Gera 1822)
  • Limmer: Entwurf einer urkundlichen Geschichte des gesamten Vogtlandes (Gera 1825-28, 4 Bde.)
  • Limmer: Kurze Geschichte des Hauses Reuß (Ronneburg 1829)
  • Maier: Chronik des fürstlichen Hauses der Reußen von Plauen (Leipz. 1811)
  • Schmidt, Bertold: Die Reußen, Genealogie des Gesamthauses Reuß (Schleiz 1903)
  • Schmidt, Bertold: Urkundenbuch der Vögte von Weida, Gera und Plauen (Jena 1885–1892, 2 Bde.)
  • Schmidt, Bertold: Das reußische Wappen und die reußischen Landesfarben (Hohenleuben 1892)
  • Sieber: Die Forsten des regierenden Fürstenhauses Reuß jüngere Linie in der Zeit vom 17. bis 19. Jahrhundert (Berl. 1902)
  • Jahresbericht des Vogtländischen altertumsforschenden Vereins zu Hohenleuben (1828 ff.)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Historische Orte