Triest
Triést (ital. Trieste, slowen. Trst; hierzu der Stadtplan), reichsunmittelbare Stadt im österreichisch-illyrischen Küstenland, wichtigster Hafen- und Seehandelsplatz Österreichs, liegt unter 45°38‘ nördlicher Breite und 13°46‘ östlicher Länge in reizender Lage terrassenförmig am Fuße des Karstes am nördlichsten Becken des Adriatischen Meeres, dem Golf von Triest, hat mit ihrem Gebiet eine Fläche von 95,23 km² (1,7 mi²) und bildet ein selbständiges österreichisches Kronland (s. Karte »Krain-Küstenland«).
Triest besteht aus der Altstadt, die sich von dem mit einem alten Kastell (von 1508 bis 1650) gekrönten, aussichtsreichen Schloßberg westlich bis zum alten Hafen hinzieht und meist unregelmäßige und enge Gassen enthält, und der nördlich davon gelegenen Neustadt mit breiten, regelmäßigen Straßen. In die Neustadt tritt der 372 m lange, 28 m breite, 4 m tiefe »große Kanal« ein, über den drei Drehbrücken führen. An die Altstadt schließen sich südwestlich die Josephstadt und weiter die Stadtteile St. Andrea und Chiarbola inferiore, südlich San Giacomo an. Mehrere Vororte, wie Chiarbola superiore (im Südosten), Rozzol und Chiadino (im Osten), Guardiella, Scorcola und Rojano (im Norden), stehen mit der eigentlichen Stadt in unmittelbarem Zusammenhang. Durch Ausführung eines Tunnels unter dem Hügel della Fornace ist eine neue Verbindung der inneren Stadt mit den südlichen und südöstlichen Stadtteilen geschaffen worden. Unter den öffentlichen Plätzen sind hervorzuheben: der Große Platz (Piazza Grande) mit der Marmorstatue Karls VI. und dem Maria-Theresiabrunnen (1751), durch eine öffentliche Anlage vom Meer getrennt; der Börsenplatz mit einer Neptunsgruppe aus Marmor und dem 1660 errichteten Standbild Leopolds I.; der Josephsplatz (Piazza Giuseppina) mit dem Monument des Erzherzogs Maximilian, Kaisers von Mexiko (von Schilling, 1875); der Bahnhofsplatz mit Gartenanlage und dem Denkmal der 500jährigen Zugehörigkeit Triests zu Österreich (1888); der Postplatz, die Piazza Goldoni, der mit einem Square besetzte Leipziger Platz, die Piazza San Giovanni mit dem Denkmal Verdis (1906) etc. Von den Straßen sind der Corso, der die Altstadt von der Neustadt trennt, die Via Carducci und Via dell‘ Acquedotto (mit schöner Allee, besuchter Spaziergang), die zum Giardino pubblico führende Via Stadion mit dem Denkmal Rossettis sowie die Kais am belebtesten und schönsten. Unter den Kirchen ist die hervorragendste der Dom San Giusto, der sich südwestlich vom Kastell erhebt und 1385 durch Vereinigung dreier Bauwerke aus dem 5. und 6. Jahrhundert, einer altchristlichen Basilika, eines Baptisteriums und einer kleinen byzantinischen Kuppelkirche, hergestellt wurde. Er ist im Innern fünfschiffig, hat Säulen mit romanischen Kapitellen, eine moderne Chorapsis, ein Mosaikbild uns dem 13. Jahrhundert, am Portal römische Reliefbüsten und am Glockenturm römische Säulen. Erwähnenswerte gottesdienstliche Gebäude sind ferner: die 1627 erbaute Jesuitenkirche Santa Maria Maggiore, mit Fresken von Sante, die 1830 von Nobile im griechischen Stil erbaute Kirche Sant‘ Antonio Nuovo am Ende des Großen Kanals, die im Innern reich ausgestattete griechische Kirche San Niccolò (1782), die neue serbische Kirche, die evangelische Kirche (1875) im gotischen Stil, die englische Kapelle und zwei größere Synagogen. Unter den weltlichen Gebäuden sind hervorzuheben: das im italienischen Renaissancestil erbaute Rathaus (1874), das Tergesteum (1840), im Innern mit Glasgalerie, Versammlungsort der Börse; das alte Börsengebäude im dorischen Stil (1802), jetzt Sitz der Handels- und Gewerbekammer, der 1883 nach Ferstels Plänen erbaute Palast des Österreichischen Lloyd und das gegenüberliegende neue Statthaltereigebäude, das Gebäude der nautischen Akademie, das neue Postgebäude, der Palast Revoltella (jetzt der Stadt gehörig), der Palast Carciotti, das Stadttheater, das große Politeama Rossetti etc. Von Altertümern sind zu erwähnen: die Überreste eines römischen Amphitheaters und einer römischen Wasserleitung (Arco di Riccardo, aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.). Die Zahl der Einwohner beträgt (1900) mit der Garnison (1953 Mann) 134.143, mit den 13 Vororten und den zum Gebiet von Triest gehörigen elf Dörfern 178.599, die überwiegend der italienischen Nationalität (24.679 Slowenen, 8880 Deutsche) und der katholischen Religion angehören (1792 Evangelische, 1378 Griechisch-Orientalische, 4954 Juden). Die Industrie umfasst an größeren Fabriken das ausgedehnte Arsenal des Österreichischen Lloyd, die Schiffbauanstalt des Stabilimento tecnico Triestino (auch für Kriegsschiffe), eine Hochofenanlage (Servola), mehrere Maschinen- und Metallwarenfabriken, zwei Reisschälfabriken, eine Fabrik chemischer Produkte, eine Mineralölraffinerie, mehrere Fabriken vegetabilischer Öle, eine Kaffeeschälfabrik, eine Spielkarten-, eine Zigarettenpapier-, eine Linoleum-, eine Jute-, eine Kork-, eine Seilfabrik, zwei Bierbrauereien, mehrere Fabriken für Farben, Zeresin, Seifen und Kerzen, Spiritus, Fischkonserven, Teigwaren, Kanditen und Schokolade, Papierwaren, Kunsteis, Briketts, Asphalt-, Zement- und Steinwaren, ein Elektrizitätswerk und eine Gasanstalt. Die Umgebung von Triest produziert vorzüglichen Wein, Obst, Getreide, Öl und Steine. Seine eigentliche Bedeutung verdankt Triest aber dem Handel. 1906 belief sich der Warenverkehr auf:
Nach den wichtigsten Herkunfts- und Bestimmungsländern verteilte sich der Warenverkehr zur See:
Am Warenverkehr zu Lande ist nächst Österreich und Ungarn vornehmlich Deutschland beteiligt. Die Hauptartikel in der Ein- und Ausfuhr (zur See und zu Lande zusammengenommen) sind in Millionen Kronen:
1906 sind in Triest 9462 Schiffe von 3.082.879 t (darunter 7240 Dampfer von 2.982.049 t) ein- und 9426 Schiffe von 3.051.251 t (davon 7211 Dampfer von 2.949.561 t) ausgelaufen. Neben der österreichisch-ungarischen Flagge sind im Schiffsverkehr hauptsächlich die englische und italienische Flagge vertreten. Der bisherige Hafen von Triest (s. Tafel »Hafenanlagen«, Fig. 4) setzt sich aus dem alten und neuen Hafen zusammen. Der erstere ist eigentlich eine offene Reede mit mehreren Steindämmen, darunter die 1751 erbauten Molen San Carlo und Santa Teresa (mit dem 33 m hohen Leuchtturm auf der Spitze). Nördlich von der Reede ist 1868–83 der neue Hafen angelegt worden. Vier breite, durchschnittlich 215 m lange Molen, denen ein 1100 m langer Wellenbrecher vorgelagert ist, bilden Bassins mit einer Kaientwicklung von 3260 m bei 41,7 Hektar Fläche und mindestens 8,5 m Wassertiefe. Die Kais und Molen sind mit Schienengleisen, hydraulischen Lade- und Löschvorrichtungen, großen Lagerhäusern und Hangars versehen und elektrisch beleuchtet. Hierzu kam später noch ein im Süden von Triest angelegter Petroleumhafen (San Sabba). Da jedoch die bisherigen Hafenanlagen dem gesteigerten Verkehr nicht genügten, ist in neuester Zeit eine Erweiterung des Hafens in Angriff genommen. Hiernach wird an der Südseite der Stadt im Anschluss an den Staatsbahnhof St. Andrea eine Anlage ausgeführt, die drei breite Molen, zwei Hafenbassins mit einer Kaientwicklung von 4850 m sowie einen aus drei Dämmen bestehenden Wellenbrecher umfassen und gleichfalls mit Schienengleisen, Kranen und Hangars ausgestattet werden wird. Zugleich werden im alten Hafen Ergänzungsbauten vorgenommen und ein neuer Holzlagerplatz mit Molo bei Servola angelegt. Das Freihafengebiet ist seit 1891 auf die eigentlichen Hafenanlagen beschränkt. Die Bedeutung als Seehandelsplatz dankt Triest vor allem seiner geographischen Lage am Nordende des tief ins Festland einschneidenden Adriatischen Meeres sowie dem Umstand, dass sein Hafen für große Schiffe zugänglicher ist als jener Venedigs. An Eisenbahnverbindungen besitzt Triest die Südbahnlinie, die sich in Duino-Aurisina in die Linie nach Wien, anderseits in die Linie über Cormons nach Italien teilt, ferner die neue Staatsbahnlinie Triest–Aßling, welche die kürzeste Verbindung mit dem Innern Österreichs und Süddeutschlands bildet, endlich die Staatsbahnlinien Triest–Pola und Triest–Parenzo. Unter den zahlreichen Handels- und Verkehrsinstituten behauptet den ersten Platz der 1836 errichtete Österreichische Lloyd (s. Lloyd), der über eine aktive Handelsflotte von 69 Dampfern mit 200.000 t Gehalt und 146.800 Pferdekräften verfügt. Die wichtigsten Kreditanstalten sind: die Triester Kommerzialbank, die Volksbank, die städtische Sparkasse, dann die Filialen der Österreichisch-Ungarischen Bank, der Kreditanstalt, der Unionbank, der Anglo-Österreichischen Bank u. a. Auch ist Triest der Sitz mehrerer Versicherungsanstalten, darunter die Assicurazioni generali und Riunione Adriatica di sicurtà, sowie einer Arbeiterunfallversicherungsanstalt. Ferner besitzt Triest eine Handels- und Gewerbekammer und eine Börse. Von Wohltätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: ein großes städtisches Krankenhaus und ein Infektionsspital, ein Militärspital, eine Gebäranstalt, eine neue Irrenanstalt (mit 29 Gebäuden für 480 Kranke), ein Armeninstitut, zwei Waisenhäuser, zwei Versorgungsanstalten u. a. Das Seelazarett befindet sich in dem südlich bei Muggia gelegenen Valle San Bartolommeo. An Unterrichtsanstalten besitzt die Stadt: eine Handels- und nautische Akademie und eine Handelshochschule (Stiftung Revoltella), zwei Obergymnasien und zwei Oberrealschulen (je eine staatliche deutsche und eine städtische italienische Anstalt), eine Staatsgewerbeschule, eine Hebammenlehranstalt, ein städtisches Mädchenlyzeum, endlich acht Bürger- und 44 öffentliche und zwölf private Volksschulen. An Museen und anderen Sammlungen befinden sich in Triest: ein städtisches Altertumsmuseum, insbes. mit Funden aus Aquileja; das Museo lapidario, gleichfalls mit römischen Antiquitäten und dem 1823 errichteten Marmordenkmal Winckelmanns (s. d.); ein städtisches Kunstmuseum im Palast Revoltella mit Gemälden und Skulpturen; ein städtisches naturhistorisches Museum, das unter anderem eine Fauna des Adriatischen Meeres enthält; ein Aquarium mit zoologischer Station (in St. Andrea); ein astronomisches und meteorologisches Observatorium; eine städtische Bibliothek mit 100.000 Bänden; ein hydrographisches Institut der Kriegsmarine mit Sternwarte. In Triest erscheinen 53 meist italienische Zeitungen.
Die Stadt ist Sitz der Statthalterei des Küstenlandes, einer Polizeidirektion, des Stadtmagistrats, der Seebehörde, eines Hafen- und Seesanitätskapitanats, des Oberlandes- und Landesgerichts, des Handels- und Seegerichts, der Finanz-, der Post- und Telegraphendirektion, einer Staatsbahndirektion, ferner eines Bischofs, eines Brigade- und eines Seebezirkskommandos sowie zahlreicher Konsulate fremder Staaten (darunter auch eines deutschen). Der Bürgermeister von Triest führt den Titel Podesta und ist zugleich Präsident des Landtags (Landeshauptmann); der Triester Stadtrat (54 Mitglieder) fungiert zugleich als Landtag. Triest besitzt fünf Theater, mehrere Seebadeanstalten, eine Trinkwasserleitung, ein Schlachthaus und eine elektrische Stadtbahn (16,2 km Länge).
Die Umgebung der Stadt enthält zahlreiche schöne Landhäuser. Über dem beliebten Vergnügungsort Boschetto befinden sich die aussichtsreichen Villen Ferdinandeo und Revoltella; hoch über Triest an der Eisenbahnlinie Triest–Aßling, mit der Stadt durch eine 6,2 km lange elektrische Bahn (davon 0,8 km Zahnstangenstrecke) verbunden, liegt das Dorf Opčina (354 m ü. M., 1605 Einwohner) mit Aussichtswarte, Hotel und herrlichem Überblick über Stadt und Meer; östlich das k. k. Hofgestüt Lipizza. Am nördlichen Meeresstrand liegen der Küstenort Barcola an der elektrischen Straßenbahn mit Seebadeanstalt und 2060 Einwohnern und das Schloss Miramar (s. d.), südlich (gleichfalls durch elektrische Bahn mit Triest verbunden) Servola mit Industrieetablissements und 3634 Einwohnern. Das Wappen von Triest s. auch auf der Textbeilage zur Tafel »Österreichisch-ungarische Länderwappen«.
Geschichte
Triest (Tergeste) entstand als römische Kolonialstadt etwa im 2. Jahrhundert v. Chr., wurde im 1. Jahrhundert v. Chr. von Japyden verwüstet und erst von Octavian Augustus neu befestigt. Frühzeitig drang hier das Christentum ein; mit Frugifer beginnt im 6. Jahrhundert die Reihe der sicher überlieferten Bischöfe; im 10. Jahrhundert wurden die Bischöfe die Herren von Triest und Gebiet. Erst am Ende des 13. Jahrhundert gelang es der Kommune, dem Bischof die wichtigsten Hoheitsrechte teils abzuringen, teils abzulösen. Doch befand sie sich, im wechselnden Kampf um ihre Selbständigkeit Venedig gegenüber, in einer schwankenden Stellung zum Patriarchen von Aquileja als »Markgrafen von Istrien« und zu dessen Vögten, den Grafen von Görz, als »Grafen von Istrien«. Nach dem großen venezianischen Krieg von 1379–81 unterwarf es sich freiwillig 1382 dem Herzog Leopold III. von Österreich und blieb fortan unter dessen Herrschaft, mit Ausnahme der Zeit von 1797–1805, in der es die Franzosen besetzt hielten, und von 1809–13, in der es zu der illyrischen Provinz Frankreichs gehörte. Die Stadt ward nun bald die glückliche Rivalin Venedigs und, besonders seitdem Kaiser Karl VI. sie 1719 zum Freihafen erklärt, die Beherrscherin des Adriatischen Meeres. 1818 ward Triest dem deutschen Bundesgebiet einverleibt. Durch kaiserliches Dekret vom 2. Oktober 1849 ward die Stadt nebst Gebiet zur reichsunmittelbaren Stadt erhoben. Nach der Dezemberverfassung von 1867 bildet Triest samt Territorium ein eigenes Kronland. In neuester Zeit entstand seiner kommerziellen Bedeutung in dem nahen Fiume ein gefährlicher Rivale. Im Juli 1891 wurde der Freihafen aufgehoben und die Stadt in das österreichisch-ungarische Zollgebiet einbezogen.
Bibliographie
- Jährliche Veröffentlichungen der Triester Börsendeputation: »Navigazione di Trieste« und »Commercio di Trieste«
- »Die österreichisch-ungarische Monarchie«, Bd. 10 (Wien 1891)
- Caprin: Triest (deutsch in der »Sammlung illustrierter Monographien«, Triest 1907)
- della Croce: Storia di Trieste (Triest 1879)
- Hartleben: »Führer durch Triest und Umgebung« (5. Aufl., Wien 1904)
- Löwenthal: Geschichte der Stadt Triest (Triest 1857)
- Mainati: Croniche ossia memorie storiche-sacro-profane di Trieste (Vened. 1817 bis 1818, 7 Bde.)
- Montanelli: Il movimento storico della popolazione di Trieste (Triest 1905)
- Neumann-Spallart, Österreichs maritime Entwickelung und die Hebung von Triest (Stuttg. 1882)
- Scussa: Storia cronografica di Trieste (neue Aufl., Triest 1885–86)
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909