Abbeizen bemalter Figuren
Alte, gebraucht gekaufte, oder online ersteigerte, und bereits bemalte Figuren entsprechen manchmal nicht den Vorstellungen des neuen Besitzers. Vielleicht wurden die Figuren falsch bemalt, weil zuverlässige Uniformvorlagen fehlten, oder die Qualität der Bemalung unterscheidet sie sehr auffällig von anderen Figuren einer Sammlung. Wenn die verwendete Farbe bereits abblättert, oder mit groben Pinselstrichen viel zu dick aufgetragen worden ist, lässt sich die Figur nicht einfach übermalen; sie muss von ihrem unerwünschten Farbauftrag vorsichtig befreit, neu grundiert, und wieder bemalt werden. Das Bild zeigt italienische Alpini von ESCI und Ritter von Jean Höfler beim Abbeizen in Bremsflüssigkeit. Der Boden einer PET-Flasche dient als Behälter. Diese antiken Figuren sollen vor dem erneuten Bemalen von alter und unansehnlicher Farbe befreit werden.
Handelsübliche Abbeizmittel für Holz, Metall, und Putz eignen sich gut zum Entlacken von Zinnfiguren und Fahrzeugen aus Zinkdruckguss. Diese Abbeizer greifen allerdings Plastik und viele Klebstoffe an, weshalb sie für das Abbeizen von zusammengeklebten Modellen, und Figuren aus thermoplastischen Elastomeren (TPE) ungeeignet sind. Hinzu kommt, dass viele Abbeizmittel gesundheitsschädlich sind, sie können Haut, Augen, und Atemwege reizen oder verätzen, Leber und Gehirn schädigen, oder durch Atemstillstand zum Tod führen.
Bekannte Abbeizer für Figuren
- Ablaugende Abbeizmittel
- Ammoniak (akut toxisch, ätzend, umweltschädlich)
- Glycole (z. B. Bremsflüssigkeit)
- Natriumcarbonat
- Natronlauge
- Anionische Tenside (z. B. Persil Kraft-Gel)
- Nichtionische Tenside
- Trinatriumphosphat (z. B. Spülmaschinen-Tabs)
- Lösende Abbeizmittel
- Aceton
- Aromaten
- Isopropylalkohol (z. B. Sterillium)
- Halogenierte Kohlenwasserstoffe
- Terpene (z. B. Terpentinöl, Orangenöl)
Orange Solvent, ein Spezialpräparat für die Haut- und Oberflächenreinigung, enthält Orangenschalenöl aus kalt gepressten Fruchtschalen der Orangenart Citrus sinensis. Der Hauptbestandteil »Limonen« reizt Haut und Schleimhäute, und ist als umweltgefährlich eingestuft. Orangenöl dient als Terpentinersatz in der Malerei, z. B. als Pinselreiniger und zum Verdünnen von Ölfarben; es greift viele Kunststoffe und lackierte Oberflächen an und löst sie, weshalb das Präparat für Figuren und Modellbausätze aus Polystyrol (PS) ungeeignet ist. In unserem Test verwandelte Orange Solvent die Oberfläche eines Plastiksockels von Games Workshop in einen klebrigen Schleim. Bemalte Figuren aus Zinn oder Polyethylen (PE) lassen sich mit Orangenöl hingegen schnell und gründlich abbeizzen, wie das Beispiel der abgebildete Airfix-Figur im Maßtab 1:32 zeigt. Der Kunstharz-Emaillack löste sich schon nach kurzer Einwirkzeit und ließ sich mit einer alten Zahnbürste mühelos abschrubben. Kleine Farbreste in den Falten der Uniform und an der Bärenfellmütze können mit der Spitze einer Nagelfeile entfernt werden. Vorsicht: Figuren aus Polyethylen (PE) verspröden, wenn sie längere Zeit in Orange Solvent eingelegt werden. Orange Solvent eignet sich gut zum Reinigen von Spritzpistolen.
Sterillium Hände-Desinfektionsmittel enthält das lösende Abbeizmittel Isopropylalkohol (2-propanol) und das Lösungsmittel Propanol (1-Propanol). Der abgebildete Ritter von Jean Höfler hat zwei Stunden in einem verschlossenen Marmeladenglas mit Sterillium gebadet. Anschließend wurde die Figur mit einer Zahnbürste abgeschrubbt und weitgehend von der Farbe befreit. Kleinere Farbrückstände zwischen Panzerplatten und an den Fingern der Figur ließen sich mit der stumpfen Klinge eines Bastelmessers ganz einfach abheben. Isopropylalkohol ist leicht entzündlich und explosiv; Kontakt reizt Augen und Schleimhäute; die Dämpfe wirken betäubend. Beim Umgang mit Isopropylalkohol ist für ausreichende Belüftung zu sorgen.
Bremsflüssigkeit auf Polyglykol-Basis eignet sich gut zum Abbeizen von Plastikfiguren. Der abgebildete Ritter von Jean Höfler wurde über Nacht in Bremsflüssigkeit eingelegt und am nächsten Tag mit einer alten Zahnbürste und Wasser abgeschrubbt. Die gelbe Farbe hat sich fast vollständig von der Figur gelöst, nur die rote Farbe haftet zum Teil noch in den Vertiefungen des Kettenhemdes und zwischen den Fingern der Figur. Diese Farbreste lassen sich mit der stumpfen Klinge eines Bastelmessers vorsichtig abheben, ohne dass der antike Ritter Schaden nimmt.
Spülmaschinen-Tabs enthalten Phosphate (30 %), Bleichmittel (15 %), und Tenside (ca. 5 %), darunter das ablaugende Abbeizmittel Trinatriumphosphat. Für unseren Test legten wir zwei bemalte Figuren, einen Ritter und einen Minuteman, in ein Schälchen heißes Wasser, und gaben eine halbe Tablette Spülmaschinenreiniger hinzu. Das gepresste Spülmittelpulver löste sich im Wasser auf und griff die Farbe der Figuren an. Nach einigen Minuten waren deutliche Farbspuren an der Oberfläche der Lösung zu erkennen. Nach dem Herausnehmen und Abspülen der Figuren war deren Bemalung allerdings weitgehend intakt. Der rechts abgebildete Ritter verlor seinen Anstrich erst durch kräftiges Abschrubben mit einer Haushaltsspülbürste, wobei sich die gelbe Farbe etwas leichter löste als die rote. Auffällige Farbrückstände am Helm und an der Rüstung mussten mit der stumpfen Klinge eines Bastelmessers vorsichtig gelöst und abgehoben werden. Ein ziemlicher großer Aufwand, der wohl nur bei hochwertigen und seltenen Figuren wirklich gerechtfertigt ist. Links daneben, ein noch unbehandelter Ritter mit gleicher Bemalung, zum Vergleich. Bei dem unten abgebildete Minuteman war die selbe Prozedur ziemlich wirkungslos, er hat seine Bemalung weitgehend behalten. Nur an den Strümpfen ist spröde, weiße Kunstharzfarbe abgeplatz, was vermutlich auch ohne Abbeizen passiert wäre. Die Figur konnte erst durch einen zweiten Versuch, diesmal mit Orange Solvent, von der verwendeten Kunstharzfarbe befreit werden.