Alarmieren

Alarmieren und Alarmierung, bezieht sich teils auf den Feind, teils auf die eigenen Truppen.

Die Alarmierung, eine Art Neckerei, welche man dem Feind zufügt, kann dreierlei Zwecke haben, 1) den Feind aus seiner Ruhe zu stören, und ihm allerhand Besorgnisse einzuflößen; 2) ihm Demonstrationen zu machen, und seine Aufmerksamkeit von den wichtigeren Punkten abzulenken; 3) ihn zu rekognoszieren.

Wenn die Neckereien überhaupt für uns einen günstigen Erfolg haben sollen, ohne dass uns daraus eine Gefahr erwächst, so muss man vor allen Dingen beweglicher und gewandter sein, als der Feind. Er muss uns nirgends zwingen können, seiner Übermacht Stich zu halten; wir müssen uns nach Belieben verbergen und zum Vorschein kommen, ihn aus schwer zugänglichen Schlupfwinkeln erreichen, und wenn er uns dahin folgen will, auch nicht zu umgehenden Verstecken überfallen können. Die Neckereien bestehen in einer unaufhörlich wiederkehrenden Offensive auf vielen unbestimmten Punkten, wobei man aber sogleich vom Angriffe absteht, so wie man auf erheblichen Widerstand trifft, und unbedenklich die Flucht ergreift, sobald sich der Gegner im Vorteil befindet; sie müssen aber so vervielfältigt werden, dass sie den Feind ermüden, ihn stumpf und schlaff machen, und dadurch für uns größere Unternehmungen vorbereiten.

Hat man bei einer Alarmierung den Zweck, den Feind bloß aus seiner Ruhe zu stören, so ist hierzu nebliges und regnerisches Wetter und eine dunkle Nacht am günstigsten; je besser aber die Sicherheitsmaßregeln des Feindes, durch seine Vorposten und Feldwachen, eingerichtet sind, desto weniger wird er sich beunruhigen; erst wenn er sich an solche Unternehmungen von unserer Seite gewöhnt hat, und dagegen gleichgültig geworden ist, wird man den rechten Vorteil von ihnen ziehen können. Wird dabei die feindliche Vorpostenkette wirklich überfallen, und ist man von der Stellung und Stärke der nächsten Feldwachen und ihrer Soutiens vollkommen unterrichtet, so kann man auch auf diese seinen Angriff mit Erfolg ausdehnen; im Gegenteil aber, und wenn die feindlichen Abteilungen zu stark sind, muss man sich beschränken, die Patrouillen aufzufangen, welchen von dem Gegner vorgeschickt werden, um zu sehen, was sich zuträgt. Bei Tage und bei hellem Wetter sind solche Alarmierungen höchstens nur in sehr durchschnittenem Boden gegen einen auf dem Marsch begriffenen Feind anzuwenden, oder gegen seine Flanken und Rücken, wenn er in ein ernstliches Gefecht verwickelt ist.

Will man den Feind zum Behuf einer Rekognoszierung alarmieren, so kommt es vorzüglich auf eine geschickte Wahl der Angriffsgegend an, wo man Gelegenheit hat, so viel wie möglich vom Feinde zu übersehen, und wo nicht allzu große Hindernisse es schwierig machen, die Vorposten auf die Hauptmassen der feindlichen Aufstellung zurückzuwerfen. Man nähert sich der Vorpostenkette unentdeckt so weit als möglich, und sucht hier durch Verstecke die Patrouillen des Gegners aufzufangen. Ist dies ohne Lärmen geschehen, so trifft man seine Anordnungen so, dass man in das Gefecht mit den Vorposten zugleich die nächsten Feldwachen zu verwickeln sucht, und alles plötzlich über den Haufen wirft. Die Ausdehnung, in der man den Feind angreift, und wie weit man vordringen will, hängt von der Stärke der zur Alarmierung bestimmten Truppen ab; die vordersten Abteilungen sind nur schwach und bestehen aus Kavallerie; sie werfen sich mit Ungestüm auf die Vorpostenlinie, aber noch besser suchen sie [diese] zu umgehen, um die feindlichen Soutiens zu einem raschen Vorrücken zu veranlassen. Hinter diesen vorderen Abteilungen folgen in schicklicher Entfernung andere stärkere, welche es allenfalls mit den Soutiens aufnehmen können, und zuletzt eine Reserve mit Geschütz, um dem etwaigen feindlichen Vordringen Schranken zu setzen. Zu Unternehmungen dieser Art wählt man eine Zeit, wo der Feind nicht auf einen ernstlichen Angriff vorbereitet ist, oder einen Nachmittag, um durch die einbrechende Dunkelheit einer etwaigen weiteren Verwicklung vorzubeugen. Um sich bloß über die Anordnung und Ausführung des Vorpostendienstes zu unterrichten, ist der Tagesanbruch die schicklichste Zeit.

Hat man den Zweck, die Aufmerksamkeit des Feindes auf einen bestimmten Fleck hin, und von unserem eigentlichen Angriffspunkt abzuleiten, oder will man bei ihm allerhand Besorgnisse, und Unentschlossenheit erregen usw., so wird die Alarmierung nach und nach auf einzelnen Punkten, oder gleichzeitig an mehreren entgegengesetzten Orten geschehen, und dazu wiederum die Nachtzeit oder trübes Wetter gewählt werden müssen. Man macht so viel Lärmen als möglich, durch Schießen, Trommeln, Trompeten, Hörner, Leuchtkugeln, Raketen usw., und gerade an denjenigen Orten am mehrsten, worauf man es am wenigsten abgesehen hat. Die beste Zeit ist hierzu die Mitternacht, oder kurz vor Tagesanbruch; noch mehr Eindruck wird man bei dem Feinde machen, wenn man ihn nach der ersten Alarmierung, sobald sich alles wieder bei ihm beruhigt hat, zum zweiten Male aufschreckt.

Die Alarmierung in Bezug auf unsere eigenen Truppen, besteht in allen Anstalten, welche die schnellste Versammlung derselben, und so dass sie sogleich in einem streitfertigen Zustande sind, bezwecken. Dahin gehören die Alarmhäuser, die Bestimmung eine Alarmplatzes, und die größte Vorsicht und Wachsamkeit der Vorposten. Fleißige Patrouillen, zuverlässige Kundschafter, häufig veränderte, und vorübergehend vorgeschobene kleine Posten, Signale, Zwischenposten und Ordonnanzrelais, sind ebenfalls Mittel zur schnellen und frühzeitigen Alarmierung. Hiermit verbindet man die Anstalten, den Feind abzuhalten, und seinem etwaigen Angriff kräftig zu begegnen, als Verschanzung des Defilés und der Alarmplätze selbst, zahlreiche und gut verteilte Soutiens, wohlgelegene Hinterhalte, krumme, beschwerliche, und leicht zu beunruhigende Wege, auf welchen der Feind anmarschieren muss. Dabei müssen die Wege, welche aus den verschiedenen Quartieren nach dem Hauptsammelplatz führen, wo möglich die kürzesten, und auf geraden Linien sein, und vorläufige Bestimmungen gegeben werden, was in diesen oder jenen wahrscheinlichen Fällen, in Folge dieser oder jener Signale usw. geschehen soll. Es versteht sich von selbst, dass die verschiedenen Befehlshaber ihrem Amte gewachsen, mit den Lokalverhältnissen gehörig bekannt, und die Truppen an strenge Zucht und Aufmerksamkeit gewöhnt sind.

Dass man alle Anstalten getroffen habe, um einem ernstlich gemeinten Überfall zu begegnen, ist indessen noch nicht genug. Man bedarf in Kantonierungen nicht bloß der Sicherheit, der Vorsorge gegen große Überfälle, sondern auch der Ruhe; einer Anordnung, die Neckereien, Alarmierungen des Feindes fruchtlos zu machen, dass er bei dieser Art Krieg zu führen seine Rechnung nicht finde, und dass ihm durch nachdrückliche Zurückweisung für die Zukunft die Lust zu ähnlichen Unternehmungen vergehe. Falschen Alarmierungen von Seiten des Feindes, welcher dadurch bloß unserer Ruhe stören will, und vielleicht durch unsere schlecht getroffenen Einrichtungen dabei eine Gelegenheit zu finden hofft, größere Unternehmungen zu wagen, beugt man stets durch Wachsamkeit, durch Ordnung, und durch die gelassene Besonnenheit vor, die sich allen Gemütern mitteilt, wenn jeder weiß, dass der andere seine Schuldigkeit tut. Es muss dem Feinde nicht gelingen, durch einen bloßen Scheinangriff bei uns Alles gleich in Bewegung zu setzen; dazu ist es nötig, dass er in unserer Vorpostenkette selbst genug Widerstand findet, und dass er durchaus nicht bis auf eine gewisse Tiefe in unser Quartiersystem eindringen kann, ohne seine wahre Absicht unverkennbar zu enthüllen.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Glossar militärischer Begriffe