Aleppo

Russischer Panzer im schönen Aleppo.
Russischer Panzer im schönen Aleppo

Aleppo (arab. Haleb), Hauptstadt des gleichnamigen asiatisch-türk. Wilajets, das, den nördlichen Teil von Syrien und den nordwestlichen Teil Mesopotamiens umfassend, in die Liwas Marasch, Urfa und Haleb geteilt ist. Die Stadt liegt 380 m ü. M. und 300 km nordöstlich von Damaskus, in einer fruchtbaren, vom fischreichen Steppenfluss Kuweit (Kuêk) bewässerten Talebene, die sich gegen Süden und Osten in die Wüste verliert, und war vor dem Erdbeben von 1822, das zwei Drittel der Stadt zerstörte, die drittgrößte Stadt des osmanischen Reiches. Sie hat einen Umfang von etwa 12 km und besteht aus der Altstadt (Medine) und mehreren Vorstädten, von denen drei von Christen bewohnt werden, und ist Sitz eines deutschen Konsuls. Die Straßen tragen morgenländisches Gepräge, sind jedoch gut gepflastert und enthalten viele Spitzbogendurchgänge. Die meist einstöckigen Häuser, aus Quadern fest erbaut, haben im Innern zum großen Teil ein stattliches Aussehen. Ziemlich in der Mitte der Stadt erhebt sich auf einem etwa 65 m hohen, vielleicht künstlichen Hügel, die Stadt beherrschend, eine alte Feste mit 20 m hohem Turm; am Fuß des Hügels steht das Serail des Gouverneurs. Aleppo zählt 127.000 Einwohner, darunter 20.000 Christen (meist unierte Griechen mit einem Metropoliten) und 5000 Juden. Die jüdische Gemeinde von Aleppo, unter der sich zahlreiche Wechsler und Bankiers befinden, ist nächst der von Damaskus die bedeutendste in Syrien und bewohnt ein eigenes Stadtviertel (Bahsita). Im Norden der Stadt liegt eine große Kaserne für die Garnison.

Das Klima von Aleppo ist im allgemeinen gesund (vgl. aber den Artikel »Aleppobeule«), im Winter rauh, und die Stadt ist im ganzen Orient berühmt wegen ihrer lieblichen Gärten und Obsthaine. Eine antike Wasserleitung führt der Stadt 11 km weit Trinkwasser zu. Die Lage im Knotenpunkt aller Handelsstraßen, die vom Mittelmeer nach Osten führen, machte Aleppo, das heute mit dem Hafen Alexandrette (s. d.) durch eine 160 km lange Fahrstraße verbunden ist, von jeher zu einem Haupthandelszentrum des Orients; es bildete schon vor Jahrhunderten den Stapelplatz für europäische, levantische, indische und persische Waren. Am schwunghaftesten war der Handel Aleppos vor der Auffindung des Seewegs nach Indien, während und nach der Zeit der Kreuzzüge, wo die Genuesen und Venezianer ihre Hauptniederlagen hier hatten. Auch heute ist er, obwohl beträchtlich zurückgegangen, immer noch lebhaft; er befindet sich jetzt fast ausschließlich in den Händen der sehr rührigen und durchweg wohlhabenden einheimischen Christen (Griechen und Armenier) und europäischer Handlungshäuser. Der Hauptverkehr besteht in der Einfuhr von Zeugen und Manufakturen, Kolonialwaren und leichten Tuchen. Zur Ausfuhr kamen 1899: einheimische Stoffe (ca. 3,25 Mill. Mk.), Schafwolle (2,6), Kupfer (1,5), Felle und Leder (1,5), Schafbutter (1,08), Kokons (1,75), Süßholz (0,8), Pistazien (0,5 Mill. Mk.), gegen 5000 Ton. Getreide etc. Weberei und Färberei sind seit der letzten Armenierverfolgung sehr zurückgegangen, dagegen hat sich die Gerberei entwickelt. Etwa 34 km nordwestlich von Aleppo liegen die Kal’at Sim’an genannten Ruinen des im 5. Jahrhundert erbauten berühmten Klosters des heil. Simeon.

Aleppo war um 1400 v. Chr. die Hauptstadt der Landschaft »Nuchashshe«, die unter mehreren Gaufürsten stand, wird als Chalman zuerst in den Inschriften Salmanassars II. erwähnt, der es 854 v. Chr. besetzte und hier dem Rammân opferte, und erlangte durch Palmyras Sturz (273 n. Chr.) als Handelsplatz große Bedeutung. Von Seleukos I. Nikator, der die Stadt verschönerte, stammt ihr Name Beröa, der ihr bis zur Eroberung der Araber 636 blieb, dann aber dem syrischen (Châlâb, bei Ptolemäos Chalybon, später) Haleb, italianisiert Aleppo, wieder weichen musste. Während der Kreuzzüge gründeten die Seldschuken hier ein Sultanat, das 1117 wieder unterging. 1260 wurde die Stadt eine Beute des Mongolen Hulagu, 1400 Timurs. 1516 durch Sultan Selim I. in die Gewalt der Osmanen geraten, wurde sie zur Hauptstadt eines Paschaliks gemacht.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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