Bessarabien

Bessarabien, ein [ehem.] Gouvernement im südwestlichen Russland, vom Schwarzen Meer, dem Dnister und dem Pruth umschlossen, welch letzterer die Grenze gegen die Moldau und Bukowina bildet, umfasst 45.632 km² (828,7 mi²). Der südwestliche Teil ist flaches, mit hohem Gras überwuchertes Steppenland, die Budshaksteppe (s. d.), der mittlere und nördliche sind hügelig, von zahlreichen Flusstälern und Schluchten durchzogen. Außer den erwähnten Grenzflüssen sind der Kagalnik und der Jalpusch als Hauptflüsse des Landes zu nennen. Das Klima ist im Sommer sehr heiß, namentlich im Süden, im Winter dagegen ziemlich streng; das Jahresmittel beträgt 9,7°. Die Bevölkerung bezifferte sich 1897 auf 1.936.403 Seelen (42 auf 1 km²). Hier leben Moldauer (fast 50 Prozent der Gesamtbevölkerung), Ruthenen und Ukrainer, Bulgaren, Griechen, Armenier, Juden, Tataren, Zigeuner sowie zahlreiche deutsche Kolonisten. Die deutschen Kolonien (ca. 27) befinden sich durchweg im Kreis Akkerman und zeichnen sich durch verhältnismäßig hohen Wohlstand aus. In der Nähe von Akkerman liegt auch eine Schweizerkolonie. Im nördlichen Teil ist der Ackerbau gut entwickelt, der südliche ist hauptsächlich Weideland, der mittlere Teil ist noch von beträchtlichen Wäldern bedeckt. Haupterwerbszweige der Bevölkerung sind Ackerbau und Viehzucht; am meisten gebaut werden Weizen und Mais; außerdem liefert der Boden Leinsamen, Gerste, Tabak, Melonen und Kürbisse, wild wachsender Safran und Krapp etc. Auch Obst- und Maulbeerbäume, Rüben sowie insbesondere Wein gedeihen vortrefflich. Der Viehstand weist 311.822 Pferde, 794.200 Rinder und gegen 2 Mill. Schafe, unter diesen 180.000 feinwollige, auf. Außerdem finden sich Schweine, Ziegen, viel Wild, Büffel, wildes Geflügel, z. B. Trappen, Kraniche, Reiher etc., sehr viele Fische, Bienen etc. Das Mineralreich liefert etwas Salz (1897: 6,4 Mill. kg), Salpeter, Marmor etc. In der letzten Zeit sind erfolgreiche Versuche mit der Seidenkultur gemacht worden. Die Industrie ist nur auf den Lokalbedarf berechnet. 1889 zählte man 801 Fabriken mit 3392 Arbeitern und einem Produktionswert von etwas über 1 Mill. Rubel. Bessarabien wird von einem Zivilgouverneur verwaltet und ist in acht Kreise (Akkerman, Bender, Bjelzy, Chotin, Ismajil, Kischniew, Orgjejew und Soroki) eingeteilt. Hauptstadt ist Kischinew.

Bessarabien, von skythischen Nomadenstämmen bewohnt, kam 106 n. Chr. als östlicher Teil von Dacien durch Trajan in lockere Abhängigkeit von Rom, ward im 3. Jahrhundert von den Goten besetzt, dann der Schauplatz verheerender Völkerzüge, hierauf von dem Statum der Besser (von denen es seinen Namen führt), später nacheinander von den Ugrem, Petschenegen, Kumanen etc. bewohnt. Seit 1367 gehörte es zur Moldau und war abwechselnd im Besitz der Tataren und der Osmanen. Ein Zankapfel in den Kriegen zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, wurde Bessarabien durch den Frieden von Bukarest 28. Mai 1812 mit Russland vereinigt. Im Frieden von Adrianopel 1829 kamen auch die Donaumündungen etc. an Russland. Doch wurde der Landstrich zwischen dem Pruth und Jalpuch und der südliche Teil bis zum Trajanswall, mit den Festungen Ismajil und Kilia, etwa 11.000 km² mit 180.000 Einwohnern, durch den Pariser Frieden 1856 an die Moldau zurückgegeben. In dem Berliner Frieden von 1878 erhielt Russland 9274 km² mit 127.000 Einwohnern zurück.

Bibliographie

  • Nakko: Geschichte Bessarabiens von den ältesten Zeiten an (Odessa 1873)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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