Drittes Glied
Drittes Glied, der Linieninfanterie, ist bei der preußischen Armee zum Tiraillieren bestimmt, daher man die gewandtesten und umsichtigsten Leute für dieses Glied aussucht. Die Fechtart und das ganze Verhalten des dritten Gliedes, sobald es in eine debandierte Linie aufgelöst ist, soll daher ganz eben so sein, wie bei den Jägern, Schützen und Füsilieren; s. Tirailleur und Tiraillieren. Da die Infanterie sowohl im offenen, als im durchschnittenen Terrain, sowohl gegen zerstreute, als gegen geschlossene Truppen fechten können muss, so ist es eine sehr zweckmäßige Einrichtung, dass ihre beiden ersten Glieder vorzugsweise für das geschlossene, das dritte Glied aber für das zerstreute Gefecht bestimmt sind. Beim geschlossenen Gefecht setzt man den größten Wert auf die Haltung der Reihen und Glieder, den Schluss, das Feuer in Masse, und auf den Angriff mit dem Bajonett; beim zerstreuten Gefecht ist das ausschließlich zu erreichende Ziel die Geschicklichkeit im einzelnen Schießen und Treffen, und aller nur möglichen Vorteile, welche unsere eigene Stellung und Bewegung, und die des Feindes darbietet. Allein für eine jede wohlgeübte Infanterie wird erfordert, dass außerdem jede Abteilung die Bestimmung der anderen übernehmen könne; die beiden vorderen Glieder müssen daher ebenfalls im Notfall zerstreut, das dritte Glied, so wie alle Tirailleurs, geschlossen fechten können.
Da das Gefecht der Infanterie in einer wechselseitigen Unterstützung der zerstreuten und geschlossenen Fechter bestehen soll, so zieht sich das dritte Glied, sobald es dem Feinde nicht mehr widerstehen kann, auf das Bataillon, und hinter dasselbe, zurück, oder wird von ihm durch neue Tirailleurschwärme unterstützt. Außer dieser Bestimmung für das zerstreute Gefecht, kann das dritte Glied noch zu vielfachen Zwecken verwendet werden, da es nie zugleich mit den beiden vorderen Gliedern streitet, und immer disponibel bleibt; so bildet es teils eine Reserve, teils dient es zu Avant- und Arrieregarden, Seitenpatrouillen, Soutienposten, allerhand Detachierungen usw. Zu allen diesen Zwecken muss es aber die größte Beweglichkeit haben, und den Befehlen bestimmter Offiziere und Unteroffiziere untergeordnet sein; jedes Bataillon formiert daher, auf das dazu erfolgte Kommando, aus seinem dritten Glied vier Züge zu zwei Mann hoch, dadurch, dass die dritten Glieder der geraden Züge des Bataillons sich mit rechtsum hinter die der ungeraden Züge setzen. Jeder aus dem dritten Glied formierte Zug ist in 3 Sektionen geteilt, wird durch einen Offizier und 3 Unteroffiziere kommandiert, und hat einen Hornisten bei sich; alle vier Züge befehligt ein Kapitain.
Soll nun tirailliert werden, so rücken die Flügelzüge vor die Linie des Bataillons, die anderen nehmen bis zu ihrem Gebrauch den Platz der ersten ein; die Entfernung, bis zu welcher die Züge vor die Front des Bataillons gehen, hängt vom Terrain und anderen Umständen ab, darf aber doch in der Ebene nicht unter 100 Schritt betragen. Von hier aus bildet ein Drittel der vorgegangenen Züge eine zusammenhängende Tirailleurlinie, welche nach Umständen durch das Schwärmen einer zweiten Sektion verstärkt wird; der stehende Teil bildet das Soutien, und folgt den Bewegungen der Feuerlinie; hat auch dieser Teil bereits aufgelöst werden müssen, so rücken die beiden anderen Züge, welche sich jetzt hinter den Flügeln befinden, als neue Soutiens vor. Übrigens soll nun das dritte Glied ganz so wie die Jäger und Schützen beim Tiraillieren verfahren; aller in der geschlossenen Ordnung vorgeschriebene Zwang, methodische Stellung, Gleichheit der Griffe, Haltung des Gewehrs, abgemessene Bewegung, sorgfältige Richtung, fallen gänzlich weg; jede Bewegung des Körpers ist beim Tirailleur frei und leicht, sein Gewehr trägt er willkürlich, wie es ihm beim Angriff oder bei der Verteidigung am bequemsten ist; alle seine Aufmerksamkeit verwendet er nur auf den Feind, auf die Terraingegenstände, auf seinen Sekundanten und seine Nebenleute; mit allem diesem setzt er die Ausführung der gegebenen Signale in Verbindung, und schon ein Wink des Vorgesetzten muss ihm genug sein, um zu wissen, was er zu tun habe. S. Tirailleur und Tiraillieren, Jäger etc.
Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)