Ersatzwesen

Ersatzwesen, die Ergänzung des jährlichen Abganges an Mannschaften der Armee und Marine. Die Zahl der einzustellenden Rekruten wird auf Grund der Friedenspräsenzstärke jährlich vom Kaiser bestimmt. Die Ersatzverteilung geschieht seitens des Kriegsministeriums nach Ersatzbezirken und nach Verhältnis der tauglichen Militärpflichtigen. Jeder der 22 Armeekorpsbezirke (meist Provinz oder Königreich) bildet einen Ersatzbezirk für die in ihm garnisonierenden Truppenteile. Das preußische Gardekorps rekrutiert sich aus dem ganzen Königreich Preußen und Elsass-Lothringen. Die Marine rekrutiert sich aus dem ganzen Reich. Jeder Ersatzbezirk zerfällt in vier Infanteriebrigadebezirke (außerdem beim 3. Armeekorps die Landwehrinspektion Berlin). Jeder Infanteriebrigadebezirk besteht aus mehreren Landwehrbezirken, die in Aushebungsbezirke und, wenn nötig, in Musterungsbezirke zerfallen. Jedem Landwehrbezirk steht ein Stabsoffizier z. B. als Kommandeur vor. Das Bezirkskommando betreibt die Ersatzangelegenheiten und übt die Kontrolle über die Personen des Beurlaubtenstandes aus.

Das jährliche Ersatzgeschäft beginnt mit dem a) Vorbereitungsgeschäft in den ersten Monaten jedes Jahres; nach Beginn der Militärpflicht (sie beginnt 1. Jan. des Kalenderjahres, in dem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet) haben die Wehrpflichtigen die Pflicht, sich zur Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle bei ihrem Ort- oder Amtsvorsteher anzumelden. Die durch den Landrat als Zivilvorsitzenden der Ersatzkommission aufgestellten Listen bilden die Grundlage für b) das Musterungsgeschäft. Die Ersatzkommission, bestehend aus dem Bezirkskommandeur, dem Landrat, einem Militärarzt und mehreren bürgerlichen Mitgliedern zur Prüfung der Reklamationen, bereist, etwa Mitte März beginnend, die Aushebungsbezirke. Die Gestellungspflichtigen werden körperlich untersucht und nach ihren bürgerlichen Verhältnissen befragt. Sie werden entweder für den Militärdienst tauglich befunden oder ausgemustert oder können auf Grund ihrer bürgerlichen Verhältnisse zurückgestellt werden. Nach Abschluss des Musterungsgeschäfts findet eine Losung der Diensttauglichen statt, wodurch sich die Reihenfolge bei der Einstellung regelt. Die Entscheidungen der Ersatzkommission sind nur vorbereitend, die Oberersatzkommission, bestehend aus einem Brigadekommandeur, einem höheren Verwaltungsbeamten, einem Militärarzt und einem bürgerlichen Mitglied, bestimmt in dem c) Aushebungsgeschäft, etwa im Mai beginnend, endgültig, ob und in welchen Truppenteil der Wehrpflichtige einzustellen, oder ob er der Ersatzreserve zu überweisen ist. Die Einstellung der Ausgehobenen findet bei der Infanterie und Artillerie um die Mitte des Monats Oktober statt; bis dahin gehören die Ausgehobenen zu den Personen des Beurlaubtenstandes. Um den Schifffahrt treibenden Militärpflichtigen das Erscheinen zum Ersatzgeschäft zu erleichtern, findet im Dezember in der Regel am Aushebungsort Schiffermusterungen statt, bei denen von der Ersatzkommission über die Gemusterten entschieden wird. Vgl. Heer- und Wehrordnung vom 22. Nov. 1888 nebst Nachträgen. Vgl. Brandt, Das deutsche Militärwesen (3. Aufl., Langensalza 1894).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe