Gips

Gips (aus mittellat. gypsum, griech. gýpsos), Mineral, wasserhaltiger schwefelsaurer Kalk, CaSO4+2H2O, mit 32,55 Kalk, 46,52 Schwefelsäure und 20,93 Wasser, bildet monokline, säulen- oder tafelförmige, auch linsenförmige, bis fußgroße Kristalle, die teils einfach, teils Zwillinge (Schwalbenschwanzkristalle, s. Artikel »Kristalle«, Fig. 61) sind. Ringsum ausgebildete Kristalle finden sich eingeschlossen in Ton und dichtem Gips (Montmartre, Schöppenstedt, Osterode, Mainz, Wasenweiler am Kaiserstuhl), ausgewachsene Kristalle kleiden häufig Drusenräume und Klüfte im Gipsgebirge und in Steinsalzlagern aus, so bei Reinhardsbrunn, Bez. Kaaden in Böhmen, Girgenti etc. Auch auf Grubenholz, in den Leitungsröhren und den Gradierwerken mancher Salinen und in Ton- und Schlammassen bilden sich oft schöne Gipskristalle. Bisweilen findet sich der Gips auch in kristallinisch-blättrigen Massen, ebenso wie die Kristalle höchst vollkommen in dünne, perlmutterglänzende, rhomboidale Täfelchen spaltbar, als Gipsspat (Gipsglas, Marienglas [als Symbol der Keuschheit Schmuck der Marienbilder], Frauenglas, Fraueneis, Lapis specularis) sowie in stängeligen und faserigen Aggregaten, letztere oft mit sehr schönem Seidenglanz (Stengel-, Faser-, Seiden-, Atlasgips). Schuppiger Gips in lose zusammengehäuften, wenig glänzenden Blättchen bildet den Schaumgips (Gipsblüte) von Nordhausen und dem Montmartre. Am häufigsten ist derber, dichter, auch körniger Gips (Gipsstein), der oft große Felsmassen, ganze Berge (Südrand des Harzes) bildet und in seiner reinsten Varietät Alabaster genannt wird. Der Gips ist farblos, vollkommen durchsichtig oder weiß, häufig gelb, rot, grau, braun, schwarz, selten grün oder blau; Härte 2, spez. Gew. 2,2 bis 2,4.

Der Gips tritt, zumal als Gipsstein, vorherrschend mit Anhydrit-, Steinsalz- und Tonablagerungen im engen Verband auf. In der obersilurischen Salzgruppe kennt man ihn im Staat New York, in Kanada, im mitteldevonischen Übergangsgebirge in Kur- und Livland, im unteren Kohlengebirge in Nordrussland, Neuschottland, Ohio und Michigan. In Europe ist er besonders im Zechsteingebirge sehr verbreitet; er ist hier meist undeutlich geschichtet, vielfach zerrissen, zerklüftet, ausgenagt, Höhlen und Schlotten bildend. So erscheint er sehr mächtig und ausgedehnt rings um den Harz, namentlich bei Osterode und bei Nordhausen. Den Ural begleitet ein breiter Gürtel gipsführenden Gebirges von Orenburg bis über den 60.° hinaus. Die Trias führt Gips besonders in den Alpen (Berchtesgaden, Hallstadt, Hallein, Hall, Aussee), aber auch in Thüringen im oberen Buntsandstein (Röth) und im südwestlichen Deutschland im Muschelkalk und im Keuper. Arm an Gips sind Jura und Kreide, um so reicher ist das Tertiärgebirge. Im Tertiär des Pariser und Wiener Beckens, bei Wieliczka und anderen Orte in den Karpathen, in den Schwefeldistrikten Siziliens, in Spanien sind mächtige Gipsablagerungen vorhanden.

Gips setzt sich aus Salzseen und aus dem Meerwasser bei dessen Verdunstung, vor dem Steinsalz, ab; öfters ist er aus Anhydrit (s. d.) durch Wasseraufnahme entstanden. Auch bei der Zersetzung von kohlensaurem Kalk, Dolomit und Mergel durch Schwefelwasserstoff (in der Nähe von Solfataren und Vulkanen) und durch Schwefelsäure, die sich bei Verwitterung von Schwefelkies und anderen Erzen bildet, entsteht häufig Gips, zuweilen als Absatz von Quellen, die jenen Gesteinen entspringen. Infolge der Löslichkeit des Gipses werden die Gipsablagerungen durch einsickerndes Wasser allmählich zerstört. Es bilden sich nicht selten ganz regelmäßig zylindrische und senkrecht niedergehende Schlöte (Gipsorgeln, Erdpfeifen), die sich allmählich zu Höhlen und sogen. Schlotten (s. d.) erweitern (Ellrich unweit Nordhausen, Höhlen bei Wimmelburg, Barbarossahöhle am Kyffhäuser) und auch Anlass zu Erdfällen (s. d.) geben. Sickert das gipshaltige Quellwasser durch mächtige Ton- oder Lehmlager, so absorbieren diese den Gips, und es fließt aus ihnen weiches Wasser ab; geht aber das Gipswasser durch Dolomit, so entsteht kohlensaurer Kalk, und das Wasser enthält schwefelsaure Magnesia (Bitterwasser). Aus den Quellen gelangt das gipshaltige Wasser in die Flüsse und ins Meer, und hier wird der Gips durch Organismen z. T. wieder in kohlensauren Kalk umgewandelt.

Gips ist in Wasser schwer löslich. 1 Teil CaSO4+2H2O löst sich bei 0°, 18°, 24°, 32°, 38°, 41°, 53°, 72°, 86°, 99°, in 415, 386, 378, 371, 368, 370, 375, 391, 417, 451 Teile

1 Teil CaSO4 löst sich in 525, 488, 479, 470, 466, 468, 474, 495, 528, 571 Teile.

Danach ist die Löslichkeit des Gipses am größten bei 38°. Leichter als in reinem Wasser löst sich Gips in verdünnter Salzsäure und Salpetersäure, in konzentrierter Schwefelsäure und in Wasser bei Gegenwart von Alkalisalzen, besonders Ammoniaksalzen, und Zucker, mehr als zehnmal leichter in einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron. In Alkohol ist Gips fast unlöslich, und aus der wässerigen Lösung wird er durch Alkohol gefällt. Aus Gipslösungen, die Natrium- oder Magnesiumchlorid enthalten, kristallisiert bei gewöhnlicher Temperatur CaSO4.2H2O, bei 40° aber 2CaSO4. H2O. Beim Erhitzen auf 107° verliert Gips Kristallwasser, und es entsteht 2CaSO4.H2O, aber schon bei 90° entsteht auch Anhydrit, indem das Halbhydrat in CaSO4.2H2O und CaSO4 zerfällt. Der gebrannte Gips des Handels ist eine Mischung von Anhydrit und Halbhydrat und letzteres zersetzt sich in angegebener Weise beim Erhitzen auf 90° und langsam beim Lagern. Bei 125–145° wird Gips wasserfrei, nach anderen Angaben künstlicher Gips bei 188°, natürlicher über 200°. Bei Rotglut schmilzt er und erstarrt in den Formen des Anhydrits. Bei Weißglut verliert er die Schwefelsäure, durch den Chlor und Chlorwasserstoff wird er bei Rotglut in Chlorcalcium verwandelt. Sehr leicht wird Gips zu Schwefelcalcium reduziert, in Lösung auch durch faulende organische Substanzen, und da bei der Fäulnis gleichzeitig Kohlensäure entwickelt wird, so entsteht kohlensaurer Kalk und Schwefelwasserstoff. In dieser Weise zersetzt sich Gips im Dünger, in Morast, in Abwässern, auch in Mineralwasser, das organische Substanzen enthält. Kohlensaures Natron bildet mit Gips schwefelsaures Natron und kohlensauren Kalk. Wenn man ungebranntes Gipspulver mit gleichviel schwefelsaurem Kali mischt und mit Wasser zu einem Brei anrührt, so erstarrt die Masse unter Bildung eines Doppelsalzes, das in der Natur als Syngenit vorkommt.

Technische Verarbeitung

Alabaster wird zu Luxusgegenständen verarbeitet; faseriger Gips dient gepulvert als Streusand, gewöhnlicher Gipsstein dient als Baustein, auch fertigt man daraus Hartmarmor und Neomarmor. Gipspulver dient als Dungmittel (s. Dünger und Düngung, S. 280) und zum Konservieren des Stallmistes, indem er mit kohlensaurem Ammoniak, das sich verflüchtigen würde, schwefelsaures Ammoniak und kohlensauren Kalk bildet. Gipspulver dient auch zur Verfälschung anderer Pulver, wie Stärke, Mehl, Chinin, Bleiweiß; Farbstoffe mischt man mit Gips, um ihnen einen helleren Ton zu geben. Auch benutzt man Gips zu Glasuren und Emails. In der Form von Gips sind enorme Mengen Schwefelsäure in der Natur aufgespeichert, aber alle Versuche, diese, resp. die 18,6 Proz. Schwefel, die der Gips enthält, zu verwerten, sind bisher gescheitert. Unter dem Namen Annaline wird Gips als Zusatz zum Papierzeug (25–30 Proz.) in der Papierfabrikation verwendet. Zu diesem Zweck wird ein äußerst zartes Gipspulver dargestellt, indem man gebrannten, mäßig fein gepulverten Gips mit seinem zwölffachen Gewicht Wasser mischt, etwa 15 Minuten rührt, bis die Mischung Rahmkonsistenz angenommen hat, und die Masse in eine Zentrifugalmaschine bringt, um das Wasser von dem Gips zu trennen.

Am häufigsten wird der Gips gebrannt, d. h. durch Erhitzen entwässert, weil er dadurch die Fähigkeit erlangt, nach dem Anrühren mit Wasser (Löschen) zu erhärten. Man benutzt in der Technik einen schnell bindenden Stuck-, Putz- oder Modellgips und einen langsam bindenden Estrich- und Baugips. Zur Darstellung des ersteren darf der rohe Gips nicht über etwa 190° erhitzt werden, da er sonst totbrennt und beim Anrühren mit Wasser ungenügend oder gar nicht bindet. Derartiger Gips erstarrt oft erst nach Jahren. Bei Erhitzung auf 400–500° wird der Gips hydraulisch; er bindet dann das Wasser zwar langsam (in Wochen), nimmt dabei aber größere Härte und Dichte als gewöhnlicher Gips und alabasterartiges Ansehen an. Derartiger Gips eignet sich zur Herstellung von Estrichen und als Mörtel auch in feuchten Lagen, wegen der Löslichkeit des Gipses aber nicht im Wasser. Der gebrannte Gips des Handels (Gipskalk, Sparkalk) enthält 4,27 Proz. Wasser. Der Grad der Härte, den der gebrannte Gips nach dem Anrühren mit Wasser erlangt, hängt z. T. von der Beschaffenheit des ungebrannten Gipssteins und von dem Grade des Brennens ab. Dichter körniger Gips gibt härtere Masse als faseriger und blätteriger; z. T. ist die Härte auch abhängig von der Menge des Wassers beim Anrühren. Eine gewisse Quantität Wasser ist erforderlich, um den Brei verarbeiten zu können; nimmt man aber zu viel Wasser, so wird der Gips locker und porös; guter, frisch gebrannter Gips erstarrt in 1–2 Minuten unter gelinder Erwärmung und dehnt sich dabei um ungefähr 1 Proz. aus, und hierauf beruht seine Anwendung zu Kunstgüssen, zum Abformen, Ausgießen der Mauerfugen etc. Die Erhärtung des gebrannten Gipses beruht auf der Bindung von Wasser. Ein Teil des Gipses löst sich in dem Wasser, mit dem man ihn anrührt, und bildet eine übersättigte Lösung, aus der sich alsbald Gipskristalle ausscheiden, während sich von neuem gebrannter Gips löst, der ebenfalls wasserhaltige Kristalle bildet. Dieser Prozess schreitet fort, bis schließlich das Ganze zu einer festen Kristallmasse erstarrt ist. Gelöschter und erhärteter Gips ist nach abermaligem Brennen wieder wie frischer verwendbar.

Zum Brennen des Gipses hat man Meiler, Grubenöfen an Berglehnen (die vereinzelt noch jetzt am Harz vorkommen), Kalköfen, gewölbte Ofen von eiförmigem Durchschnitt mit einem von Feuerzügen durchbrochenen Gewölbe über dem Feuerraum angewendet. Alle diese Einrichtungen lieferten sehr ungleichmäßige, z. T. totgebrannte Ware. Man hat dann das Gestein möglichst sorgfältig ausgewählt, in möglichst gleich große Stücke von höchstens Nussgröße zerschlagen und in Back- oder Flachöfen gebrannt. Auch wurde der gemahlene Gips in eisernen Kesseln unter Umrühren erhitzt, gekocht, um ganz feines Gut zu erhalten. Um Brennmaterial zu ersparen, hat man die Abhitze von Kalk- und Koksöfen zum Brennen des Gipses benutzt. In neuerer Zeit hat die Königshütte bei Lauterberg am Harz eine maschinelle Einrichtung für den Brennbetrieb ausgeführt. Die Gipssteine werden auf einem Steinbrecher in Stücke von halber Faustgröße und dann auf einer Glockenmühle oder Brechschnecke in ein Schrot von Erbsen- bis Bohnengröße verwandelt. Schließlich liefern Vertikalmahlgänge ein Mehl von mehr oder weniger feinem Korn für die verschiedenen Verwendungszwecke. Gebrannt wird der Gips in eingemauerten zylindrischen eisernen Kesseln mit Rührwerk. Das durch die entweichenden Wasserdämpfe mit fortgerissene Gipsmehl wird in Staubsammlern aufgefangen. Nachdem das Wallen des Gipsmehles im Kessel aufgehört hat, schafft das Rührwerk den Gips durch die geöffnete Austrittsöffnung in tiefer gelegene Kühlräume. Zur Herstellung von Estrichgips dient ein Hochofen. Nach dem Verfahren der »Rheinischen Gipsindustrie« in Mannheim passiert der Gips einen Steinbrecher und ein Walzwerk, gelangt dann in den Vorwärmer und aus diesem, in dem eine archimedische Schraube sich dreht, in die darunter liegende Trockentrommel des Brennofens. Die Heizgase überhitzen die in der Trockentrommel sich entwickelnden Wasserdämpfe und führen sie in den Vorwärmer. Der entwickelte Staub gelangt durch eine breite Öffnung nach der Staubkammer. Das Brenngut wird vermöge der mechanischen Einrichtung der Trommel durch deren Austrittsöffnung in die doppelwandigen Kühlschnecken befördert, die durch zirkulierendes Wasser gekühlt werden, fällt aus diesen auf die Vertikalmühlen und von da über Zylindersiebe in die Silos. Der ganze Betrieb vollzieht sich kontinuierlich, bedarf nur geringer Überwachung und gewährt den Vorteil, dass der gebrannte Gips leichter zu mahlen ist als der ungebrannte.

Aus gebranntem Gips gegossene Platten sind nach dem Trocknen sehr porös und saugen mit großer Begierde Flüssigkeiten ein; man benutzt sie deshalb zum Entwässern von Farben- und Kristallbrei, Stärkemehl, Hefe etc. Formen von Gips dienen ihrer Porosität halber zum Gießen von Porzellanretorten, Röhren, Lithophanien etc. Die Formen saugen das Wasser ein und machen die Porzellanmasse dadurch fest. Ebenso kann man auch Benzin, Chloroform, ätherische Ole, Äther, Essigäther mit gebranntem Gips entwässern. Lösung der Harze in Alkohol und Terpentinöl, viele fette Firnisse, trübe gewordene Weine, Parfüme, Liköre, raffiniertes Rüböl klären sich beim Behandeln mit gebranntem Gips. Auch bei der Gärung wird Gips dem Wein (s. d.) zugesetzt.

Ferner benutzt man Gips zum Bekleiden der Boden der Ölfässer, zum Befestigen von Eisen in Stein- und Mauerwerk, zur Herstellung unbeweglicher Verbände bei Knochenbrüchen etc., zur Darstellung von Formen für Zinn- und Bronzegießereien, für Galvanoplastik etc. Namentlich werden auch Abgüsse von Bildhauerarbeiten, Münzen etc. aus Gips hergestellt. Man rührt den Gips mit 2,5 Teilen Wasser schnell zu einem gleichmäßigen Brei an und gießt diesen unter Vermeidung von Luftblasen in die Form. Man benutzt meist elastische Formen aus Leim oder Agar-Agar, die unter Umständen, um das Anhaften des Gipses zu vermeiden, sorgfältig mit Öl eingerieben werden müssen. In anderen Fällen ist der Gegenstand, von dem ein Abguss hergestellt werden soll, durch einen Lackanstrich vor der Nässe des Gipsbreies zu schützen. Soll das Erhärten des Gipsbreies verzögert werden, so setzt man 2–4 Proz. gepulverte Eibischwurzel zu oder rührt den gebrannten Gips mit Leimwasser an, das etwas Zinkvitriol gelöst enthält. Der Abguss gewinnt dadurch größere Härte und wird etwas durchscheinend und marmorartig. Rührt man den Gips mit 1 Volumen gesättigter Boraxlösung und 12 Volumen Wasser an, so wird das Erhärten um ungefähr 15 Minuten verzögert; nimmt man auf 1 Volumen Boraxlösung 8 Volumen Wasser, so wird das Erhärten um 50 Minuten verzögert, und bei Anwendung gleicher Volumen Boraxlösung und Wasser erstarrt der Gips erst nach 10–12 Stunden.

Über die Herstellung der Elfenbeinmasse s. Enkaustieren. Um Gipsabgüsse abwaschbar zu machen, tränkt man sie durch Übergießen oder mittels eines Schwammes mit einer Lösung von 1 Teil Ätzbaryt in 20 Teilen destilliertem Wasser, so lange dies noch aufgenommen wird, lässt bei mäßiger Wärme trocknen und überzieht den möglichst warmen Abguss dann mit einer warmen Lösung von 1 Teil guter Kernseife in 10–12 Teilen 50–60proz. Weingeist, besser mit einer Lösung von stearinsaurem Natron in starkem Weingeist. Man kann auch den Abguss mit warm gesättigter, heißer Boraxlösung und nach dem Trocknen mit warm gesättigter, heißer Chlorbaryumlösung tränken, worauf man nach abermaligem Trocknen heiße wässerige Seifenlösung aufträgt, die überschüssige Seife mit heißem Wasser fortnimmt und dann mit kaltem Wasser spült, bis dasselbe auf dem Gips perlt. Andere tränken die Abgüsse mit gelöster Kieselsäure, dann mit Barytwasser, oder mit Barytwasser und dann mit Oxalsäure oder mit Ammoniumtriborat. Gegen Witterungseinflüsse schützt man Gipsabgüsse, indem man sie erwärmt und wiederholt mit einer heißen Mischung aus Wachs und Leinöl tränkt, bis sie nichts mehr davon aufnehmen. Da hierdurch aber die Farbe unansehnlich wird, muss man sie schließlich bronzieren oder mit weißer Ölfarbe streichen. Unsauber gewordene Gipsfiguren streicht man mit Stärkewasser und Permanentweiß. Man streicht auch sehr dicken Stärkekleister auf den Abguss, der vorher durch Abblasen und mittels eines zarten Federbesens von lose anhängendem Staub befreit ist. Der Anstrich wird mittels eines weichen Borstenpinsels gleichmäßig aufgetragen und mehrmals wiederholt. Nach vollständigem Trocknen löst er sich von selbst, der Kleister blättert ab und etwaige Reste können leicht entfernt werden; die Schmutzteile werden dabei von dem trocknen Kleister, an dem sie festgeklebt sind, mit fortgenommen.

Gegossener Gips lässt sich mit dem Fingernagel ritzen. Härtere Massen werden erhalten, wenn man Gips mit einer Lösung von 1 Teil Alaun in 12–13 Teilen Wasser vollständig tränkt, trocknet, dann wieder brennt und nun mit ebenso starker Alaunlösung anrührt und wie gewöhnlich verfährt. Das zweite Brennen muss aber bei einer die Rotglut erreichenden Temperatur geschehen und darf nicht zu schnell unterbrochen werden. Der alaunhaltige Gips (Keanes, englischer Marmorzement, Mac Lean-Zement, Zement-, Alaungips, Alabasterzement) nimmt vorzüglich gute Politur an und ist weiß mit einem Stich ins Isabellfarbige; an dünnen Teilen und Kanten erhalten die Abgüsse eine Art Durchscheinenheit, die ihnen das Ansehen von Alabaster oder Marmor gibt; sie können mit einem nassen Tuch abgewaschen werden, selbst langes Liegen im Wasser und der Einfluss der Witterung bewirken keine Veränderung. Parianzement ist mit Boraxlösung (1 Borax, 11 Wasser) getränkter, dann stark gebrannter und mit Weinsteinlösung (1 Weinstein, 11 Wasser) angemachter Gips. Auch mit Kieselfluorwasserstoffsäure lässt sich Gips härten. Bringt man gebrannten Gips in eine um ihre Achse sich drehende Trommel und leitet in diese Wasserdampf, so behält der Gips seine Pulvergestalt, nimmt aber allmählich um 28 Proz. an Gewicht zu. Füllt man ihn nun in sehr starke Metallformen und komprimiert ihn in denselben durch kraftvolle hydraulische Pressen, so erhält man äußerst scharfe und harte Abgüsse, die sich wie Marmor polieren lassen. Sehr gut wirkt auch der Teer, der leicht in den porösen Gips eindringt, wenn der Gips in ein Teerbad getaucht wird, dessen Temperatur ohne Nachteil auf 300–400° steigen kann. Den härtesten und dichtesten Gipsguss (Marezzomarmor) erhält man aus Gips, der durch einen langsam geleiteten Brennprozess aus gewöhnlichem Gips hergestellt wird. Tränkt man Gipsstein mit Kaliumsulfit, das durch Oxidation in Kaliumsulfat übergeht, so wird er hart, politurfähig und transparent. Die Druckfestigkeit dieses Hartmarmors wird auf 956 kg für 1 cm² angegeben. Werden aus rohem Gipsstein geschnittene Platten oder andere Gegenstände erhitzt, dann in eine Chlorcalciumlösung und hierauf in eine Magnesiumsulfatlösung getaucht, so entsteht Gips, der sich innerhalb des Steines ablagert und ihn dichter macht, und Chlormagnesium, das durch Einlegen in Wasser entfernt wird. Nach abermaligem Erhitzen und Eintauchen in die Lösungen werden die Gegenstände abwechselnd mit Leim- und Tanninlösung behandelt und dann getrocknet. Der Chlorcalciumlösung können Metallsalze zugesetzt werden, die durch eine zweite Metallsalzlösung in unlöslich färbende Verbindungen verwandelt werden. Derartig hergestellte und polierte Platten sind als Neomarmor bekannt geworden. Ein Gemisch von feinem Gips und gepulvertem Gipsspat (Frauenglas) mit Leimwasser gibt die zu ornamentalen Zwecken verwendbare Scagliola.

Gips als Baumaterial

Man benutzt gebrannten Gips in großer Menge zu Stuckaturarbeiten: Stuck, Stuckmarmor, Stucco lustro, zu Estrichen, Dachboden, Kitten und Mörtel. Letztere Verwendungsweise ist sehr alt, und in Gegenden, wo körniger und dichter Gipsstein gebrochen wird, ist Gipsbrei als Bindemittel bei Mauerwerken gebräuchlicher als Kalkmörtel. Bei richtiger Anwendung halt sich Gipsmörtel wenigstens ebensogut wie Kalkmörtel. Der Gipsmörtel einer Burg bei Osterode, die 1530 zerstört wurde, widersteht heute dem Hammer besser als die Bruchsteine, denen er als Bindemittel dient. In Frankreich und namentlich in Paris und dessen Umgegend findet Gips als Baumaterial ausgedehnte Anwendung; außer zum Putz im Innern der Gebäude wird Gipsmörtel als Bindemittel fast zu allen Umfassungsmauern und zum Abputz der Fassaden etc. verwendet; ebenso dient in Norddeutschland der unter dem Namen »Lüneburger Kalk« grob gemahlene unreine Gips vielfach zu Arbeiten in freier Luft. Gips leidet nicht durch den Frost, er zeigt nicht die geringsten Abblätterungen, und man kann ihn als Baumaterial selbst bei -5° bis -10° verarbeiten. Auf Grund dieser Tatsachen hat man Gips als Baumaterial wieder empfohlen, und eine Art Gipsbeton (Annalith) wurde mit günstigstem Erfolg vielfach zu bedeutenden Bauten verwendet. Annalith besteht aus einer Mischung von scharf gebranntem, langsam bindendem Osteroder Gips mit reinem, scharfem Sand oder Grand und größeren erdfreien Steinen (Flusskieseln, Abfällen von Bruchsteinen, Backsteinschrotten etc.). Er wird in Formen gegossen, in denen er bald die Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Wetterbeständigkeit der alten Gipsmauerwerke erlangt. Bisweilen formt man auch aus Gips zunächst Quadern, die wie gewöhnlich benutzt werden. Gewölbe, Treppen und Plafonds wurden mit großem Vorteil aus Annalith hergestellt; ebenso hat man Dampfmaschinenschornsteine, Anschlagsäulen, Dampftrockenöfen u. dgl. aus Annalith gebaut. Vgl. Gipsdielen, Gipsdrahtbau und Mörtel.

Geschichtliches

Der Gips und seine große Verwendbarkeit waren schon den Alten bekannt. Herodot erzählt von den Äthiopiern, dass sie ihre getrockneten Leichname durchaus übergipsten und schön anmalten; Der Mörtel der großen Cheops-Pyramide besteht zu 83 Proz. aus Gips; auch Vitruv und Plinius sprechen von der Benutzung des Gipses zu Bauzwecken, und letzterer erzählt, dass Lysistratos aus Sikyon zuerst einen Gipsabguss von einem menschlichen Gesicht genommen und in die Form Wachs gegossen habe. Mit Gipsspat bestreute man bei den zirzensischen Spielen den Boden, und auf ähnliche Weise benutzte später der gläubige Sinn des Volkes den farblosen, durchsichtigen Gipsspat als Symbol der Reinheit und Keuschheit und schmückte mit demselben die Statuen der Maria (Marienglas). Die großen Tafeln des spanischen Gipsspats dienten den Alten als Glastafeln. Später geriet die Kunst, in Gips zu arbeiten, in Vergessenheit und soll zuerst von Margaritone um 1300 in Italien wieder erfunden worden sein. Vervollkommt ward sie namentlich durch den Maler Nani zur Zeit Raffaels, wie die vielen herrlichen Stuckarbeiten im Vatikan beweisen. In Deutschland wurde der Gips in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu gewöhnlichen Arbeiten vielfach benutzt; die Aufnahme der Stuckarbeiten datiert aber hier und in Frankreich erst von dem Anfang des 18. Jahrhunderts, worauf sie dann, namentlich in der Rokokozeit, eine großartige Rolle spielte.

Bibliographie

  • Bernhard: Gipsabgüsse, Stuckarbeiten und künstlicher Marmor (Frankf. 1893)
  • Böhmer u. Neumann: Kalk, Gips, Zement (Weim. 1886)
  • Feichtinger: Chemische Technologie der Mörtelmaterialien (Braunschw. 1885)
  • Hensinger u. Waldegg: Der Gipsbrenner, Gipsgießer und Gipsbaumeister (Leipz. 1867)
  • Hüttmann: Der Gipser als Zementierer, Tüncher und Stuckateur (3. Aufl., Weim. 1886)
  • Pedrotti: Der Gips und seine Verwendung (Wien 1901)
  • Tarnawsky: Kalk, Gips etc. (Wien 1887)
  • van’t Hoff: Untersuchungen über die Bildungsverhältnisse der ozeanischen Salzablagerungen. XXII. Gips und Anhydrit (mit Hinrichsen und Weigert, Berl. 1901)
  • van’t Hoff u. Just: Der hydraulische oder sogen. Estrichgips (Berl. 1903)
  • Weber: Die Kunst des Bildformers und Gipsgießers (6. Aufl., Leipz. 1898)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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