Russische Fußartillerie, 1812–1815

Testbericht der 1:72 Figuren von HäT Industrie

Russische Fußartillerie 1812–1815, 1:72 Figuren HäT Industrie 8010.

Die russische Armee der napoleonische Kriege ist bei Sammlern und Wargamern sehr beliebt.

Inhalt

24 Artilleristen in 6 Posen – 22,5 mm Körpergröße entsprechen 162 cm

Bewertung

Exzellente Themenwahl, die russische Artillerie der Napoleonischen Kriege war 1997 in diesem Maßstab einzigartig. Seit 2003 gibt es allerdings mit der russischen Fußartillerie von Zvezda einen überragenden Konkurrenten, mit dem sich die Artilleristen von HäT nicht mehr messen können.

Der Unteroffizier und Geschützführer zelebriert das legendäre, einarmige Fernrohr, das in der Geschichte der Spielzeugsoldaten immer wieder anzutreffen ist, und an Lächerlichkeit nur vom »einarmigen Fernrohr zu Pferd« übertroffen wird. Der Unteroffizier sieht rein gar nichts, selbst wenn er nicht mit dem Säbel in der anderen Hand herumfuchteln würde, weil er das lange, schwere Fernrohr mit einer Hand niemals ruhig genug und im richtigen Abstand vom Auge halten kann. Das einhändige Fernrohr fest gegen die Augenhöhle zu drücken ist auch keine Lösung, das Bild bleibt schwarz und es droht eine Hornhautverletzung. Die Geschäftsleitung von HäT Industrie war rechtzeitig vorgewarnt, trotzdem ist dieser Klassiker aller verunglückten Figurenposen von der Skizze, über den Modelleur, Formenbauer und die Gießerei unbeanstandet zum Kunden gelangt.

HäT scheitert bei dem Versuch, das Laden, Richten, und Abfeuern eines Geschützes mit nur sechs Artilleristen darzustellen. Ein Kanonier hält sich das Ohr zu, obwohl keiner seiner Kameraden ein Geschütz abfeuert, ein anderer richtet das Geschütz, während ein dritter gerade erst die Ladung ansetzt. Diese Vorgänge passieren nicht gleichzeitig, deshalb gehören die Figuren nicht zusammen ans selbe Geschütz. HäT hätte sich besser für nur eine Szene entschieden und die sechs Artilleristen in den dazu passenden Posen dargestellt. Wenn nur wenige Figurenposen in einer Schachtel vorgesehen sind, sollte man sich möglichst für Kanoniere in Grundstellung entscheiden.

Ungewöhnlich ist, dass Kanonier Nr. 3 mit seiner brennenden Lunte herumfuchtelt, während er das Zündloch mit dem Daumen der linken Hand verschließt. Normalerweise wird diese Aufgabe vom Zündlochmann erfüllt; der Mann mit der Lunte hält sich während des Ladens vom Geschütz fern, damit es nicht zur Katastrophe kommt. Sind vielleicht schon so viele Kanoniere verwundet und gefallen, dass der Mann mit der Lunte jetzt als Zündlochmann einspringen muss?

Der faszinierende russische »Kiver« (Tschako) von 1812 fällt in der Version von HäT ziemlich unspektakulär aus. Das Modell wirkt etwas mickrig, dem Deckel fehlt der richtige Schwung, und die Behänge sind unvollständig. Im Gesamteindruck fanden wir diesen »Kiwer« ziemlich enttäuschend. Wer die Figuren trotz aller Mängel verwenden möchte, könnte ihnen neue Köpfe mit ordentlichen Tschakos gönnen.

Der Kanonier mit dem Luntenstock steht übertrieben breitbeinig da. Vorsichtig vom Fußbrettchen gelöst, kann man diese Figur gut als Fahrer auf ein Zugpferd der Artillerie aufsitzen lassen. Die deutliche Rücklage des Soldaten lässt allerdings den Schluss zu, dass sein Fußbrettchen eigentlich ein Skateboard oder Surfbrett darstellen soll.

Die Lafettenwände sind innen und außen blank, nur an der Oberseite gibt es Nietköpfe, die einen Beschlag andeuten. Das Protzloch fehlt, und die Richtösen auf dem Schwanzriegel sind als rechteckige Klötzchen dargestellt. Der geneigte Modellbauer wird hier ordentlich nacharbeiten müssen, wenn aus diesen rudimentären Lafetten richtige Geschütze entstehen sollen. An den Geschützrohren fehlen die Henkel, was gerade bei der russische Kanonenhaubitze einen großen Mangel darstellt, denn dieses Geschütz wurde wegen seiner mit Fabeltieren verzierten Henkel »Einhorn« genannt.

Die typischen Kastenprotzen und Munitionswagen der russichen Artillerie fehlen leider. Immerhin gibt es aber acht überzählige Geschützrohre, die auf selbstgebaute Lafetten aus Balsaholz oder Plasticard aufgesetzt werden können.

Historische Verwendung

Im Vergleich mit der russischen Fußartillerie von Zvezda schneiden die Fußartilleristen von HäT ziemlich schlecht ab. Ein Kauf lohnt sich für viele Wargamer und Figurensammler wohl nur wegen der vier Kanonen- und acht Haubitzrohre.

HäT Figuren

Russische Figuren der Napoleonischen Kriege