Jute
Jute (spr. dschūte, Paathanf, Bengalhanf, Kalkuttahanf, Judhanf, Indian grass, Gunny fibre), die Bastfaser mehrerer Corchorus-Arten, besonders von Corchorus capsularis (s. Tafel »Faserpflanzen I«, Fig. 3, mit Text) und Corchorus olitorius, die hauptsächlich in Indien, Ostasien (besonders China), Algerien, Guayana und anderen Ländern Amerikas kultiviert werden. Die geschnittenen oder aus dem Boden gezogenen, von Blättern und Seitentrieben befreiten Pflanzen lässt man in Bündeln 3–4 Tage im Felde stehen und bringt sie dann in Gruben, in denen sie etwa 10 cm unter Wasser, mit Steinen beschwert und vor Sonnenlicht geschützt, 3–30 Tage liegen bleiben. Nach Vollendung der Röste wird die Faser ihrer ganzen Länge nach vom Stengel abgezogen, gewaschen, ausgerungen und getrocknet. Durch die Röste wird nicht nur der Bast vom übrigen Gewebe abgelöst, sondern das Bastbündel zerfällt auch, und die gewonnene Faser ist so rein wie gehechelter Flachs oder Hanf Sie wird in 2–4 m langen Risten auf den Markt gebracht. Frische Jute ist weiß, gelblichweiß, silbergrau, seidig glänzend, weich und fein. Die mittels Schnippmaschinen abgetrennten unteren Enden (roots) sind, wie die minderwertige Jute, dunkler gefärbt. Aber auch die Mehrzahl der guten Sorten von Jute färbt sich unter dem Einfluss von Luft und besonders von Feuchtigkeit dunkler bis tiefbraun. Je glänzender die Jute ist, um so größer ist auch ihre Festigkeit. Frische Jute enthält im lufttrocknen Zustand 68 Prozent, in mäßig feuchter Luft 14 Prozent Wasser und nimmt im mit Wasserdampf gesättigten Raum über 34 Prozent Wasser auf. Das spezifische Gewicht der Jute mit 7 Prozent Wasser beträgt 1,436, wasserfreie Jute enthält 0,9–1,75 Prozent Asche. Jute kommt in der Festigkeit dem Flachs und der Baumwolle nahe, wird aber vom Hanf übertroffen. Jute riecht nicht so intensiv und unangenehm wie Hanf, der Geruch von Garnen und Geweben rührt von dem Robbentran (Petroleum) her, mit dem die Faser beim Spinnen eingefettet wird. Jute enthält 62 Prozent Zellulose und außerdem Gerbstoffreste (Bastose). Die Faser besteht aus 1,5–2 mm langen, stark verholzten Zellen, die an den Enden spitz auslaufen und im Querschnitt polygonal, fünf- bis sechsseitig mit auffällig ungleichen Hohlräumen erscheinen. In Indien unterscheidet man folgende Hauptsorten in absteigender Reihe: Uttariyá (nördliche Jute), Dacca (Narejganje), Daisee, Dowra, Rejektions und Cuttings (Fußenden, auch roots, runners).
Die größte Menge Jute wird über Kalkutta in den Handel gebracht, sehr viel Jute wird in Indien auf Gunnysäcke (Gunnybags, Gunnycloth) verarbeitet, die namentlich zur Verpackung der amerikanischen Baumwolle und des javanischen Kaffees benutzt werden. In Europa und Nordamerika wird Jute fast nur ungebleicht versponnen, und zwar zu groben Geweben für Säcke (Sackings, Baggins, die feineren Hessians). Gebleichte Jute besitzt starken, fast seidenartigen Glanz und lässt sich gut färben. Bessere Jutegespinste werden zu Teppichen, Läufern, Tischdecken, Vorhängen und anderen Dekorationsstoffen verarbeitet, auch als Kette mit Baumwolle, Wolle, Flachs verwebt und zu Hosenstoffen, Möbelrips, zu Gurten, Dochten, Posamentierapparaten etc. benutzt. Mit Baumwolle als Grundgewebe stellt man sehr effektvolle Juteplüsche dar. Man benutzt Jute auch zu Zündern, zum Umwinden unterseeischer Telegraphenkabel, mit Karbolsäure, Salizylsäure etc. imprägniert in der Chirurgie als Verbandmaterial, minderwertige Sorten und Abfälle in der Papierfabrikation.
Jute wird seit alter Zeit unter den verschiedensten Namen in Indien versponnen und verwebt. In Europa ist Jute seit 1795 bekannt. Die ersten Versuche zum Verspinnen der Jute in Europa datieren von 1832; aber erst der Krimkrieg, durch welchen den englischen und schottischen Spinnereien der russische Flachs und Hanf entzogen wurde, verschaffte der Jute größere Geltung, und seitdem hat sich namentlich in und bei Dundee, London und Glasgow eine bedeutende Juteindustrie entwickelt. 1828 wurden aus Ostindien 364 Ztr., 1856 bereits 700.000 Ztr. roher Jute ausgeführt. 1890/91 betrug die Ausfuhr 11.985.967 Ztr., im folgenden Jahr aber nur 8.532.430 Ztr. und 1900/01: 11.486.000 Ztr. Dazu ist auch die Juteindustrie in Indien selbst außerordentlich gestiegen, die großen Fabriken allein verarbeiten mehr als 4 Mill. Ztr. Die Hauptabnehmer für rohe Jute sind Großbritannien und Irland, die Vereinigten Staaten von Nordamerika (Massachusetts, Rhode-Island), Deutschland, Frankreich, Österreich und Belgien. Jutesäcke werden außerdem nach Australien, Ostasien, Südafrika, Ägypten und Südamerika ausgeführt.
Bibliographie
- Ernst: Anleitung zur Bleicherei und Druckerei von Jutestoffen (Leipz. 1886)
- Leggatt: Theory and practice of jute-spinning etc. (Dundee 1893)
- Pfuhl: Physikalische Eigenschaften der Jute (Berl. 1888)
- Pfuhl: Die Jute und ihre Verarbeitung (das. 1888-91, 3 Bde.);
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909