Ketzer
Ketzer (Häretiker), überhaupt alle, die von der als rechtgläubig allgemein anerkannten Kirchenlehre abweichen, zu unterscheiden von den Ungläubigen (infideles), d. h. allen denen, die keine Christen sind, den Apostaten (s. d.) und den Schismatikern (s. d.). Der Name Ketzer ist aus dem Wort Katharer entstanden und kommt zuerst bei den Minnesängern des 12. Jahrhunderts vor. Sobald im Verlauf des 2. Jahrhunderts die katholische Kirche sich konsolidiert hatte, wurden die abweichenden Lehren als Häresien, d. h. Ketzereien, ausgeschieden. Dergleichen Ketzereien haben seit Justinus Martyr, dessen Verzeichnis verloren gegangen ist, die Kirchenväter rastlos zusammengestellt. Sie wurden von seiten der Bischöfe durch Ausschluss aus der Kirche (Exkommunikation) bestraft, und erst nach vielfachen Bußübungen wurden die Reuigen wieder aufgenommen.
Seit Konstantin d. Gr. standen auf das Verbrechen der Ketzerei Güterkonfiskation und Landesverweis (Exil), Verbrennung ketzerischer Bücher und Verlust der bürgerlichen Rechte, bald sogar die Todesstrafe. Das erste Beispiel der letzteren gaben 385 die spanischen Bischöfe, auf deren Betreiben Priscillianus (s. d.) enthauptet wurde. Noch schlimmer erging es den Ketzern, namentlich den Anführern derselben, als im 13. Jahrhundert durch Gregor IX. auf der Kirchenversammlung zu Toulouse (1229) die Ketzergerichte (s. Inquisition) angeordnet und (1232 und 1233) die Dominikaner zu beständigen päpstlichen Inquisitoren (»Ketzermeistern«) mit unumschränkter Vollmacht ernannt wurden (s. Konrad von Marburg). Ludwig IX. von Frankreich (1228) und Kaiser Friedrich II. in mehreren Gesetzen (Reichsgesetz von 1232) machten den Staat der Kirche zur Henkersarbeit dienstbar. Zugleich fanden förmliche Kreuzzüge gegen die Ketzer statt; ihnen erlagen im 13. Jahrhundert die Albigenser und die Stedinger.
Seit der Reformation werden von der römisch-katholischen Kirche vornehmlich die Protestanten und in letzter Zeit auch die Altkatholiken (s. Altkatholizismus) als Ketzer bezeichnet. Auch die protestantischen Kirchen unterscheiden Rechtgläubige (»Orthodoxe«) und Häretiker (»Heterodoxe«). Im modernen Staat, der an Stelle des Bekenntniszwangs die Gewissensfreiheit setzte, ist die Ketzerei kein bürgerliches Vergehen, und ausschließlich mit den Mitteln kirchlicher Straf- und Zuchtgewalt verfolgbar, d. h. also nach dem gegenwärtigen Stand der meisten Staatskirchengesetzgebungen: nur mit solchen Strafmitteln, welche die bürgerliche Rechtssphäre (Leib, Vermögen, Freiheit, Ehre) nicht berühren.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909
Figuren
- Inquisition, 1:72 LW 2
- Medieval Inquisition, 1:72 Valdemar VA130
- Kalifornische Missionsindianer, 1:72 Pegasus 7051
- Klosterleben im Deutschen Orden, 1:72 Valdemar VA104
- Menschen im Mittelalter, 1:72 Valdemar VA107
- Kreuzfahrer #2, 1:72 Valdemar VA006
- Medieval Britain, 1:72 Strelets 071
- Robin Hood, 1:76 Airfix 01720