Mauerwerksverband
Mauerwerksverband oder Steinverband, diejenige Anordnung der Bausteine, durch die auch ohne Bindemittel ein möglichst fester Zusammenhang unter denselben hergestellt wird. Als Hauptregeln gelten: a) die horizontalen Lagerfugen der Steine müssen möglichst waagerechte Ebenen bilden; b) die vertikalen Stoßfugen der Steine dürfen in unmittelbar übereinander folgenden Schichten nicht aufeinander treffen. Je nach der Gattung der Bausteine unterscheidet man den Verband mit künstlichen Steinen (Back- oder Mauersteinen, Schwemmsteinen etc., Backsteinverband), mit regelmäßig bearbeiteten natürlichen Steinen (Quadern, Hau- oder Werksteinen), mit roh bearbeiteten natürlichen Steinen (Bruchsteinen) und den gemischten Verband.
Mauerwerksverband künstlicher Steine
Die deutschen Normalziegel sind 25 cm lang, 12 cm breit und 6,5 cm dick, für preußische Staatsbauten ist daneben ein großes Normalformat von 8,5 × 13,5 × 28,5 cm eingeführt worden. In Marschgegenden bestehen schon seit Jahrhunderten kleinere Formate als das deutsche Normalformat. Man vermauert ganze Steine, halbe Steine (Zweiquartiere) von der halben Länge oder von der vollen Länge und halben Breite ganzer Steine (die letztgenannten »Halben« auch Riemstücke genannt), Dreiviertelsteine (Dreiquartiere) von ¾ der Länge ganzer Steine und Viertelsteine (Quartiere, Riemchen, Kopfstücke, Köpfe) von ¼ der Länge ganzer Steine. Steine, die der Länge nach parallel zur Mauerflucht liegen, heißen Läufer, solche, die senkrecht zur Flucht liegen, Binder (Strecker) und die aus nur je einer Sorte hergestellten Mauerschichten, bzw. Läuferschichten und Binderschichten (Streckerschichten). Eine Mauerschicht mit »hochkantig« gestellten Steinen heißt eine Rollschicht, eine Schicht, bei der die Steine unter 45° gegen die Front geneigt liegen, eine Stromschicht und eine Schicht, bei der ein Stein gegen den anderen etwas vortritt, ein Zahnschnitt.
Man unterscheidet folgende Verbände. 1) Der Schornsteinverband (Fig. 1), so genannt, weil er für die meist ½ Stein starken Wangen der Schornsteine verwendet wird, entsteht durch die regelmäßige Versetzung der Stoßfugen von Läufern um je ½ Stein und liefert also an den beiden Enden eine regelmäßige Abtreppung (Fig. 1, rechts) und eine regelmäßige Verzahnung (Fig. 1, links). 2) Der Blockverband (Fig. 2–4) entsteht durch regelmäßige Abwechselung von Binder- und Läuferschichten, deren Stoßfugen in der Front um je ¼ Stein versetzt werden. In der Ansicht bilden sich hierdurch die durch Schraffierung (in Fig. 2) hervorgehobenen, senkrecht ineinander übergehenden Kreuze. Fig. 2, 3 u. 4 zeigen Blockverband für Mauern von 1, 1½ und 2 Stein Stärke mit ihren Abtreppungen (rechts) und Verzahnungen (links). 3) Der Kreuzverband (Fig. 5) entsteht aus dem Blockverband, wenn die Stoßfugen der 3., 7., 11. etc. Läuferschicht gegen die der 1., 5., 9. etc. in der Front um ½ Stein verschoben werden. In der Ansicht bilden sich hierdurch unzusammenhängende Kreuze (schraffiert), während sich regelmäßige Abtreppung (rechts) und rhythmische Verzahnung (links) bilden.
Von den nachfolgenden drei mittelalterlichen, jetzt weniger gebräuchlichen Verbänden entsteht 4) der Polnische Verband (Fig. 6), wenn in jeder Schicht Läufer und Binder abwechseln, wobei sich in der Ansicht das durch Schraffierung hervorgehobene Muster ergibt. 5) Bei dem Märkischen oder Wendischen Verbande (Fig. 7) besteht jede Schicht aus einer Folge von jedesmal zwei Läufern und einem Binder, derart, dass das in der Ansicht durch Schraffierung hervorgerufene Muster entsteht. Besser wird der Verband noch, wenn man öfters Verschiebung der Stoßfugen gegeneinander vornimmt 6) Der Holländische Verband (Fig. 8) entsteht durch Wechsel einer Binderschicht und einer Schicht, in der, wie beim Polnischen Verband, Läufer und Binder abwechseln.
7) Der Strom- oder Festungsverband (Fig. 9) zeigt im Äußeren den Block- oder Kreuzverband; innen liegen sechs verschiedene Schichten, zwei gerade und vier Stromschichten aufeinander. Er kann nur bei starken Mauern angewandt werden und gibt viel Verhau, hat aber sehr guten Fugenwechsel.
8) Der Blendverband (Verblendung, Fig. 10 u. 11, S. 916) besteht aus Riemchen und halben Steinen besseren Materials, die in wechselnden Schichten der verzahnten Hintermauerung vorgeblendet werden. Verbände für Pfeiler und Säulen aus künstlichen Steinen sowie für Ecken und Kreuzungen von Mauern sind mit deren Stärke sehr verschieden.
Mauerwerksverband regelmäßig bearbeiteter natürlicher Steine
Bei schwächeren Mauern wird dieser Verband dem in Fig. 1 dargestellten Schornsteinverband nachgebildet. Bei stärkeren Mauern weicht man von dem Ziegelverband insofern ab, als man, an ein bestimmtes Format nicht gebunden, den Läufern und Bindern gleiche oder derartige Längen gibt, dass man in der Front einen rhythmischen Fugenwechsel erzielt. Auch die Höhen der Läufer- und Binderschichten sind hier manchmal verschieden.
Bei Mauerecken lässt man die in den Figuren 12 und 13 durch Schraffierung hervorgehobenen sogen. Flügelsteine in beide Mauern eingreifen, um hierdurch den beiden Schenkeln der Ecke mehr Zusammenhang zu geben.
Mauerwerksverband roh bearbeiteter natürlicher Steine
Da die Steine hierbei verwendet werden, wie sie aus dem Bruch kommen, und nur mit dem Mauerhammer etwas zugerichtet werden, so kann von einem regelmäßigen Steinverband nicht mehr die Rede sein. Immerhin sucht man den Hauptregeln desselben möglichst zu entsprechen und tunlichst ebene und waagerechte Lagerfugen wenigstens in einzelnen, nicht zu weit voneinander abstehenden Schichten herzustellen, wobei man die Unebenheiten durch passende Steinstücke (Zwicker) ausfüllt, um das Aufeinandertreffen der Stoßfugen möglichst zu vermeiden. Bei sehr unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk werden diese »lagerhaften« Schichten wohl auch aus Backsteinen hergestellt, so dass ein farbig gestreiftes Mauerwerk entsteht. Ebenso werden die Gebäudeecken bei diesem Verband in Backsteinen, besser in behauenen Werkstücken gemauert.
Gemischter Steinverband entsteht, wenn die Mauern außen und innen aus verschiedenen Arten von Steinen bestehen (Blendmauerwerk).
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909