Selbstbau von Fahnen und Standarten

Modellbautechnik für den Maßstab 1:72 bis 1:32

Papierfahnen für das hessen-darmstädtische Infanterie-Regiment Schrautenbach.
Papierfahnen für das hessen-darmstädtische Regiment von Schrautenbach.

Im Internet finden sich viele historische Fahnen und Standarten für Figuren der Maßstäbe 1:72 bis 1:32, die von Sammlern erstellt und zum kostenlosen Herunterladen angeboten werden. Meist handelt es sich um digital erstellte Bilddateien, die beim Ausdrucken das mehr oder weniger überzeugende Modell einer Leib-, Ordinär-, Kompanie-, oder Regimentsfahne liefern.

Zinnfiguren mit gestreckten Fahnen ab Windstärke 4, mäßige Brise, mit 20 bis 28 km/h Windgeschwindigkeit.
Zinnfiguren mit gestreckten Fahnen ab Windstärke 4, mäßige Brise, mit 20 bis 28 km/h Windgeschwindigkeit. Windig genug, dass Federbüsche bewegt, und den Soldaten das Pulver aus der Pfanne geblasen wird.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind handelsübliche Modellfahnen leider perfekt rechtwinklig. An der Fahnenstange montiert, verhalten sich solche Modellfahnen wie ein steifes Brett, nicht wie ein seidenes Fahnentuch.

Typisch für diesen Konstruktionsfehler der Modellfahne ist, dass ihre hintere obere Ecke höher liegt als die Speerspitze der Fahnenstange, wenn der Fahnenträger die Fahnenstange etwas nach vorne geneigt führt, wie dies häufig der Fall ist. Selbst bei stärkstem Wind von vorn, oder beim Laufschritt des Fahnenträgers kann das Fahnentuch maximal horizontal flattern, niemals diagonal nach oben, über die Fahnenspitze hinaus. Schon das Eigengewicht des Fahnentuchs sorgt dafür, dass eine Fahne nach hinten unten schräg abfällt.

Papierfahnen aus Zellstoff eines Papiertaschentuches, mit verdünntem Holzleim eingestrichen, im noch feuchten Zustand in Form gebracht, und nach dem Trocknen handbemalt.
Papierfahnen aus Zellstoff eines Papiertaschentuches, mit verdünntem Holzleim eingestrichen, im noch feuchten Zustand in Form gebracht, und nach dem Trocknen handbemalt. Es handelt sich um französischedragons à pied“ auf ihrem Weg nach Ulm 1805, wo sie im Oktober des Jahres mit Beutepferden wieder beritten gemacht und in ihre Stammeinheiten eingereiht werden konnten; diese 15 mm großen, antiken Zinnfiguren von Minifigs wurden mit Acrylfarbe von Heritage in dem damals für Zinnfiguren revolutionären „Stain Painting“-Verfahren bemalt.
Selbstgemalte Fahne des Regiment Anhalt und Fahnen-Decals, 40 mm Zinnbrigade Schildkröt 4043.
Herzoglich Anhaltische Fahne, handgemalt, und entsprechende Decals von Schildkröt.

Eine realistisch konstruierte Modellfahne muss also mehr oder weniger stark geneigt sein, abhängig vom der angenommenen Windstärke und der Neigung der Fahnenstange durch den Fahnenträger. In der Praxis hat sich ein Neigen der Fahne um 20 bis 25 Prozent gut bewährt. PhotoShop und vergleichbare Bildbearbeitungsprogramme verfügen zu diesem Zweck über das Werkzeug „Bild -> Transformieren -> Neigen“, mit dessen Hilfe eine rechteckige Fahne blitzschnell in ein Parallelogramm verwandelt werden kann. Am einfachsten gelingt dies, indem die Vorderseite der Fahne geneigt, anschließend kopiert, und die Kopie horizontal gespiegelt wird. Die gespiegelte Kopie der Vorderseite dient nun entweder als fertige Rückseite, wie dies bei vielen historischen Seidenfahnen der Fall ist, deren Vorderseite von der Rückseite gespiegelt sichtbar ist, oder sie dient als Vorlage für das Neigen der tatsächlichen Rückseite. Vorder- und Rückseite müssen exakt gleich geneigt sein, damit sie beim späteren Montieren der Fahne perfekt übereinander liegen.

Fahnenträger.

Ein weiterer typischer Konstruktionsfehler von Modellfahnen ist, dass ihnen das Stück Tuch zwischen Vorder- und Rückseite fehlt, also die Tülle oder die Schlaufen, mit denen die Fahne auf die Fahnenstange geschoben und angenagelt wird. Diese Tülle besteht meist aus einem anderen, reißfesteren Stoff als die Fahne selbst, und sie unterscheidet sich oft auch farblich vom Fahnentuch. Beim Konstruieren der Modellfahne müssen wir die Tülle zwischen Vorder- und Rückseite so einplanen, dass sie die Fahnenstange später vollständig umschließt. Nehmen wir eine Fahnenstange mit 45 mm Durchmesser (d) im Original an, so entspricht die Stoffbreite der Tülle dem Umfang der Fahnenstange (π × d), also 141,37 mm. Für eine Fahne im Maßstab 1:72 benötigen wir demnach eine 1,96 mm breite Tülle, die wir zwischen Vorder- und Rückseite einfügen, vorausgesetzt, unsere 1:72-Figur führt eine maßstabsgetreue, nur ca. 0,6 mm dicke Fahnenstange. Fällt die Fahnenstange unrealistisch dick aus, muss die Tüllenbreite entsprechend angepasst werden, was aber nicht schön aussieht: ein Telegrafenmast bleibt eben immer ein Telegrafenmast, selbst wenn er eine hübsche Fahne trägt.

Beim Befestigen der Fahne an der Fahnenstange gibt es verschiedene Möglichkeiten. Viele handelsübliche Papierfahnen sind auf selbstklebendes Etikettenpapier gedruckt, wodurch das Anbringen der Fahne einfach und sicher vonstatten geht. Leider lässt sich dieses Papier aber nicht schön verformen, weil der Kleber zwischen den Papierschichten flexibel bleibt. Mit Holzleim verklebt, härtet die Papierfahne nach wenigen Minuten gut aus und behält die flatternde Form, die man mit zwei glatten runden Stiften oder Pinselschäften vorsichtig hineingearbeitet hat. Diese Methode birgt allerdings das Risiko, dass zu dick aufgetragener Holzleim beim Zusammenpressen und Formen der Fahne an den Rändern herausquillt und auf das Fahnenblatt gelangt. Es empfiehlt sich daher, die Fahne innen hauchdünn, aber flächendeckend, mit etwas verdünntem Holzleim einzupinseln, damit sich keine Klebstoffpfützen bilden, die später austreten oder, schlimmer noch, Hügel und scharfe Falten im Fahnentuch bilden.

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