Wilhelm I., Fürst von Oranien-Nassau

Wilhelm I., Fürst von Oranien-Nassau, Standbild von Charles van der Stappen.

Wilhelm I., der Schweiger, Graf von Nassau, Prinz von Oranien, Gründer der niederländischen Unabhängigkeit, geb. 25. April 1533 auf Schloss Dillenburg in der Grafschaft Nassau, gest. 10. Juli 1584 in Delft, war der älteste Sohn des Grafen Wilhelm des Ältern von Nassau, erbte 1544 von seinem kinderlosen Vetter René von Nassau das Fürstentum Orange (Oranien) in der Provence und kam frühzeitig als Page an den Hof Karls V. Der Kaiser begünstigte den jungen Prinzen auf alle Weise: er vermählte ihn 1551 mit der reichen Erbin Anna van Buren (gest. 1558), übertrug ihm im Kriege gegen Frankreich den Oberbefehl über seine Armee, hielt, auf seine Schulter gestützt, 1555 bei seiner Abdankung die Ansprache an die Generalstaaten, ließ durch ihn Ferdinand I. die Kaiserkrone überbringen und empfahl ihn bei seiner Abreise nach Spanien seinem Nachfolger Philipp II., der auch Wilhelm zum Mitglied des Staatsrats in Brüssel und zum Statthalter von Holland, Zeeland, Utrecht und Franche-Comté ernannte. Doch hegte Philipp von Anfang an gegen Wilhelm Argwohn, während dieser, seit 1561 mit Anna, der Tochter Moritz‘ von Sachsen, vermählt, gegen die Politik Philipps mehr und mehr in Opposition trat.

Der übermächtige Einfluss des Kardinals Granvella bewog Wilhelm und die Grafen Egmond und Hoorne, dem König schriftliche Vorstellungen zu machen und 1563 einen geheimen Bund (»Ligue«) zu schließen. Philipp rief 1564 den verhassten Minister zurück, worauf Wilhelm wieder eifrig am Staatsrat teilnahm und durch Milde und Mäßigung die Ruhe in den Niederlanden herzustellen riet. Am Kompromiss nahm er nicht öffentlich teil und zog sich, als die Bewegung zunahm, nach Breda zurück. Nach dem Bildersturm 1566 stellte er in Antwerpen, wo er das Amt eines Burggrafen bekleidete, sowie in Utrecht und Holland die Ruhe wieder her. Als er erfuhr, dass Alba zum Statthalter bestimmt sei, legte er seine Ämter nieder und begab sich, nachdem er noch eine Zusammenkunft mit Egmond gehabt, der seine Warnungen in den Wind schlug, im April 1567 nach Dillenburg. Wilhelms 13jährigen Sohn Philipp Wilhelm, der in Löwen studierte, nahm Alba gefangen und schickte ihn als Geisel nach Spanien, wo er streng katholisch erzogen und seiner Familie und seinem Vaterland entfremdet wurde. Wilhelm selbst wurde vor den Rat der Unruhen geladen und seine Güter konfisziert.

Wilhelm bekannte sich nun zum lutherischen Glauben und rüstete sich zum Kampf. Seine Brüder Ludwig und Adolf drangen an der Spitze eines Heeres in Friesland ein und schlugen den Statthalter Frieslands, Aremberg, 23. Mai 1568 zu Heiligerlee in Groningen, wobei Adolf blieb. Aber die beiden anderen, in Artois und Brabant einfallenden Heerhaufen wurden von den Spaniern bald überwältigt, und auch Ludwig unterlag 21. Juli bei Jemmingen gegen Alba. Wilhelm selbst hatte ein Heer von 14.000 Mann geworben, drang im September in Brabant ein, vermochte aber weder Alba zu einer entscheidenden Schlacht noch das Volk zum allgemeinen Aufstand zu bewegen und musste aus Geldmangel die Truppen entlassen. Mit 1200 Reitern schloss er sich dann dem Zuge des Pfalzgrafen Wolfgang von Zweibrücken gegen die katholische Partei in Frankreich an, zog aber vor der Schlacht bei Montcontour 1569 wieder nach Dillenburg. Indessen gab er die Sache der Niederländer nicht auf. 1568 schon stellte er sich mit den Meergeusen in Verbindung. Der Aufstand von 1572 wurde von ihm vorbereitet. Er unternahm im August mit einem neuen Heer von 24.000 Mann einen abermaligen Einfall in Brabant; allein die versprochenen französischen Hilfstruppen blieben infolge der Pariser Bluthochzeit aus, und er selbst konnte Alba zu keiner Feldschlacht nötigen. Mit großem Verlust musste er sich bei Beginn des Winters nach Roermond zurückwenden und seine Truppen entlassen. Er begab sich nun nach Holland, wo er im Juli 1572 von den Staaten in Dordrecht als Führer anerkannt worden war. Er hatte hier eine mühevolle Zeit, in der er sich als ein großer Staatsmann und Feldherr zeigte.

1573 schloss er sich dem Calvinismus öffentlich an. 1574 eroberte er Geertruidenberg und Middelburg, die Hauptstadt von Zeeland, und entsetzte 3. Okt. des Jahres Leiden. Nach der Meuterei der spanischen Armee und der »spanischen Furie« in Antwerpen erlangte Wilhelm auch endlich durch die Genter Pazifikation (im November 1576) sein lang erstrebtes Ziel: die Einigung der gesamten Niederlande gegen Spanien. Die Milde, mit welcher der neue spanische Statthalter, Don Juan d‘Austria, anfänglich auftrat, hatte zwar das Friedensedikt (»Ewige Edikt«) von 1577 zur Folge; als aber der junge und absichtlich gereizte Don Juan sehr bald gegen das Edikt handelte. wurde Wilhelm von den Ständen zu Hilfe gerufen und unter dem Jubel des Volkes in Brüssel zum Ruwart von Brabant erwählt. Doch musste er, um den Neid der Großen zu beschwichtigen, die Wahl des Erzherzogs Matthias von Österreich zum Generalstatthalter dulden (Ende 1577), während er faktisch die Leitung der Staatssachen behielt. Als der Sieg der Spanier bei Gembloux (31. Jan. 1578) und das kluge Benehmen des neuen Statthalters Alexander von Parma der spanischen Herrschaft aufs neue Vorschub leisteten, schloss er durch seinen Bruder Johann 23. Jan. 1579 zwischen den nacheinander zutretenden nördlichen Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland und Friesland, Overyssel und Groningen die berühmte Union zu Utrecht, durch die der Grund zur Republik der Vereinigten Niederlande gelegt wurde.

Wilhelm I., Fürst von Oranien-Nassau.
Standbild Wilhelms I., Fürst von Oranien-Nassau, vor dem Nassauer Landesdom, der neugotischen Marktkirche in Wiesbaden

1580 wurde Wilhelm von Philipp II. in die Acht erklärt, wogegen er die denkwürdige »Apologie des Prinzen von Oranien« veröffentlichte. Mordanschläge auf ihn folgten, vornehmlich im März 1582. Einsichtig ordnete er sich dem Herzog Franz von Anjou unter, den die Staaten zum Protektor erwählten, um sich Frankreichs Hilfe zu sichern. Nach dessen Missgriffen von 1583 würde er vielleicht zum Monarchen eines unabhängigen Staates der nördlichen Niederlande ernannt worden sein, wenn er nicht 10. Juli 1584 in Delft von einem fanatischen Katholiken, Balthasar Gérard, meuchlings erschossen worden wäre. Er ward in Delft beigesetzt. Wilhelm verband mit angenehmem Äußeren große Liebenswürdigkeit im Umgang, scharfen Verstand, Staatsmannsblick, Festigkeit des Charakters, starke Neigung zu religiöser und politischer Freiheit mit hinreißender Beredsamkeit in Wort und Schrift. Er war viermal verheiratet; von seiner zweiten Gemahlin, Anna von Sachsen, trennte er sich wegen ihres Irrsinns, nachdem sie ihm mehrere Töchter und den Grafen Moritz von Nassau (später »Prinz von Oranien«) geboren. 1576 vermählte er sich wieder mit Charlotte von Bourbon (gest. 1582), Tochter des Herzogs Ludwig von Montpensier, die ihm sechs Töchter gebar, endlich 1583 mit Luise, der Tochter des Admirals Coligny (gest. 1620), aus welcher Ehe Friedrich Heinrich von Nassau, später Prinz von Oranien, hervorging. Sein Denkmal von Stappen (auf dem kleinen Zavelplatz in Brüssel) s. Tafel »Bildhauerkunst XX«, Fig. 1; zwei andere im Haag, ein drittes seit 1907 in Berlin.

Bibliographie

  • »Oorspronkelyke verhalenen gelyktydige berichten van den moord gepieegd aan Prins Willem van Oranje« (hrsg. von Frederiks, Haag 1884)
  • Gachard, Correspondance de Guillaume le Taciturne (Brüss. 1847–66, 6 Bde.)
  • Groen van Prinstarer: Archives de la Maison d'Orange-Nassau (1. Serie, Leid. 1835–38, 5 Bde.)
  • Harrison: William the Silent (Lond. 1897; holländ., Haag 1898)
  • Heyck: Wilhelm von Oranien und die Entstehung der freien Niederlande (Bielef. 1908).
  • Juste: Guillaume le Taciturne (Brüss. 1873)
  • Klose: Wilhelm I. von Oranien, der Begründer der niederländischen Freiheit (Leipz. 1864)
  • Putnam: William the Silent (Lond. 1895, 2 Bde.; holländ., Haag 1897)
  • Rachfahl: Wilhelm von Oranien und der niederländische Aufstand (Halle 1906 bis 1907, Bd. 1 u. 2)

Figuren des Achtzigjährigen Krieges, 1568–1648