Klaus Störtebeker
Klaus Störtebeker, Anführer der Vitalienbrüdern. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt er aus Wismar, wo der Name Störtebeker mehrfach vorkommt und im Jahre 1380 ein Nicolaus Störtebeker urkundlich bezeugt ist. Die Städte Rostock und Wismar hatten schon seit 1375 ihre Landesherren im Kampf um die Reiche Schweden und Dänemark zur See tatkräftig unterstützt; als dann 1389 König Albrecht von Schweden in die Gefangenschaft seiner Gegnerin Margaretha von Norwegen gefallen und nur Stockholm noch im Besitz der Mecklenburger geblieben war, boten sie zur Versorgung der von den Feinden eng umlagerten Stadt mit Lebensmitteln und Kriegsbedarf, und zur Schädigung der feindlichen Streitmacht, Scharen verwegener Gesellen auf, denen sie ihre Häfen als Zufluchtsort und Markt für die gemachte Beute öffneten.
Unter den mit Namen bekannten Anführern dieser nach ihrem Hauptzweck, der Verproviantierung Stockholms, Vitalienbrüder genannten Scharen finden sich zahlreich Glieder alter Adelsfamilien Mecklenburgs, Pommerns und der Mark, die Fehdelust und Hoffnung auf reiche Beute auf die See führte; Störtebeker ist nicht unter ihnen. Erst als nach der Befreiung König Albrecht’s 1395 der allerdings wohl überwiegende Teil der Vitalienbrüder sich der notdürftig wiederhergestellten Ordnung nicht fügen wollte und die alten Zufluchtsstätten meiden musste, treten Gödeke Michels und neben ihm Klaus Störtebeker, Magister Wigbold und Wichmann als Führer hervor. Diese verlegten den Schauplatz ihrer Taten in die Nordsee, wo sie bei den ostfriesischen, in unaufhörlichen Kämpfen sich befehdenden Häuptlingen Unterschlupf fanden, und wenn sie gleich vorzüglich fremde Fahrzeuge, besonders englische, überfielen, so war doch auch kein hansisches Schiff vor ihren Raubgelüsten sicher.
Im Jahre 1400 rüsteten daher die Hansestädte eine Flotte gegen sie aus, doch ehe diese noch zum Auslaufen kam, hatten die Hamburger und Lübecker vereint schon einen Sieg über die Vitalienbrüder davongetragen, der sie nötigte, teils in Norwegen, teils in Holland Schutz zu suchen. Unter den Anführern der letzteren wird ein Johann Störtebeker genannt, wohl ein Verwandter des Klaus, nicht dieser selbst; die ersteren führte Gödeke Michels, bei dem sich auch Klaus Störtebeker befunden haben wird, da von 1394 an beide stets zusammen genannt werden, doch so, dass Gödeke Michels immer die erste Stelle einnimmt. Im Frühjahr 1401 liefen wiederum bewaffnete Schiffe unter der Anführung der Hamburger Ratsherren Nicolaus Schoke und Hermann Lange aus der Elbe aus, trafen bei Helgoland mit den Vitalienbrüdern unter Störtebeker und Wichmann zusammen, und brachten ihnen eine vollständige Niederlage bei. Gegen 40 kamen im Kampf um, der Rest mit den beiden Anführern, etwa 70 Mann, wurde gefangen, mit dem eroberten Schiff Störtebeker’s nach Hamburg gebracht und Ende Oktober hingerichtet. Gödeke Michels und Wigbold mit 80 Gefährten ereilte kurz darauf das gleiche Schicksal.
Das ist es, was die Geschichte von Störtebeker berichtet; viel mehr weiß Sage und Dichtung von ihm zu erzählen. Von Holland bis nach Rügen hin und noch weiter kennt das Volk Störtebekerhäfen, Störtebekerburgen, Störtebekerkeller und Störtebekerhöhlen mit verborgenen Schätzen, das Lied vom Störtebeker ist Jahrhunderte hindurch eins der beliebtesten Volkslieder geblieben, in dessen Ton noch eine ganze Reihe anderer gedichtet und gesunden wurden (die Weise ist erst 1887 von J. Bolte wieder aufgefunden worden), und die romantische Poesie zählt den berüchtigten Seeräuber und Schrecken der Engländer wie der Hansen zu ihren Lieblingshelden.
Walther meint, dass Störtebeker sein Hervortreten in der Volksüberlieferung wohl nicht zum wenigsten seinem als „Becherstürzer“ gedeuteten Namen (richtiger zu deuten als „Deckelbecher“, vielleicht nach dem Wappen oder Hauszeichen; ein Hamburger Söldner Hermen Störtebeker um 1439 führte ein Trinkhorn im Siegel) zu danken habe, da das Volk seinen Helden gerade diesen Zug mit Vorliebe beilege. Gewiss mag das zu seiner Volkstümlichkeit beigetragen haben, nicht weniger aber das Volkslied, in dem Störtebeker voransteht, so dass der schnell beliebt gewordene Ton nun allein seinen Namen trug. Auch das unter Störtebeker’s Namen umlaufende Portrait ist apokryph, indem es ursprünglich Kunz von der Rosen, den lustigen Rat Kaiser Maximilian’s I., vorstellt.
Bibliographie
- Bents, Harm: Störtebeker. Dichtung und Wahrheit (Norden, 2003)
- Frahm und Sundermann, Klaus Störtebeker in Sang und Sage (Hamb. 1885)
- Kaufmann, Reiner: Klaus Störtebeker der Pirat (Essen 2004)
- Liliencron, Rochus Freiherr von: Allgemeine deutsche Biographie (Bd. 36, Leipz. 1893)
- Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909
- Puhle, Matthias: Die Vitalienbrüder. Klaus Störtebeker und die Seeräuber der Hansezeit (Frankfurt/M. 1994)
Quelle: Rochus Freiherr von Liliencron