Podolien

Podolien (»Niederland«), [ehem.] Gouvernement in Westrussland, heute südwestliche Ukraine und nördliches Transnistrien, grenzt im Norden an das Gouvernement Wolynien, im Osten an Kiew, im Süden an Cherson und Bessarabien (durch den Dnister davon getrennt), im Westen an Österreich (Galizien) und umfasst 42.018,5 km² (762,85 mi²). Das Land, das zu den fruchtbarsten Teilen des russischen Reiches gehört, bildet einen gegen den Dnister von Norden nach Süden sich sanft abdachenden Landrücken, der die Stromgebiete des Bug und Dnister scheidet, und wird von einigen niedrigen Hügelreihen durchzogen; im Süden dehnt sich eine Sandsteppe aus. Das Klima ist mild und gesund, die Jahrestemperatur +9,05°. Die Hauptflüsse sind: der Bug und der Dnister. Podolien hat (1897) 3.031.513 Einwohner (72 auf 1 km²), darunter über 80 Prozent Ukrainer, ca. 4 Prozent Polen, ca. 3000 Deutsche (im Kreis Jampol). Der Konfession nach, zählte man 78,2 Prozent Griechisch-Orthodoxe, 12,2 Prozent Juden, 8,4 Prozent Katholiken. Haupterwerbszweig ist der Ackerbau. Vom Areal entfallen auf Ackerland 70,9 Prozent, auf Wald 11,7 Prozent, auf Wiesen und sonstiges Nutzland 12,5 und auf Unland 4,8 Prozent. Die Ernte lieferte 1902: 795.000 t Weizen, 452.800 t Roggen, 366.070 t Hafer, 211.400 t Gerste, 201.000 t Mais, 43.800 t Erbsen, 41.300 t Buchweizen, ferner 182.984 t Zuckerrüben und 5061 dz Tabak. An Vieh zählte man 1902: 520.000 Pferde, 579.000 Rinder, 775.000 meist grobwollige Schafe, 480.000 Schweine, 12.000 Ziegen. Der Boden liefert außer Granit, Gips, Kalk- und Sandstein namentlich Phosphorite, von denen 1901: 14.100 t gewonnen wurden. Die Industrie ist im allgemeinen schwach entwickelt. Man zählte 1901: 5233 gewerbliche Betriebe mit 32.183 Arbeitern und einem Produktionswert von 41,3 Mill. Rubel. Darunter stehen 51 Zuckerfabriken, die für 32,8 Mill. Rubel produzierten, an erster Stelle. Der Rest entfällt auf Mühlen, Branntweinbrennereien und Tabakfabriken. Das Gouvernement wird in zwölf Kreise eingeteilt: Balta, Brazlaw, Gajssin, Jampol, Kamenez-Podolsk, Létitschew, Litin, Mohilew, Nowaja-Uschiza, Olgogol, Proskurow, Winniza, Hauptstadt ist Kamenez-Podolsk.

In alten Zeiten gehörte Podolien zu den altrussischen Teilfürstentümern, wurde aber im 14. Jahrhundert von den Litauern und Polen erobert. Bei der ersten Teilung Polens (1772) fiel ein kleiner (westlicher) Teil der Woiwodschaft Podolien an Österreich, bei den späteren Teilungen von 1793 und 1795 der übrige Teil an Russland, worauf Katharina II. 1796 denselben mit der Woiwodschaft Brazlaw vereinigte und das gegenwärtige Gouvernement Podolien bildete.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

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