Preußischer Generalmajor Friedrich Wilhelm Freiherr von Seydlitz-Kurtzbach
Generalmajor von Seydlitz, in Kürassieruniform, neben seinem obersten Feldherrn, Friedrich dem Großen, und Generalleutnant von Zieten. Die 15 mm Zinnfiguren von Old Glory sind auf einen Wargame-Stand montiert, der in Simulationsspielen den Armeekommandeur und seinen Generalstab darstellt.
Figuren
- F.W. v. Seydlitz, 1:15 Puchalla 7003
- Generalmajor Friedrich Wilhelm von Seydlitz, 1:32 First Legion SYW031
- Generalmajor Friedrich Wilhelm von Seydlitz, 40 mm Creartec 40804
- Generalmajor Friedrich Wilhelm von Seydlitz, 28 mm Front Rank Figuren SYPP2
- Generalmajor Friedrich Wilhelm von Seydlitz, 15mm Old Glory
Friedrich Wilhelm Freiherr von Seydlitz-Kurtzbach, königlich preußischer General der Kavallerie, einer der größten, vielleicht der größte Reiterführer aller Zeiten, wurde am 3. Februar 1721 zu Kalkar im Herzogtum Kleve, wo sein Vater, damals Rittmeister im Kürassierregiment Markgraf Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt Nr. 5, auf Werbung stand, geboren. Derselbe kam später nach Schwedt zurück, verließ 1726 mit dem Charakter als Major den Heeresdienst, ward Forstmeister in Ostpreußen, starb 1728 und hinterließ seine Witwe, eine geborene von Ilow, in sehr beschränkten Verhältnissen. Sie zieht mit ihren drei Kindern nach Freienwalde an der Oder, wo der älteste Sohn Friedrich Wilhelm die Schule besucht bis ihn, als er dreizehn Jahre alt ist, der genannte Markgraf als Pagen zu sich nach Schwedt nimmt. Der Knabe muss seine Schulzeit gut genutzt haben, wenigstens hat er während derselben den Grund zu einer wissenschaftlichen Bildung gelegt, welche die der Mehrzahl seiner gleichaltrigen Standesgenossen überragt. Er versteht französisch zu sprechen und zu schreiben und kennt die französische Litereatur, liebte aber die Sprache nicht und bediente sich ihrer ungern, schreibt das Deutsche mit schöner fester Hand ungewöhnlich richtig, in gut gebildeten Sätzen und mit treffendem Ausdruck, und weiß genug Lateinisch, um alle vorkommenden Redensarten und Bezeichnungen erklären zu können.
Daneben hat seine Mutter die in der Kinderseele liegenden Keime wohlwollender Menschenliebe, der Achtung für die Religion und des Sinnes der Wahrheit und Ehre, Treue und Freundschaft sorgsam gepflegt und schön entwickelt. Der Aufenthalt am Hofe des „wilden Markgrafen“, eines Enkels des Großen Kurfürsten und Sohnes des um die brandenburgisch-preußische Artillerie hochverdienten Markgrafen Philipp Wilhelm, dient dazu des Pagen Unternehmungsgeist zu wecken, Geistesgegenwart und eine jegliche Gefahr verachtende Kühnheit zu den Grundzügen seines Verhaltens in allen Lebenslagen zu machen. Auch erwirbt er hier jene vollendete Meisterschaft in der Beherrschung des Pferdes, welche alle Kavalleristen entzückt und einen Händler, der ihn, als Seydlitz Rittmeister ist, in bürgerlicher Tracht auf einem Rossmarkt trifft, zum Anerbieten hohen Lohnes veranlasst, wenn Jener einwillige sein Bereiter zu werden. Seine Anstelligkeit bei allen körperlichen Übungen und seine Lust an keckem Wagen gewinnen ihm bald die Zuneigung des Fürsten, welcher selbst in diesen Dingen außerordentliches leistet, und bewirken, dass derselbe ihn zu seinem täglichen Genossen bei den tollkühnen Ritten und Fahrten macht, die sein eigenes Ergötzen bilden.
Mag auch Manches, was in dieser Beziehung erzählt wird, auf Übertreibung oder auf Erfindung beruhen, so ist doch Vieles tatsächlich wahr, wie das Durchreiten laufender Windmühlenflügel, welches Seydlitz noch in späteren Jahren vor zahlreichen Augenzeugen ausgeführt hat. In seiner Stellung als Page bleibt Seydlitz bis König Friedrich Wilhelm I. ihn am 13. Februar 1740 zum Kornett in des Markgrafen Kürassierregiment ernennt. Er kommt nach Belgard in Garnison, wo ihn der Regimentskommandeur Oberst von Rochow, welcher von den in Schwedt getriebenen „Allotrias“ nichts wissen will, in eine strenge Schule nimmt. Aber nicht für lange Zeit. Denn schon Anfang des Winters 1740/41 rückt das Regiment, und mit ihm Seydlitz, in den Krieg nach Schlesien.
Von seinen dortigen Erlebnissen ist nur das letzte bekannt. Es besteht in einem Fußgefecht und in seiner Gefangennahme. Führwahr ein seltsamer Beginn für die Ruhmeslaufbah eines Seydlitz. Es ist am 20. Juni 1742. Oberst v. Rochow hat ihn von dem Städtchen Kranowitz aus mit 30 Kürassieren entsandt, um ein vor den Quartieren des Regiments an der von Ratibor nach Troppau führenden Straße liegendes Dorf, vermutlich Strandorf, welches den Zugang sperrt, zu besetzen. Als er anlangt, wird er gewahr, dass der Feind von mehreren Seiten gegen ihn im Anmarsch ist und dass ihm nichts übrig bleibt, als sich im Dorf auf das äußerste zu verteidigen. Er dart hoffen, dass herbeieilender Entsatz ihn befreien wird, und kann, da steile Wände Dorf und Straße einengen, bei der großen Überlegenheit seiner Gegner nicht darauf rechnen, dass er zu Pferde entkommen würde. Er lässt die Pferde koppeln und sieht mit dem Karabiner in der Hand dem Angriffe entgegen. Derselbe lässt nicht auf sich warten. Länger als eine Stunde erwehrt Seydlitz sich seiner Bedränger. Mehrere der Seinen sind tot oder verwundet, der Entsatz bleibt aus, der Schießbedarf geht zu Ende. Nur der Versuch sich durchzuschlagen bietet Aussicht auf Rettung. Die Kürassiere sitzen auf, Seydlitz ist im Begriff einen von ihm hergestellten Verhau zu überspringen. Da bricht sein Pferd, zu Tode getroffen, unter ihm zusammen. Der Feind wiederholt die von Seydlitz schon einmal abgelehnte Aufforderung sich zu ergeben. Jetzt willigt dieser ein, aber nur unter der Bedingung, dass ihm seine Waffen, den Kürassieren ihre Bekleidung und Ausrüstung verbleiben. Der feindliche Befehlshaber, der ihm seine Bewunderung nicht versagt, willigt ein und Seydlitz wird nach Raab abgeführt.
Aber nicht lange bleibt er der Freiheit beraubt. Noch bevor am 11. Juni der Friede zu Breslau geschlossen ist befiehlt der König ihn auszuwechseln. Statt seiner, des Kornetts, gibt er den Österreichern einen gefangenen Rittmeister zurück. Beim Heer angelangt, erhält Seydlitz den Befehl sich beim König zu melden, welchem er über den ganzen Vorfall genauen Bericht erstatten muss. Friedrich entlässt ihn darauf mit allen Merkmalen seiner königlichen Gnade und verliert ihn fortan nicht aus den Augen. Nach einer im Frühjahr 1743 bei Stettin abgehaltenen Spezialrevue ernennt er ihn am 23. Juli zum Rittmeister bei dem in Schlesien stehenden Husarenregiment v. Natzmer Nr. 4. Dass er seine Beförderung dem Sprunge von einer Brücke in einen Fluss zu danken gehabt habe, wodurch er dem König den Beweis geliefert hätte, dass ein Reitersmann, der noch sein Pferd unter sich habe, sich nie ergeben dürfe, ist eine Fabel; es ist durchaus unerwiesen, dass Seydlitz jemals ein solches Stück ausgeführt hat.
Seine Garnison wird das Städtchen Trebnitz. Die Husaren sind damals im preußischen Heere eine neue Truppe, sie sind Anfänger und haben sich bisher den gleichnamigen leichten Reitern der Österreicher keineswegs gewachsen erwiesen. Der König hat sich aber vorgenommen, aus ihnen etwas zu machen. Dazu bedarf es tüchtiger Männer. Sein Adlerblick hat in Seydlitz einen solchen erkannt. Als er im nächsten Jahr die Trebnitzer Schwadron besichtigt, überzeugt er sich, dass er den rechten Griff getan habe. Auf der anderen Seite ist der husarische Dient eine treffliche Schule für Seydlitz, der zweite schlesische Krieg gibt ihm bald Gelegenheit Zeugnis davon abzulegen. Im August 1744 rückt der König in Böhmen ein, nimmt Prag und verlegt dann den Kriegsschauplatz nach dem Süden des Landes. Generalleutnant Graf Nassau führt die Vorhut, bei der sich die vom Major v. Schütz (s. d.) befehligten Natzmer-Husaren befinden. Des Rittmeisters v. Seydlitz Wohlwollen gegen Jedermann und seiner Sitte Freundlichkeit werden oft genug im Gegensatz gestanden haben zu seines Kommandeurs roher Sinnesart und dessen gewalttätiger Härte. Aber Fortuna hat den preußischen Waffen den Rücken gekehrt und die winterliche Heimkehr nach Schlesien vollzieht sich unter schweren Verlusten.
Desto besser geht es 1745. Jetzt wird auch der Name Seydlitz wieder genannt. Zum ersten Male äußert letzterer einen Einfluss auf die Gefechtsweise der Kavallerie und auf die für die Waffe maßgebenden taktischen Formen. Wahrnehmungen, welche er gelegentlich eines am 21. Mai bei Reichhennersdorf gelieferten Gefechtes gemacht hat, überzeugten ihn von der Gefährlichkeit des Rückwärtssammelns ausgeschwärmter Plänkler bei den geschlossenen Unterstützungstrupps (Soutiens), und dass es vorteilhafter sei, letztere den Plänklern entgegenzuführen und diese sich ihnen anschließen zu lassen. Sein Vorschlag wird dem König unterbreitet und dieser erhebt das Verfahren zur Vorschrift. Nach einem bei Landeshut am 22. Mai rühlichst bestandenen Gefecht berichtet Winterfeld, ein Menschenkenner, dem König: „Haben auch gewiss Ew. Majestät an dem Rittmeister v. Seydlitz einen Offizier der nicht zu verbessern ist“, und bei Hohenfriedeberg, am 4. Juni, nimmt er den sächsischen General v. Schlichting, nachdem er ihm die Zügel zerhauen hat, persönlich gefangen.
Am 28. Juli wird er zum Major befördert, behält aber seine Eskadron und leistet mit dieser am 30. September bei Soor vortreffliche Dienste, indem er vor der Schlacht die Aufstellung des Feindes erkundet und dann mit Auszeichnung am Kampf teilnimmt, wobei er durch einen Karabinerschuss am Arm verwundet wird. Auch in dem siegreichen Treffen bei Katholisch-Hennersdorf am 23. November, welches ihm den Nutzen des Vorhandenseins einer geschlossenen Rückhaltstruppe bei den Wechselfällen des Reitergefechts überzeugend vor Augen führt, ist er zur Stelle. Den Schluss seiner Tätigkeit in diesem Feldzug machte ein glückliches Gefecht bei Zittau am 27. November, ein Überfall der feindlichen Nachhut, wobei er 15 Schwadronen befehligt. Die gegenüberstehenden Österreicher unter Graf Burghauß werden zersprengt und fast ganz aufgerieben.
Nachdem am 25. Dezember zu Dresden Friede geschlossen ist, kehrt Seydlitz mit seiner Schwadron nach Trebnitz zurück. Hier lebt er vor allem dem Dienste und fördert die Ausbildung seiner Husaren auf eine hohe Stufe, hier führt er die meisten der Schwänke und lustigen Streiche aus, von denen namentlich Barnhagen erzählt. Es stammt aus dieser Zeit aber auch die Auffassung, welche Seydlitz als einen Trinker und rohen Wüstling hat erscheinen lassen. Sie ist grundfalsch. Es ist dies am schlagendsten durch die Schilderung erwiesen, welche Warnery von seiner Persönlichkeit und seinem Leben in Trebnitz gibt, denn Warnery, sein Regimentskamerad, kannte ihn genau und war sonst wenig geneigt, das Verdienst Anderer anzuerkennen und sie zu rühmen. Am 21. September 1752 ernennt ihn der König nach einer glänzend ausgefallenen Revue zum Oberstleutnant und am 13. Oktober des nämlichen Jahres zum Kommandeur des Dragonerregiments Prinz Friedrich von Württemberg Nr. 12, dessen Stab zu Treptow an der Rega in Pommern steht. König Friedrich ist mit dem Regiment nicht zufrieden, Seydlitz solle es „wieder in ordre setzen“. Dieser hat dadurch den Vorteil, dass er auch die dritte der im Heere bestehenden Reitergattungen kennen lernt. Er muss die ihm übertragene Aufgabe rasch gelöst oder es müssen andere Gründe vorgelegen haben, denn schon am 28. Februar 1753 versetzt ihn der König in gleicher Eigenschaft zum Kürassierregiment v. Rochow Nr. 8 mit der Stabsgarnison Ohlau in Schlesien, welches bald ein Musterregiment wird.
Da kommt der Siebenjährige Krieg. Seydlitz war am 9. Juli 1755 zum Oberst ernannt worden. Die nächsten Jahre sollten ihn die höchste Stufe des Ruhmes erreichen lassen, ihm einen Namen verschaffen, dessen Klang unvergänglich ist. Die erste Schlacht, an welcher er Teil nimmt, ist die am 1. Oktober 1756 bei Lobositz geschlagene. So wenig glücklich sie für die unter Geßler gestellten Reiterregimenter, zu denen die Rochow-Kürassiere gehören, ausfällt, so lehrreich wird sie für Seydlitz gewesen sein. Der zweiten, der Schlacht bei Prag am 6. Mai 1757, musse er als müßiger Zuschauer beiwohnen. Auf seine Bitte ist er während des Einmarsches in Böhmen der von Zieten befehligten Vorhut zugewiesen. Es ist nicht üblich Kürassiere bei derselben zu verwenden; Seydlitz will zeigen, dass die seinen dort sehr wohl zu gebrauchen seien. Der König freut sich des Tatendranges und genehmigt die Bitte und Seydlitz beweist, dass er der übernommenen Aufgabe vollkommen gewachsen sei. Bei Prag gehört er zu der Truppenabteilung, welche auf dem linken Moldauufer steht und bestimmt ist, nach Überschreiten des Flusses dem Feind in Flanke und Rücken zu fallen. Als die Wagen, welche das zum Brückenschlagen erforderliche Gerät bringen sollten, ausbleiben, versucht er den Fluss zu durchreiten. Es hieß, der Treibsand mache es unmöglich, daher will Seydlitz sich selbst überzeugen. Aber das Pferd versinkt sofort, fast kommt der Reiter im Fluss um. Mit genauer Not wird er gerettet und untätig musse er zusehen, wie drüben die preußischen Husaren die feindlichen Reiter verfolgen.
Sechs Wochen später ist am 18. Juni die Schlacht bei Kolin fast schon verloren, als Seydlitz, welcher zum ersten Male an der Spitze einer Brigade, aus seinen eigenen und Prinz von Preußen-Kürassieren Nr. 2 zusammengesetzt, steht, vom König Befehl erhält, die siegreich vorgehende österreichische Infanterie anzugreifen; Normann-Dragoner Nr. 1 schließen sich ihm an. Glänzend entledigt er sich des Auftrages. Zwei feindliche Reiterregimenter sind überritten, 1500 Schritt im langen Galopp zurückgelegt, beide Treffen des feindlichen Fußvolkes durchbrochen, sieben Fahnen erbeutet, da geraten die preußischen Reiter in ein mörderisches Geschützfeuer und gleichzeitig dringt österreichische Kavallerie auf sie ein. Sie fluten zurück. Seydlitz will das Regiment Preußen-Kürassiere, das er als zweites Treffen hat folgen lassen, zur Aufnahme und zur Herstellung des Gleichgewichtes vorführen, aber vergeblich sucht er das Regiment; ein Unbefugter hat es inzwischen anderweit verwandt und, als Seydlitz es gefunden hat, reißt geworfene preußische Kavallerie es mit sich fort. Seydlitz hat das Geschick des Tages nicht abwenden können, aber, indem er Zieten den Rückzug decken hilft, trägt er dazu bei, dass derselbe mit Würde und Anstand geschieht. Zwei Tage später dankt ihm der König dadurch, dass er ihn außer der Reihe zum Generalmajor befördert und ihm den Orden pour le Mérite verleiht. „Es war hohe Zeit, wenn noch etwas aus mir werden soll“, äußert der sechsundreißigjährige General gegen Zieten, welcher ihn beglückwünscht.
Ein hübsches Reiterstück, zu dessen Gelingen List und Entschlossenheit zusammenwirkten, vollführt Seydlitz, als er am hellen Mittage des 20. Juli 10 Schwadronen, welchen deren 40 feindliche den Weg verlegt zu haben meinten, kühn und glücklich aus der Stadt Zittau durch ihre Reihen hindurch führt; ein anderes, als er am 7. September dem König auf dem Marsch nach Thüringen den Weg durch die Stadt Pegau bahnt. Abgesessene Husaren bemächtigten sich des Ortes, im Galopp brausen Seydlitz’ Reiter durch die Straßen, werfen jenseits die hinter einem Hohlweg vorteilhaft aufgestellte österreichische Kavallerie und verfolgen diese bis Zeitz.
Durch kecken Handstreich setzt er sich am 19. September in den Besitz der Stadt Gotha, aus welcher er Franzosen und Reichstruppen verjagt, und nimmt dann mit seinen Offizieren an der für die feindlichen Heerführer, die Prinzen Soubise und Hildburghausen, gedeckten herzoglichen Tafel Platz. Der König schreibt über dieses „Avantgarden-Meisterstück“: „Jeder andere Offizier hätte sich Glück gewünscht, wenn er ohne Verlust aus einer so übelen Lage herausgekommen wäre; der Herr v. Seydlitz würde sich selbst nicht genug getan haben, wenn er nicht noch Vorteile gezogen hätte“. Dann macht dieser in dreizehn Tagen einen Ritt von 65 Meilen nach dem von Hadick heimgesuchten Berlin und zurück nach Leipzig. Als er in der Hauptstadt ankommt, sind die Österreicher auf die Nachricht vom Nahen preußischer Truppen abgezogen, nur einen Teil der Beute kann Seydlitz ihnen bei Königs-Wusterhausen abnehmen.
Es sind dies alles Vorspiele zu dem großen Schlage von Roßbach. Seydlitz, der jüngste Generalmajor, ist an die Spitze der gesamten preußischen Reiterei, 38 Schwadronen, gestellt. „Meine Herren, ich gehorche dem Könige, Sie gehorchen mir!“ sagt er den ihm unterstellten Generalen. Die Exekutivarmee, wie das feindliche Heer amtlich genannt wird, hat sich am Mittag des 5. November in Marsch gesetzt um die ihr gegenüber lagernde preußische zu umgehen und sie mit einem Schlag unschädlich zu machen. Mit aufmerksamem Auge beobachtet Seydlitz alle Maßregeln des Gegners. Als er den Augenblick für gekommen hält, lässt er auf eigene Verantwortung satteln. Dann befiehlt der König den Aufbruch. Durch einen Höhenzug den Blicken des Feindes entzogen, folgt das preußische Heer der Bewegung desselben, seinen Marsch seitlich begleitend. Als die Spitzen seiner Heeressäulen, 52 Schwadronen unter dem Herzog von Broglie, in der Höhe des die Gegend beherrschenden Janushügels angekommen sind, schwenken sie zum Angriff ein. Aber vom Hügel aus überschütten die dort aufgefahrenen preußischen Geschütze sie mit mörderrischem Feuer und in ihre Reihen brechen in vollem Rosseslauf die plötzlich auftauchenden Reiter. Beim ersten Kanonenschuss hat Seydlitz die letzteren einschwenken lassen, 15 Schwadronen im ersten, 18 im zweiten Treffen, 5 Eskadrons Husaren zur Deckung der linken Flanke. Im Marsch! Marsch! stürzen sie sich auf den Feind, wie ein entfesselter Waldstrom alles niederwerfend was sich ihnen in den Weg stellt. In wilder Flucht suchen Broglie’s Schwadronen Freyburg zu erreichen. Der Verfolgung macht Seydlitz bald ein Ende, denn noch ist die Arbeit nicht abgetan.
Es bleibt der Rest der feindlichen Heeresmacht zu bewältigen. Gegen diese hatte der König inzwischen 21 Bataillone in schiefer Schlachtordnung vorgehen lassen. Seydlitz, kaltblütig und überlegt, sammelt zunächst seine Schwadronen und gedenkt wohl die Erfolge der eigenen Infanterie abzuwarten bevor er zu neuem Angriff vorgeht. Da jagten zwei feindliche Reiterregimenter, ihm die Flanke bietend, zwischen der preußischen Kavallerie und der Infanterie der Verbündeten hindurch. Sofort stürzt sich Seydlitz, die Gelegenheit geschickt erfassend, auf sie, wirft sie auf ihr eigenes Fußvolk und richtete unter diesem große Verwirrung an. In diesem Augenblick wird er verwundet, eine Kugel hat seinen Arm getrofen, der Angriff gerät in Stocken und französische Kavallerieregimenter versuchen das Gefecht herzustellen, aber rasch ist Seydlitz verbunden und wieder im Sattel, von neuem führt er fünf Reiterregimenter vom linken Flügel zum Angriff vor und bald ist der Widerstand des Feindes vollständig gebrochen. Im Verein mit der Artillerie hat die Reiterei binnen zwei Stunden einen glänzenden Sieg erfochten. Von der Infanterie waren nur sieben Bataillone zum Feuern gekommen. Noch in der Nacht übersendet der König Seydlitz den Schwarzen Adlerorden, am 20. ernennt er ihn zum Generalleutnant und zum Chef des Kürassierregiments, dessen Kommandeur er bis dahin gewesen ist.
Seine Wunde ist an und für sich nicht bedeutend. Die Heilung derselben wird aber durch Krankheitsstoffe verzögert, deren Vorhandensein in seinem Körper eine Folge seiner stark sinnlichen Neigung für das andere Geschlecht ist. Bis zum Frühjahr 1758 musse er den Schauplätzen des Krieges fern bleiben, erst am Zuge nach Mähren darf er wieder Teil nehmen und im August marschiert er unter dem König gegen die Russen. In der Schlacht bei Zorndorf am 25. jenes Monats hat die seinen Befehlen unterstellte Kavallerie, 31 Schwadronen, die Heeressäule zu begleiten, welche den Hauptstoß gegen den rechten Flügel des Feindes führen soll. Bevor er den Augenblick zum Eingreifen für gekommen erachtet, will der König ihn zum Anreiten auf den Feind veranlassen. Mit seinem Kopf macht er Seydlitz dafür verantwortlich, wenn durch seine Schuld etwas verabsäumt würde. Dieser aber, eingedenk der vom König selbst gegebenen Vorschrift, dass die Kavallerie nicht übereilt attackieren solle, lässt antworten, dass sein Kopf nach der Schlacht dem König zu Gebot stände, bis dahin aber möge er ihm erlauben von demselben für seinen Dienst Gebrauch zu machen.
Die Gelegenheit bietet sich bald. Der Angriff ist gescheitert, die preußische Infanterie weicht, ihre Geschütze fallen in die Gewalt des Feindes, die russische Reiterei haut in die zurückflutenden Massen ein. Da überschreitet Seydlitz den Zabergrund, der ihn vom Feind trennt; vorsorglich hat er Übergänge über das sumpfige Gelände herstellen lassen. Jenseits gliedert er seine Reiter in drei Treffen, reitet zuerst die aufgelöste russische Kavallerie, dann die Infanterie nieder und macht der Widerstandskraft des feindlichen rechten Flügels ein Ende. Vor den geschlossenen Massen der Mitte aber macht er Kehrt, führt seine Scharen zurück und ordnet sie außerhalb des feindlichen Feuers von neuem. Kampfbereit steht er da, als der König seiner zum zweiten Male bedarf. Dieser hat inzwischen den rechten Flügel seiner Infanterie gegen den noch stehenden Teil der russischen Schlachtordnung vorgeführt. Aber auch dieser Angriff missglückt. Wiederum bringt die russische Kavallerie die preußische Infanterie zum Stocken und zum Weichen – da wirft abermals Seydlitz sein Schwert in die Waagschale des Sieges und bringt diese zu Gunsten der preußischen Waffen zum Sinken.
Er hat jetzt 61 Schwadronen unter seinen Befehlen. In drei Treffen geordnet führt er dieselben vor. Die russische Kavallerie nimmt den Angriff nicht an, sondern jagt zurück; die Infanterie und die Artillerie aber stehen fest und empfangen die Anstürmenden mit mörderischem Feuer. Doch unaufhaltsam bleiben diese in raschester Gangart im Vorgehen, dringen in die Reihen und beginnen ein furchtbares Blutbad anzurichten. Die Russen setzen verzweifelten Widerstand entgegen; erst die sinkende Sonne sieht das Ende des Gemetzels. Der Sieg ist ein vollständiger. Er ist Seydlitz zu danken. Der König erkennt es an, indem er noch am Abend der Schlacht, auf ihn zeigend, gegen den englischen Gesandten Sir Andrew Mitchell, wie er später mehrfach in Beziehung auf Seydlitz getan hat, äußerte: „Ohne diesen würde es schlecht aussehen“ und in gleichem Sinne schreibt Napoleon I.: „Tout était perdu, si l’intrépide Seydlitz avec son incomparable cavalerie et le coup d’oeil qui le distinguait, n’y eût porté remède“.
Dieser Scharfblick, die Kaltblütigkeit seiner Überlegung, sein richtiges Urteil, seine Kühnheit und Entschlossenheit, verbunden mit glänzender persönlicher Tapferkeit, großer körperlicher Gewandtheit und dem Geiste, welchen er seinen Untergebenen einflößte, waren die Quellen seiner Leistungen, die Ursachen seiner Größe. Seydlitz hat die Vorschriften, nach denen er handelte, nicht gegeben und die Formen, deren er sich bediente, nicht geschaffen; das hat der König getan; aber Seydlitz hat den Sinn jener Vorschriften erfasst und letztere diesem Sinn entsprechend angewandt, er hat die Formen gebraucht, wo und wie sie angebracht waren, und darin steht er unübertroffen da. Es schließt dies nicht aus, dass der König sich seines Rates bedient und aus seinen Erfahrungen Lehren gezogen hat.
Die nächste Gelegenheit, bei welcher Seydlitz hervorragende Dienste leistet, ist der Tag von Hochkirch. Er hat zu denjenigen gehört, welche den König auf das Gefährliche seiner Lage hinwiesen. Als dieser befiehlt, dass die Kavallerie in der Nacht zum 14. Oktober absatteln solle, gehorcht er, lässt aber zwei Stunden später wieder aufsatteln. So findet der Überfall der Österreicher ihn zum Kampf bereit. Im Dunkel der Nacht kann er nicht viel ausrichten, als aber der Morgen gekommen ist, erhält er Befehl mit der gesamten zur Stelle befindlichen Reiterei, 108 Schwadronen, den Rückzug zu decken und Daun hemmt vor seiner drohenden Haltung die Verfolgung. Den Winter 1758/59 verlebt Seydlitz im königlichen Hauptquartier zu Breslau, während des Frühjahrs beschäftigt ihn der kleine Krieg in Schlesien, den Sommer hindurch steht er beobachtend in der Lausitz, um Berlin gegen einen russischen Besuch zu decken, dann unterbricht eine neue Verwundung, welche er am 12. August bei Kunersdorf empfangen, für längere Zeit seine Ruhmeslaufbahn.
Als in jener Schlacht die Angriffskraft der Preußen an dem Widerstand erlahmt, welchen ihnen ihre Gegner in der vorteilhaften Stellung am großen Spitzberge entgegensetzen, befiehlt der König Seydlitz einzugreifen. Dieser zögert Folge zu leisten, weil er es nicht für die Aufgabe der Reiterei hält gegen Schanzen anzureiten, und weil er glaubt, die letztere für alle Wechselfälle des Kampfes aufsparen zu sollen, gehorcht dann aber dem ihm bestimmt gegebenen Befehl. Der Versuch fällt unglücklich aus; das Misslingen ist eine der Ursachen des Verlustes der Schlacht; Seydlitz selbst wird dabei schwer verwundet. Eine Kartätschenkugel zerschmettert ihm die rechte Hand und das Degengefäß, zu seiner Heilung wird er nach Berlin gebracht. Hier verheiratet er sich am 16. April 1760 mit Gräfin Albertine Hacke, deren Vater 1754 als Generalleutnant und Kommandant von Berlin gestorben war; Balcke, der Feldprediger seines Regiments, traut ihn, die Braut ist 17 Jahre alt. Einige Tage später reist er zum Heer nach Sachsen ab. Da er aber keineswegs hergestellt ist, seine Hand vielmehr, sowie seine Kinnlade, die letztere in Folge eines überstandenen Starrkrampfes, in solchem Grade gelähmt sind, dass er jene kaum gebrauchen kann und dass er im Sprechen behindert ist, so heißt ihn der König nach Berlin zurückzukehren und zunächst seiner Gesundheit zu leben, welche fortgesetzt unter den obenerwähnten schädlichen Einwirkungen leidet. Doch auch hier leistet er gute Dienste, als Russen und Österreicher unter Todleben und Lascy Berlin mit einem zweiten Einrücken heimsuchen.
Am 20. Mai 1761 erscheint er wieder im Felde. Es geschieht auf dem Kriegsschauplatz in Sachsen, unter den Befehlen des Prinzen Heinrich. Seydlitz tritt damit in einen neuen Abschnitt seiner soldatischen Wirksamkeit. Fortan ist er nicht mehr, wie bisher, ausschließlich Reiterführer, sondern er steht an der Spitze größerer, aus allen Waffen zusammengesetzter Truppenabteilungen. Es ist vielfach die Frage aufgeworfen, ob er sich in diesen Verhältnissen ebenso bewährt habe wie früher im kleinen Krieg und bei der Leitung großer Reitermassen. Namentlich im Hinblick auf ein von ihm geführtes und fehlgeschlagenes Unternehmen gegen Teplitz im August 1762, hat man die Frage verneinen zu sollen geglaubt. Ohne sie entscheiden zu wollen, weisen wir auf sein Verhalten in der Schlacht bei Freiberg, am 29. Oktober jenes Jahres, der letzten des Krieges, hin. Er führt den Befehl der Vorhut und des rechten Flügels; es ist die stärkste unter den Heeressäulen, mit denen Prinz Heinrich den Angriff unternimmt. An der Spitze seiner Infanterie erstürmt er die Höhen, auf denen der ihm gegenüberstehende Feind sich verschanzt hat, führte dann seine Reiterei vor, mit welcher er zunächst die errungenen Vorteile ausbeutet, und wendet sich schließlich gegen die Mitte und den linken Flügel, damit die Schlacht entscheidend. „Auch diesen Sieg verdanke ich Ihm“, sagt der einige Tage darauf in Freiberg ankomende König zu Seydlitz, nachdem Prinz Heinrich über die Vorgänge berichtet hat.
Als der Friede geschlossen ist kehrt Seydlitz nach Ohlau zurück. Aber nicht als einfacher Regimentschef, sondern als „Commissaire und General-Inspekteur“ der schlesischen Kavallerie, 5 Kürassier-, 2 Dragoner-, 4 Husaren-Regimenter begreifend, des größten unter den Truppenkörpern, in welche der König seine Reiterei nunmehr gegliedert hat. Dass er nicht an die Spitze der ganzen Waffe gestellt wird und dass dieselbe nicht in seiner berufenen Person einen obersten Befehlshaber erhält, erklärt sich durch die Rücksicht auf den älteren Zieten und durch die Abneigung des Königs, die Oberleitung aus der eigenen Hand zu geben. Ohlau aber wird die Hochschule der Reiterei; oft sendet der König Offiziere aus anderen Inspektionen dorthin um zu lernen, nie umgekehrt, und gern versetzt er Seydlitz’ Schüler nach auswärts. Die schlesischen Regimenter werden die Vorbilder für die gesamte preußische Kavallerie. Aus ganz Europa strömen Wissbegierige herbei um sie zu sehen, besonders ist es Seydlitz’ eigenes Regiment, welches die allgemeine Aufmerksamkeit rege macht.
Als Kaiser Joseph II. 1769 in Neisse ist, wünscht er ausdrücklich dieses Regiment zu sehen und zollt ihm seine Anerkennung. Auch der geistigen Ausbildung seiner Untergebenen widmet Seydlitz reges Interesse; sein Vorhaben, in Ohlau eine Junkerschule zu errichten, in welcher auch Sprachen und Mathematik gelehrt werden sollen, wird durch Hindernisse vereitelt, die er nicht beseitigen kann. Am 29. Juli 1767 ernennt der König ihn zum General der Kavallerie; an sonstigen Gnadenbeweisen erhält er die Drostei Vlotho, die Amtshauptmannschaft Limburg und ein „ansehnlich Jahrgehalt“ zu der 2000 Taler betragenden Inspekteurszulage. Allen, die unter seinen Befehlen oder ihm sonst nahe stehen, ist er ein treuer Freund, ein wohlwollender Berater und stets bereiter Helfer. Nicht so gut wie im öffentlichen geht es ihm im häuslichen Leben. Seine Ehe ist nicht glücklich; die Untreue seiner Gattin veranlasst, dass der Bund früh getrennt wird. Es sind aus demselben zwei Töchter hervorgegangen, welche dem Vater verbleiben. Die ältere war dreimal verheiratet und wurde einmal geschieden, sie starb im Irrenhause, die jünger vermählte sich viermal und zweimal wurde ihre Ehe durch richterlichen Spruch getrennt. Keine von Beiden hat Kinder hinterlassen.
Seydlitz’ äußere Erscheinung war eine echt soldatische. Er war mittelgroß, schlank und wohlgewachsen, sein Auftreten war voll Würde, seine Bewegungen zeugten von Kraft und Gewandtheit. Sein Gesicht war wohl gebildet, nicht schön, aber durch ein paar Feueraugen belebt, die ebenso freundlich wie zornig blicken konnten, unwillkürlich einnahmen und ohne Widerrede gehorchen machten.
Seine Lebenskraft war früh erschöpft; wir haben mehrfach von seinen Krankheiten und Gebrechen zu berichten gehabt. Im April 1772 trifft ihn ein Schlaganfall, von welchem Kuren in Karlsbad und in Aachen ihn leidlich herstellen, die Besserung ist aber nicht von Dauer. Am 27. August 1773 besucht ihn der König in Ohlau zum letzten Male. Am 8. November des nämlichen Jahres stirbt er dort in dem von ihm bewohnten Haus, an dessen Stelle sich später das Landratsamt befindet. Auf dem von ihm erkauften Gut Minkowsky, drei Meilen von Ohlau, am rechten Oderufer gelegen, wird er bestattet. „Er lebte unübertroffen; er stirbt ohne ersetzt werden zu können“, hat der König gesagt, als er von Seydlitz’ Krankenbette geht. „Ich kann, ich kann ihn nicht missen“, ruft er aus, als ihm der Tod gemeldet wird.
Bibliographie
- Barnhagen v. Ense: Das Leben des Generals v. Seydlitz (Berlin 1834)
- Bismarck, Graf: Die königlich preußische Reiterei unter Friedrich dem Großen oder der General der Kavallerie Freiherr v. Seydlitz (Karlsruhe 1837)
- Blankenburg, v.: Charakter und Lebensgeschichte des Herrn v. Seydlitz (Leipzig 1797)
- Buxbaum, Premierleutnant: Friedrich Wilhelm Freiherr v. Seydlitz (Rathenow 1890)
- Kähler, Major: Seydlitz in seiner Bedeutung für die Reiterei (Berlin 1874)
- Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909
- Poten, Bernhard von: Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 34 (Leipzig 1892)
- Des Herrn Generalmajor v. Warnery sämtliche Schriften (Hannover 1785–91)
Quelle: Bernhard von Poten