Preußische Infanterie
Befreiungskriege 1813–1815
Testbericht der 1:72 Figuren von Revell
Preußische Soldaten vom 9. (Colberg) Infanterie-Regiment in der ab 1813 getragenen Felduniform, mit Tschako im Schutzbezug und Mantelrolle über der Schulter. Die Figuren von Revell sind für Wargames und Dioramen der Befreiungskriege sehr gut geeignet. Revell deckt mit diesen Soldaten das Gros der preußischen Armee von 1813–1815 ab, also mindestens 50 Bataillone mit zusammen ca. 40.000 Mann. Zählt man das 1. Garde-Regiment und die möglichen Umbauten zu Füsilieren und Jägern dazu, kommt man schnell auf weitere 25 Bataillone. Angesichts dieser Zahlen, und bei zunehmendem Interesse an historischen Simulationsspielen, steht dem Hersteller offenbar ein großer Verkaufserfolg ins Haus.
Inhalt
42 Figuren in 12 Posen – 22,5 mm entsprechen 162 cm Körpergröße
- Hauptmann oder Stabsoffizier zu Pferd
- Leutnant mit gezogenem Degen
- Unteroffizier, avancierend (2)
- Fahnenträger, vorgehend
- Trommler, vorgehend
- Musketier, vorgehend, Gewehr an der Schulter (5)
- Musketier, vorgehend (6)
- Musketier, stürmend (4)
- Musketier mit gefälltem Bajonett (5)
- Musketier, Gewehr anlegend (5)
- Musketier, stehend schießend (6)
- Musketier, ladend (5)
- Offizierspferd (1)
Die Zeit der Befreiungskriege
Napoleons Invasionsheer zog sich im Oktober 1812 aus Russland zurück, um dem kommenden Winter und den damit verbundenen Versorgungsproblemen zu entgehen. Im Felde ungeschlagen, aber von Hunger, Frost und ständigen Attacken russischer Verbände und Kosaken stark dezimiert, lösten sich die Reste der Grande Armée am 26.–28. November beim Übergang über die Beresina auf. Preußen und Österreich, zwangsweise mit Napoleon verbündet, nutzten die Niederlage um ihre Hilfskorps unter General Yorck und Prinz Schwarzenberg aus dem Verband zu lösen und einen möglichen Bündniswechsel vorzubereiten. Preußen verhandelte zunächst mit beiden Seiten und Österreich wartete ab, wie sich die Dinge entwickeln würden:
30. Dez. 1812. General Yorck wird mit dem preußischen Hilfskorps bei Tauroggen gestellt und schließt ohne königlichen Befehl einen Neutralitätsvertrag mit dem russischen General Diebitsch. Vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen preußischen Patrioten in der russischen Armee – darunter auch Clausewitz – und dem konservativen General Yorck. In OstPreußen nimmt die Volkserhebung ihren Anfang, während in anderen Teilen Preußens die Anweisungen der französischen Besatzungsmacht nicht mehr ausgeführt werden.
22. Jan. 1813. Der preußische Hof übersiedelt nach Breslau, um sich der Kontrolle durch die französischen Militärbehörden zu entziehen. Geheimverhandlungen mit Frankreich laufen weiter, während Scharnhorst und andere Patrioten sich intensiv um ein Bündnis mit Russland und Österreich bemühen.
28. Jan. Einberufung einer Rüstungskomission unter Scharnhorst.
02. Feb. Russische Truppen überschreiten die Weichsel und rücken auf Berlin vor.
03. Feb. Verordnung über die Bildung von freiwilligen Jägerdetachements bei allen stehenden Truppenteilen. Außerdem werden Freikorps gebildet, darunter die berühmte Freischar Lützows, in der der Dichter und Freiheitskämpfer Theodor Körner dient.
09. Feb. Aufhebung der sonst üblichen Wehrdienstbefreiung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Faktisch bedeutet dies die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, wenn auch nur für die Dauer des Krieges und für bestimmte Altersgruppen.
20. Feb. Berlin von russischen Kosaken besetzt.
28. Feb. Bündnis zwischen Russland und Preußen. Zuvor war Freiherr vom Stein als Bevollmächtigter des Zaren in Breslau eingetroffen und hatte ultimativ den Abschluss des Bündnisses gefordert.
16. März. Kriegserklärung Preußens an Frankreich.
17. März. Landwehredikt. Die Verordnung zur Errichtung der Landwehr baut auf Scharnhorsts Denkschriften zur allgemeinen Wehrpflicht auf.
20. März. Landsturmedikt. Der von Scharnhorst und Gneisenaus initiierte Landsturmgedanke kommt nur abgeschwächt zur Ausführung da sich die preußische Regierung vor einem bewaffneten Volk fürchtet.
02. Mai. Schlacht bei Großgörschen (Lützen) endet mit dem Sieg der Franzosen. Scharnhorst wird am Fuß verwundet. Die Kugel kann entfernt werden, der General schont sich in der Folgezeit aber zu wenig, woraufhin sich sein Zustand verschlimmert. Scharnhorst stirbt am 28. Juni 1813 in Prag.
20. u. 21. Mai. Schlacht bei Bautzen endet mit dem Sieg Napoleons. Die Verbündeten ziehen sich nach Schlesien zurück.
Juni-August. Waffenstillstand und ergebnislose Friedensverhandlungen in Prag.
12. Aug. Österreich tritt dem Bündis Russlands, Preußens, Schwedens und Englands gegen Napoleon bei.
23. Aug. Bülow besiegt Oudinot bei Großbeeren.
26. Aug. Blücher besiegt MacDonald an der Katzbach bei Wahlstatt.
26. u. 27. Aug. Napoleon besiegt Schwarzenberg in der Schlacht bei Dresden.
29. u. 30. Aug. Vandamme verfolgt Schwarzenberg und greift zunächst die Russen bei Kulm an. Daraufhin treten die Preußen unter Kleist zum Gegenstoß an, dessen kühner Flankenangriff bei Nollendorf zum Sieg führt. Vandamme gerät mit 10.000 Mann in Gefangenschaft.
06. Sept. Bülow und Tauentzien besiegen Ney in der Schlacht bei Dennewitz.
03. Okt. Gefecht bei Wartenburg, zwischen Yorck und Bertrand.
08. Okt. Bayern tritt dem Bündnis gegen Napoleon bei.
16., 18., u. 19. Okt. Völkerschlacht bei Leipzig. Napoleon kämpft am 16. unentschieden bei Wachau; Blücher besiegt Marmont bei Möckern. Am 18. greifen die Verbündeten mit 255.000 Mann gegen die 160.000 Soldaten Napoleons an und erringen einen vollständigen Sieg. Sachsen und Württemberger treten während der Schlacht zu den Verbündeten über. Leipzig wird am 19. gestürmt und Napoleon tritt den Rückzug nach Frankreich an.
30. u. 31. Okt. Schlacht von Hanau. Die Reste der französischen Armee unter Napoleon kämpfen sich den Weg an den Rhein frei, nachdem eine österreichisch-bayerische Armee under General Wrede den Rückzug zu blockieren versuchte.
01. Januar 1814. Blücher überquert mit der 1. Schlesischen Armee den Rhein bei Caub und marschiert auf Paris.
31. März 1814. Einmarsch der Verbündeten in Paris. Verbannung Napoleons nach Elba und Rückkehr der Bourbonen nach Frankreich, das die Grenzen von 1792 wieder einnimmt.
01. März 1815. Landung Napoleons in Frankreich.
16. Juni. Blücher wird in der Schlacht bei Ligny geschlagen, entzieht sich aber der anschließenden Verfolgung durch Grouchy. Der Herzog von Wellington besiegt Ney bei Quatre-Bras.
18. Juni. Schlacht bei Waterloo (La Belle-Alliance). Wellington wird von Napoleon schwer bedrängt, erst die Ankunft der preußischen Armee unter Blücher entscheidet die Schlacht zugunsten der Verbündeten. Gneisenau verfolgt und zerschlägt die Reste der französischen Armee. Napoleon wird nach St. Helena verbannt wo er am 05. Mai 1821 im Alter von 52 Jahren stirbt.
Die ab 1813 getragene Felduniform mit dem typischen Tschakobezug tauchte zunächst bei der Garde und den 12 Linien-Regimentern auf. 1815 wurden zusätzlich die Reserveregimenter und einige Freikorps mit den Regimentsnummern 13 bis 32 in die Linie aufgenommen. Diese Einheiten sollten ebenfalls die neue Uniform erhalten. Angesichts der angespannten Finanzlage Preußens, war dies jedoch nur eingeschränkt möglich. Viele der ehemaligen Reserveregimenter dienten bei Waterloo noch in den alten Uniformen aus englischen Beständen, bzw. in einer Mischung aus neuen Tschakos und alten Uniformen.
Bewertung
Große Detailfülle. Falten in der Kleidung, Kragen und Aufschläge, Tschakoüberzug, Mantelrolle, Kochgeschirr, Brotbeutel, Gamaschen, Bandeliere, Riemen, Knöpfe, Patronentasche, Säbel, Steinschlossgewehr und Metallteile sind deutlich herausgearbeitet. Die Figuren sind gut proportioniert, fallen aber etwas kleiner und schlanker aus als die napoleonischen Infanteristen anderer Hersteller und die französischen Gardegrenadiere von Revell.
Brauchbare, historische Posen. Die gewählten Standardposen wirken gemäßigt und sehr natürlich, sie können im Diorama massenweise nebeneinander verwenden werden. Alle 42 Figuren eignen sich für historische Simulationen, z. B. in stehend schießenden, vorgehenden, verteidigenden und marschierenden Einheiten.
Die damals üblichen Unterscheidungsmerkmale der Musketiere, Grenadiere und Gardegrenadiere sind durch den im Felde getragenen Tschakobezug verdeckt, die Figuren sind deshalb besonders vielseitig verwendbar. Bereits unter Friedrich dem Großen dienten die Grenadiere der preußischen Infanterie-Regimenter in separaten Grenadierbataillonen, die als taktische Reserve fungierten. 1814 gingen die sechs Grenadier-Bataillone der Linie in den Grenadier-Regimentern Kaiser Alexander und Kaiser Franz auf, die 1815 im 7. (Garde) Korps dienten, aber nicht mehr zum Einsatz kamen.
Korrekter Bemalungsvorschlag auf der Verpackung: Uniform und Fahne vom 9. (Colberg) Regiment, 1813–1815. Festungskommandant Major Gneisenau behauptete 1807 die pommersche Festung Kolberg gegen französische Belagerung. Die unbesiegte Garnison ging bei der Neuorganisation der preußischen Armee im 1. brandenburgischen Leib-Regiment (Nr. 9) und im 10. (Colberg) Regiment auf. Während des Waffenstillstandes vom 4. Juni bis 12. August 1813 wurde die Garde aus der Numerierung der Linien-Infanterie herausgenommen, alle hinter Nr. 8 gelegenen Regimenter rückten auf. Das Leib-Regiment erhielt Nr. 8 und Colberg rangierte nunmehr als Nr. 9 in der Linie. Ein neues 12. (2. brandenburgisches) Regiment wurde aus zwei Reservebataillonen des Leib-Regiments und dem 3. Bataillon 6. (1. Westpreußisches) Infanterie-Regiment gebildet.
Gute Gussqualität. Gussnähte an Bajonetten, Säbeln, Mantelrollen und an den Nahtstellen der Formhälften müssen vor dem Bemalen allerdings entfernt werden.
Füsiliere fehlen. Infolge der Reorganisation der preußischen Armee im Jahre 1808 wurden die Füsiliere den Infanterie-Regimentern als dritte Bataillone zugeteilt. Sie trugen die blaue Uniform der Musketiere, mit dem Unterschied, dass das Gurtzeug bei Füsilieren schwarz war und die Patronentasche nicht auf der rechten Hüfte, sondern vor dem Bauch getragen wurde. Anstelle des leicht gekrümmten Säbels waren die Füsiliere mit einem geraden Faschinenmesser bewaffnet. Historisch richtig hätten demnach 14 Figuren als Füsiliere ausgerüstet sein müssen.
Freiwillige Jäger fehlen. 1813 wurden bei allen stehenden Truppenteilen freiwillige Jägerdetachements gebildet. Freiwillige Jäger trugen die Uniform der Füsiliere, jedoch in grüner Grundfarbe, Patronentasche vor dem Bauch, schwarzes Gurtzeug und Hirschfänger anstelle des Säbels. Jäger waren mit gezogenen Büchsen bewaffnet, die deutlich kürzere Läufe hatten als die Musketen der Infanterie.
Historische Verwendung
- 1. und 2. Bataillon 2. Garde-Regiment zu Fuß 1813–1815
Rote Kragen und Aufschläge, weiße Schulterklappen, gelbe Knöpfe. - Grenadier-Regiment Kaiser Alexander 1814–1815
Bestehend aus dem Leib-Grenadierbataillon (Nr. 8 (Leib-Regiment)/1. Garde-Regiment), dem 1. (Nr. 1/Nr. 3) und 2. ostpreußischen Grenadierbataillon (Nr. 4/Nr. 5). - Grenadier-Regiment Kaiser Franz 1814–1815
Bestehend aus dem pommerschen (Nr. 2/Nr. 9), westpreußischen (Nr. 6/Nr. 7) und schlesischen Grenadierbataillon (Nr. 11/Nr. 12). - 1. und 2. Bataillone im 1.–12. Infanterie-Regiment 1813–1815 (mit einer Ausnahme)
- 1. und 2. Bataillone im 13.–32. Infanterie-Regiment 1815 (mit einigen Ausnahmen)
Abzeichenfarben und Schulterklappen der Infanterie-Regimenter
Provinz | Kragen & Aufschläge | 1. Regt. weiß |
2. Regt. rot |
3. Regt. gelb |
4. Regt. blau |
---|---|---|---|---|---|
Ostpreußen | ziegelrot | Nr. 1 | Nr. 3 | Nr. 4 | Nr. 5 |
Westpreußen | karmesin | Nr. 6 | Nr. 7 | Nr. 16 | Nr. 17 |
Pommern | weiß | Nr. 2 | Nr. 9 | Nr. 14* | Nr. 21* |
Brandenburg | ponceaurot | Nr. 8 | Nr. 12* | Nr. 20 | Nr. 24* |
Schlesien | gelb | Nr. 10 | Nr. 11 | Nr. 13 | Nr. 15 |
Magdeburg | hellblau | Nr. 26 | Nr. 27* | Nr. 31* | Nr. 32 |
Westfalen | hellrot | Nr. 18* | Nr. 19 | Nr. 28 | Nr. 29 |
Rheinlande | krapprot | Nr. 22* | Nr. 23* | Nr. 25* | Nr. 30* |
Knöpfe gelb, Schoßumschläge rot, Ärmelpatten in der Rockfarbe. Offiziere trugen graue Hosen mit gelben Knöpfen und rotem Vorstoß an den Seiten. Bei den mit * markierten Einheiten handelt es sich um ehemalige Reserveregimenter, Freikorps und Ausländerbataillone, die 1815 in die Linie eingereiht wurden, bei Waterloo aber noch in ihren alten Uniformen kämpften. Wenn überhaupt, dann setzte sich die neue Uniform zuerst bei den Offizieren durch, die Bataillone und Regimenter waren sehr bunt zusammengewürfelt.
Interessante Umbauten
- Garde-Füsiliere (3. Btl.) im 2. Garde-Regiment zu Fuß 1813–1815
- Füsiliere (3. Btl.) im 1.–12. Infanterie-Regiment 1813–1815
- Füsiliere (3. Btl.) im 13.–32. Infanterie-Regiment 1815 (mit Ausnahmen, siehe oben)
- Freiwillige Jäger der Infanterie 1813–1815
Diesen Umbauten gemeinsam ist, dass die Patronentasche an der rechten Hüfte entfernt und der Säbel etwas gekürzt wird. Bei den Jägern sollte außerdem die Muskete gekürzt werden, damit sie mehr Ähnlichkeit mit einer Jagdwaffe hat. - 1. und 2. Bataillon 1. Garde-Regiment zu Fuß 1813–1815
- Garde-Füsiliere (3. Btl.) im 1. Garde-Regiment zu Fuß 1813–1815
Anstelle der Ärmelpatten wurden im 1. Garde-Regiment runde Aufschläge mit Litzen getragen. Weiter Umbauten an den Füsilieren, wie oben. Das Regiment trug rote Kragen, rote Aufschläge mit weißen Litzen, weiße Schulterklappen und Knöpfe.
Bibliographie
- Funcken: L’Uniforme et les Armes des Soldats du Premier Empire, pp. 125–127
- Haythornthwaite, Philip: Uniforms of Waterloo in Colour, plate 69
Die Soldaten sind gut proportioniert und in natürlich wirkenden, harmonisch auf einander abgestimmten Posen dargestellt. Die feldmäßige Ausrüstung ist historisch richtig und sie lässt sich ohne große Mühe bemalen. Auf spektakuläre Einzelfiguren wurde verzichtet, es handelt sich durchweg um brauchbare Wargame Figuren. Wenn drei oder vier Posen der Musketiere eingespart worden wären, hätte man Füsiliere beilegen und die Schachtel dadurch noch deutlich aufwerten können. Bleibt zu hoffen, dass die Sammler nun nicht mehr lange auf Füsiliere, Jäger und Landwehr warten müssen.