Rottenfeuer

Rottenfeuer, ist das sogenannte Hecken- oder Bataillenfeuer, obgleich hier nicht die ganze Rotte auf einmal feuert.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

§ 78. Rottenfeuer

Kommando:

1) „Mit Rotten – chargiert! –“

2) „Bataillon! – Fertig! –“

3) „Chargiert! –“

Auf das erste und zweite Kommando wie bei Bataillonsfeuer beschrieben.

Auf das dritte Kommando schlagen die rechten Flügelrotten von jedem Zuge an, so wie sie abgefeuert, schlägt die nächstfolgende Rotte in jedem Zuge an, usw. Das erste Mal geht es nach der Reihenfolge, nachher schießt jeder Mann, wenn er geladen hat, und richtet sich der eine nicht mehr nach dem anderen. Bei diesem Feuer ist gutes Zielen besonders zu empfehlen.

Sobald das Signal zum „Feuervorbei“ gegeben wird, darf kein Schuss mehr fallen, Alle machen fertig, und es wird dann im Ganzen Hahn in Ruh gesetzt und geschultert.

Quelle: Röver, Hauptmann: Bataillons-Exercir-Reglement für die Braunschweigische Bürgergarde. (Braunschw. 1831), S. 73.

Rottenfeuer, von den Preußen Bataillenfeuer genannt, daher auch Schlacht- oder Heckenfeuer nennt man jenes Feuer, bei dessen Ausführung nur einzelne Rotten der in Sektionen geteilten Kompanien eines Bataillons und zwar nach der, durch die verschiedenen Reglements bestimmten Ordnung wirklich feuern, und welchem die übrigen Rotten und Leute in diesen nach eben dieser Ordnung nach und nach in der Art folgen, bis diese Feuer durch die einzelnen Sektionen und dadurch durch alle Kompanien eines Bataillons laufend, allgemein wird und einem wohl unterhaltenen Wirbel gleicht. Die Vorwürfe, welche man diesem Feuer macht, sind folgende: 1) dass es des Pulverdampfes wegen, welcher den Mann beim Zielen hindert, nie etwas Entscheidendes hervorgebracht hat, und dass das Getöse rechts und links, welches durch das Einzelnfeuern der Neben- und Hinterleute hervorgebracht wird, den Soldaten, namentlich den jungen, um alle Besonnenheit bringt; 2) dass es bei vielen Gelegenheiten nur angewendet wurde, um die Leute zu beschäftigen und festzuhalten, und zu dem allerverderblichsten Missbrauche geführt hat. Dieser Missbrauch besteht nach dieser Ansicht nicht nur darin, dass auf übermäßige Entfernungen geschossen wird, weil der Kommandeur das Bataillon bei weitem nicht so in seiner Gewalt hat, wie bei Bataillonssalven, sondern er besteht auch in einer grenzenlosen Munitionsverschwendung; 3) dass das Rottenfeuer dem Pflichtvergessenen erlaubt, untätig zu sein und, dass es keine Kontrolle gestattet; 4) ein fernerer Vorwurf, welchen man dem Rottenfeuer machen kann und demselben auch gemacht hat, ist, das es nicht gut unterhalten bleibt und dass es häufig bei seinem ersten Beginnen ins Stocken gerät und erst dann wieder beginnt, wenn die folgenden Rotten zum Feuern kommen. Diesen beiden Gebrechen, welche es dann mit den Schlagfeuern gemein hat, ist abzuhelfen a) dadurch, wenn die einzelnen Rotten mit der Abgabe des Feuers nicht zu sehr eilen und b) wenn das Feuer, ohne zu große Hast, von den Flügelleuten der einzelnen Sektionen anfängt, der Mann im ersten Glied jenem im zweiten folgt, das Feuer sofort auf den zweiten Mann im zweiten Glied, von diesem auf jenen in dem ersten, von diesem auf den dritten Mann im zweiten springt, und auf diese Art durch eine ganze Sektion von dem Hinter- zum Vordermann der selben Rotte und von diesem zu dem Hintermann der folgenden usw. läuft, indem mittlerweile die einzelnen Leute im zweiten Glied zum zweiten Mal zum Feuern kommen und so das Feuer ununterbrochen fortrollt durch alle Sektionen und Züge der Kompanie, und Blitze sprühen entlang der Frontbreite ganzer Bataillone.

Nebst dem eben Gesagten ist gegen die übrigen drei Vorwürfe folgendes zu erwidern: a) Schon die Benennung Bataillenfeuer beweist, dass diese Feuerart in Schlachten doch nicht so unpraktisch gewesen, als man jetzt glauben mag; b) dass die Feuerart die Mannschaft beschäftigt, ist keine schwache Seite derselben und wohl einer Truppe, deren Führer die Eigenschaft besitzen, durch eine solche Beschäftigung die Standhaftigkeit ihrer Leute zu fixieren; c) bei dem Feuer in geschlossener Ordnung kommt es bekanntlich weniger auf ein individuelle Zielen als auf einen richtigen horizontalen Anschlag an; daher übt auch der Pulverdampf beim Rottenfeuer einen viel weniger nachteiligen Einfluss aus, als man glauben machen will; d) wird das Rottenfeuer auf einer übermäßigen Entfernung begonnen, dann ist nicht das Rottenfeuer, sondern jene, welche es befehlen oder gestatten, sind daran Schuld, wenn es in diesem Falle nicht so wirksam ist, als es sein sollte; e) eine Truppe ist solange in der Hand des Führers, als diesem Mittel zu Gebote stehen, jener seinen Willen kund zu geben. Ein im Rottenfeuer begriffener Trupp erscheint daher nicht weniger in der Hand des Führers, als jeder andere in Feuertätigkeit begriffene; denn auch dieser wird auf das durch die Übung bekannte Signal das Feuer einstellen. Erwägt man fener, dass in dem Moment des Aufhörens des Feuers wenigstens ⅓ der Mannschaft geladen hat, was nicht bei allen Schlagfeuern der Fall ist, so erscheint dieses sogar als ein Vorteil. Das Laden nach einer Salve setzt den Trupp beinahe zu 99 Prozent außer Verteidigungsstand. Den Punkt der Munitionsverschwendung betreffend, wird er von den anderen Feuerarten, da nicht alle Kugeln treffen, nicht ganz aufgehoben. Die Eigentümlichkeit des Rottenfeuers im Vergleich mit den Schlagfeuern sind folgende: 1) Das Rottenfeuer unterhält eine permanente Wirkung gegen den Feind, während alle anderen Schlagfeuerarten nur eine momentane erzielen. Der Anmarsch gegen ein Rottenfeuer ist dem Wandern in einer Hagelsaat zu vergleichen; mit jedem Schritt mindert sich die Wahrscheinlichkeit nicht getroffen zu werden, und die gefährliche Permanenz der Kugelsaat erschöpft in der Regel den moralischen Impuls der intakt gebliebenen Angreifer, ehe sie zum Handgemenge gekommen sind. Nach jeder Salve eines Schlagfeuers wächst der Mut der nicht Gefallenen des Angreifers, weil im Verhältnis der Annäherung die Wahrscheinlichkeit einer wiederholten Salve sich vermindert, und gelingt es, was stets das Streben chokierender Kavallerie ist, den Verteidigern die letzte Salve abzugewinnen, so wird er im Moment des Ladens, wenn das zweite Glied mit den vom dritten Glied eingewechselten Gewehren nicht fertig dasteht, fast wehrlos überrascht; 2) bei dem Rottenfeuer ist jeder Mann in permanenter Tätigkeit; der Pulverdampf verbirgt ihm die Gefahr und die Wirkung des feindlichen Feuers. Er wird zur Tätigkeit hingerissen und ist jedem widrigen moralischen Eindruck beinahe unzugänglich. Bei dem Schlagfeuer dagegen muss der Mann mit gespanntem Hahn und mit gespanntem Gemüt den Moment seiner periodischen Tätigkeit abwarten, er muss ohne Gegenwehr sich beschießen und seinen Gegner ungestört sich nähern lassen, bis der Führer den Zeitpunkt der Erwiderung für angemessen erachtet. War aber der Erfolg der Erwiderung nicht der beabsichtigte, den Gegner zu erschüttern, oder aufzuhalten, oder zum Umkehren zu bestimmen, dann treten während des Ladens bedenkliche Verhältnisse ein. Der Soldat übereilt seine Ladung, feuert entweder auf eigene Faust oder kehrt um; 3) die unbestrittene Eigentümlichkeit des Rottenfeuers, die Mannschaft zum Stehen und Verharren im Feuer zu bringen, erscheint als eine praktische Vollkommenheit, deren die übrigen Feuer entbehren, denn in der Zwischenzeit ihrer Wirksamkeit fällt bekanntlich Manchem das Herz in die Schuhe; beim Rottenfeuer dagegen hat der Mann, wie Marschall Ney einst geäußert, nicht Zeit an die Gefahr zu denken und ist dieses richtig, wird es auch den Pflichtvergessenen nicht wohl erlauben untätig zu bleiben, denn es ist unpsychologisch, zu glauben, ein Angegriffener würde untätig bleiben in einem Augenblick, in welchem die Gefahr am ärgsten bräut.

Das Rottenfeuer wird seinen Zweck besonders gegen Infanterie erreichen, wenn es in einer zweckmäßigen Entfernung vom Feinde unterhalten wird. Eine Entfernung von 150 Schritten ist für das Infanteriegewehr die wirksamste; eine größere Entfernung schwächt die Wirkung dieses Feuers, und auf eine Entfernung von 300 oder noch mehr Schritten zu feuern ist Unsinn und beurkundet, dass man entweder die Entfernungen nicht zu schätzen weiß, oder keinen Begriff von der Tragweite der Infanteriefeuergewehre hat.

Auffallend ist es, dass man während der Dauer eines so langen Friedens einer Feuerart den Stab brechen will, welche so viel Praktisches für sich hat und sich in den vorhergegangenen Kriegen so oft bewährte; auffallender noch ist es, dass man von einer Seite der ein Verdammungsurteil gegen das Rottenfeuer ausspricht, während es anderswo noch in Ehren gehalten und fleißig eingeübt wird. Jede Feuerart in geschlossener Ordnung hat ihre Schattenseite und die eines gut unterhaltenen Rottenfeuers ist nicht die dunkelste. Darum muss es der Einsicht der Führer überlassen bleiben, die durch die Umstände bedingte Feuerart zu wählen, und es ist eine alte Erfahrung, dass vor dem Feinde bei dem Getöse des Kampfes manches Bataillons- oder Gliederfeuer eher einem Rottenfeuer ähnlich wird, als dem, welches allenfalls kommandiert wurde. Soll aber das Rottenfeuer selbst auf die oben angegebenen Entfernungen wirken, dann darf es nicht übereilt und muss mit Pünktlichkeit ausgeführt werden. Um dieses zu erreichen, werde es gründlich eingeübt und bei der Einübung von jedem Vorgesetzten unablässig überwacht. Findet dieses auf den Exerzierplätzen statt, dann kann man in ernstlichen Gelegenheiten eines guten Erfolges gewiss sein; denn der Soldat bringt in der Regel nur das in Anwendung, was ihm gelehrt und führt es so aus, wie es ihm angewiesen wurde.

Quelle: Loehr, Carl Ad.: Großes Kriegswörterbuch (Mannheim 1850)

Glossar militärischer Begriffe