Verhör

Verhör, Standrecht, Kriegsrecht. Sobald sich ein Unteroffizier oder Gemeiner eines Vergehens schuldig gemacht hat, das ein Kriegs- oder Standrecht nach sich zieht, wird er, bei der preußischen Armee, im Verwahrungsarrest behalten, bis zur Bestätigung des Erkenntnisses, und zum Vollzug der Strafe. Offiziere können jedoch nur bei groben Verbrechen währen der Untersuchung arretiert werden.

Das Untersuchungsgericht oder das Verhör besteht, außer dem Auditeur oder untersuchungsführenden Offizier, aus folgenden Individuen: 1) Die Besetzung des Untersuchungsgerichts über einen General und Kommandeur bestimmt Se. Majestät der König. 2) Zu dem Verhör über einen Stabsoffizier wird ein anderer Stabsoffizier kommandiert. 9) Über einen Kapitain oder Rittmeister, ein Stabsoffizier und ein Kapitain. 4) Über einen Lieutenant, ein Kapitain und ein Lieutenant; 5) über einen Unteroffizier, ein Premier- und ein Sekond-Lieutenant; 6) über einen Gemeinen, ein Lieutenant.

Die Führung der Untersuchung selbst richtet sich nach den allgemeinen Landesgesetzen; sobald dieselbe geschlossen ist, welches so rasch als möglich geschehen muss, wird über den Beschuldigten Standrecht oder Kriegsrecht gehalten.

Dem zum Verhör kommandierten Offizier gebührt während der Untersuchung eine gewisse Direktion, in sofern dabei Verfügungen notwendig sind, welche das äußere Verhalten der zu verhörenden Militärperson, und die Disziplin und Subordination betreffen. Es ist außerdem seine Pflicht, darauf zu halten, dass der zu Verhörende mit Glimpf und auf keine gesetzwidrige Art behandelt, dass ferner seine Aussage getreulich zu Protokolle genommen, und letzteres nach geschehener deutlicher Vorlesung und Genehmigung des ganzen Inhalts, von demselben unterschrieben oder unterzeichnet wird. Der kommandierte Offizier unterschreibt endlich die aufgenommenen Verhandlungen zu ihrer Legalisierung nebst dem Auditeur. Dagegen muss diesem die Führung der Untersuchung, in sofern es dabei letztlich auf Rechts- und Gesetzkenntnisse ankommt, überlassen werden. Wenn indessen der zum Verhör kommandierte Offizier, nach seiner Einsicht und Erfahrung, die Verfahrensart des Auditeurs nicht zweckmäßig oder fehlerhaft erachtet, muss derselbe dies dem Regimentskommandeur anzeigen, sobald sich beide nicht vorher einigen können.

Ein Standrecht erstreckt sich nur über Unteroffiziere und Soldaten, und zwar nur in sofern das Verbrechen keine höhere Strafe als einen sechswöchentlichen strengen Arrest nach sich zieht. Bei Festungs- und allen härteren Leibesstrafen muss über Gemeine und Unteroffiziere Kriegsrecht gehalten werden; über Offiziere aber kann nur Kriegsrecht gehalten werden.

Zur Besetzung eines Standrechts gehören: 1 Kapitain oder Rittmeister als Vorsitzer, 2 Premier-, 2 Sekond-Lieutenants, 2 Sergeanten, 2 Unteroffiziere, 2 Gefreite und 2 Gemeine als Beisitzer; über einen Sergeanten oder Unteroffizier fallen die Klassen des Gefreiten und Gemeinen weg. Die Besetzung eines Kriegsrechtes über einen General hängt von den Befehlen Sr. Majestät des Königs ab; über einen Stabsoffizier wird solche mit 1 Generalmajor als Vorsitzer, 2 Obristen, 2 Obrist-Lieutenants, 2 Majors und 2 Kapitains; über einen Kapitain oder Rittmeister in geringen Sachen mit 1 Obrist-Lieutenant, als Vorsitzer, 2 Majors, 2 Kapitains, 2 Premier- und Sekond-Lieutenants, in schweren Leib- und Lebens betreffenden Sachen aber mit 1 Obrist, 2 Obrist-Lieutenants, 2 Majors, 3 Kapitains, 3 Premier- und 3 Sekond-Lieutenants; über einen Lieutenant, bei leichten Vergehen mit 1 Major, 2 Kapitains, 2 Premier- und 2 Sekond-Lieutenants, bei schweren Verbrechen aber mit 1 Obrist-Lieutenant, 2 Major, 3 Kapitains, 3 Premier- und 3 Sekond-Lieutenants, besetzt. – Zu einem Kriegsrecht über einen Unteroffizier und Gemeinen werden ohne Unterschied 1 Major als Vorsitzer, 3 Kapitains, 3 Premier-Lieutenants, 3 Sekond-Lieutenants, 3 Sergeanten, 3 Unteroffiziere, 3 Gefreite und 3 Gemeine kommandiert, nur dass bei einem Unteroffiziere die Klassen der Gemeinen und Gefreiten wegfallen.

Bei der Abhaltung des Stand- oder Kriegsrechts wird zuerst der Beschuldigte befragt, ob er gegen die Besetzung des vor ihm versammelten Gerichts etwas einzuwenden habe. Hat derselben einen gegründeten Einwand, so ist dies auf der Stelle abzuändern. Die Beisitzer werden nun zur Unparteilichkeit und zu einem gewissenhaften Spruch ermahnt; bei einem Kriegsrecht aber besonders dazu vereidigt; hierauf werden die Untersuchungsakten von dem Auditeur vorgelesen, und der Beschuldigte befragt, ob er noch etwas zur Sache anzuführen habe; welches zu Protokoll zu nehmen ist; der Beschuldigte wird nun entfernt. Der Auditeur hält jetzt seinen Vortrag, worin er den Hergang der Sache nochmals kürzlich darstellt, die darauf anwendbaren Kriegsartikel oder andere Gesetzstellen vorliest, und sodann sein Gutachten über die Art der Strafe abgibt; alles dies ist im Protokoll zu vermerken.

Die Beisitzer besprechen sich hierauf klassenweise über die Strafe; die unterste Klasse gibt ihre Stimmen zuerst; die Beisitzer jeder Klasse unterschreiben sich mit ihrer abgegebenen Stimme namentlich. Nach beendigter Stimmengebung wird das Protokoll geschlossen, und das Gericht mit der Ermahnung entlassen, das strengste und gewissenhafteste Stillschweigen über alle gepflogene Unterhandlungen zu beobachten. Das Erkenntnis selbst wird nach der Mehrheit der Stimmen, unter Beifügung der gesetzlichen Entscheidungsgründe, abgefasst; sind die Stimmen geteilt, so behält diejenige, welcher der Vorsitzer des Gerichts beigetreten ist, das Übergewicht.

Einem kriegsrechtlichen Erkenntnisse unterschreiben sich sämtliche dazu kommandierte Offizier, nebst dem Auditeur oder untersuchungsführenden Offizier. Ein Kriegsrecht über einen Offizier oder über einen Feldwebel, dem dadurch das Port-d’Épée abgesprochen wird, muss jedes Mal Sr. Majestät dem Könige durch das General-Auditoriat zur Bestätigung eingereicht werden; eben so alle Strafen der Gemeinen und Unteroffiziere, welche sich über 3jährige Festungsstrafe ausdehnen. Bis zu sechsmonatliche Festungsstrafe eingeschlossen steht die Bestätigung eines Kriegsrechts über einen Gemeinen oder Unteroffizier dem Divisionskommandeur zu, bis zur dreijährigen Festungsstrafe eingeschlossen aber dem Kriegsministerium, nach dem Gutachten des General-Auditoriats. Ein Standrecht bestätigt der Regiment- oder Bataillonskommandeur, der solches angeordnete hat. – Durch die Bestätigung wird jedes Erkenntnis rechtskräftig, und an dem Beschuldigten vollzogen; eine Appellation dagegen findet nicht statt.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Glossar militärischer Begriffe