Khoikhoi
Die Khoikhoi, früher wegen der Schnalzlaute in ihrer Sprache abwertend Hottentotten (»Stotterer«) genannt, bilden eine kulturell und sprachlich verwandte Völkergruppe in Namibia und Südafrika. Die Khoikhoi zerfallen in zwei Gruppen: die Nama (Singular Namab) und Orlam. Sie nennen sich selbst Khoikoi, was »Menschen der Menschen« bedeutet, d. h. Urmenschen. Die Khoikhoi wurden durch die Xhosa aus ihren früher nördlicher gelegenen Sitzen nach Süden gedrängt. Die Zahl aller unvermischten Khoikhoi dürfte 1907 gegen 60.000 betragen haben; in der Kapkolonie lebten (1891) 51.850, in Deutsch-Südwestafrika etwa 7000. Die Khoikhoi haben eine fahle, gelbbraune Hautfarbe, sehr krauses, verfilztes Haar, eine schmale Stirn, stark nach der Seite vortretende Backenknochen, ein spitzes Kinn und einen mittleren (160–163 cm), hageren Körperbau mit auffallend schwachen Gliedmaßen.
Die frühere Kleidung aus Fellen ist längst der europäischen Tracht gewichen. Die Frauen winden um den Kopf bunte Tücher und tragen Kupfer- und Messingringe, Eisenspangen, seitdem das teure Elfenbein verschwunden ist. Den Körper reiben sie mit Fett und Ocker ein. Die Sprache der Khoikhoi zerfällt in drei Dialekte: den Nama-, Kora- und Kapdialekt, welch letzterer jedoch, mit Ausnahme geringer Überreste in den östlichen Grenzdistrikten, jetzt ausgestorben ist. Mit einigen Bantusprachen, noch genauer mit dem Buschmännischen stimmt sie in dem Gebrauch gewisser Schnalzlaute überein; mit dem Altägyptischen und anderen nordafrikanischen sowie mit den semitischen und indogermanischen Sprachen hat sie die Unterscheidung von drei Geschlechtern gemein. Wahrscheinlich bildete die Sprache der Khoikhoi mit dem Buschmännischen den letzten Rest einer einst weitverbreiteten Sprachfamilie. Grammatiken des Namadialekts lieferten Wallmann (Berl. 1857), Tindall (Kapstadt 1870, mit Vokabular), Th. Hahn (Leipz. 1870), Fr. Müller (»Grundriß der Sprachwissenschaft«, 2. Bd., Wien 1877), Schils (Löwen 1891), Seidel (Wien 1892), ein Nama-deutsches Wörterbuch Olpp (Barm. 1888); eine Grammatik des Koradialekts Wuras (in Appleyards »Kafir language«, King Williamstown 1850); eine vergleichende Grammatik der drei Dialekte Bleek (»Comparative grammar of South-African languages«, Lond. 1862–69, 2 Bde.); einen »Wortschatz der Khoi-Khoin« Krönlein (Berl. 1889). Interessante Proben khoikhoischer Tiermärchen enthält Bleeks »Reineke Fuchs in Afrika« (Weim. 1870).
Die früheren Waffen: Bogen und vergiftete Pfeile, Assagai (Wurfspieß), Kiri (Wurfkeule) und schwere Stöcke aus Eichenholz sind jetzt durch Gewehre verdrängt worden. Wie alle Afrikaner verstanden die Khoikhoi das Eisen zu schmelzen. Ihre Hütten, aus Holzgerüst mit kunstvoll geflochtenen Binsenmatten in Bienenkorbform, werden beim Wechsel der Weidegründe schnell abgebrochen und auf Packochsen verladen, doch tritt neben diesem nach dem Beispiel der Baster mehr und mehr das Lehmhaus auf.
Viehzucht und Jagd sind Hauptbeschäftigungen der Männer, die den Frauen den größten Teil der Arbeit überlassen, doch ist die Frau unbeschränkte Herrin im Haus. Das Alter wird im hohen Maße geehrt. Die Nahrung besteht in Milch und Fleisch, und wo diese, wie häufig, fehlen, in Wurzeln, Zwiebeln etc., die sie mit wunderbarem Scharfsinn aufzuspüren verstehen. Der früher verbotene Genuss des Hasen ist jetzt allgemein geworden.
Die Verfassung ist patriarchalisch; jede kleine Vereinigung, bis auf die Familie herab, hat ihren Vorsteher oder Ältesten, während einer von diesen wieder die Oberhoheit über alle zum Stamm zählenden kleineren Abteilungen besitzt. In ihren religiösen Vorstellungen ist der große »Kapitän« Tsuigoab (»Wundknie«) der mit besonderer Macht ausgestattete Geist eines höheren Häuptlings. Man findet auch Mond-, Stern- und Tierkultus. Die Verehrung der überirdischen Mächte geschieht durch Anrufungen und Opfer, d. h. man bringt ihnen Vieh dar, deren Fleisch von den Opfernden genossen wird. Ein großer Teil der Khoikhoi hat den christlichen Glauben angenommen.
Bibliographie
- Fritsch, G.: Die Eingebornen Südafrikas (Bresl. 1873)
- Ratzel: Völkerkunde, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1894)
- Schinz: Deutsch-Südwestafrika (Oldenb. 1891)
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909