Totem
Totem (von Ojibwe ᑑᑌᒼ oder ᑑᑌᒻ „doodem“), bei den Ojibwe in Nordamerika das Handzeichen, dessen sich die Häuptlinge statt der Namensunterschrift bedienen, und das meist in einem rohen Bilde des Tieres besteht, von dem die Sippe des Betreffenden ihren Namen trägt. Danach versteht man nach Lubbock unter Totemismus alle Erscheinungen, bei denen eine bestimmte Verwandschaftseinheit (deutsch Sippe, römisch Gens, griechisch Genos, schottisch Clan), bei der mutterrechtliche Familientrennung (s. Mutterrecht) mit Exogamie in einfachen Verhältnissen immer Hand in Hand geht, sich mit einem bestimmten Tier, einem Gerät u. dgl. für verwandt hält, von dem sie nach ihrem Glauben abstammt. Aus diesem Glauben heraus erklärt es sich, dass das Totem von der ganzen Sippe heilig gehalten und verehrt wird, dass das Totemtier nicht gejagt und nicht gegessen werden darf, ja dass es bei manchen Völkern für das höchste Glück gilt, von jenem gefressen zu werden. Erworben wird das Totem durch freiwillige Verbrüderung mit einem zufällig oder im ekstatischen Traum erblickten Wesen (ein Zustand, der noch in unzähligen Märchen und selbst in serbischen Volksliedern der Gegenwart vorkommt), oder aber der Totem verwächst auch mit einer Gottheit oder Ahnengestalt, um damit einen höheren, mächtigeren Clanschützer zu bilden.
Bekannte Modelle
- Totempfahl, 1:25 Marolin 19425
- Totempfahl, 1:30 Jean Höfler ac01
- Totempfahl, 1:32 SHG
- Totempfahl, 1:32 Timpo
Im alten Ägypten verehrte jeder Gau und dessen Hauptstadt ein besonderes Tier, das einbalsamiert und für unverletzlich erklärt wurde. Auf Fidschi gibt es eine Schlangengottheit und einen Schlangenclan, und in malaiischen und melanesischen Regionen hängt die Wahl meist mit dem Seelenwanderungsglauben zusammen. Auf seinem Totenbett macht dort der Vater seiner Familie bekannt, dass er beabsichtige, in den Körper eines Krokodils, eines Hais etc. zu fahren, und nimmt den Angehörigen das Versprechen ab, diese Tiere niemals zu verfolgen oder zu töten. Tierkult und Totemismus stehen in der Tat in innigsten Wechselbeziehungen; ebenso wie sich auch der Seelenwanderungsglaube überall, wo Totemismus herrscht, feststellen lässt. Bei uns erinnern an diesen noch mit Wahrscheinlichkeit die zahlreichen von Tieren abgeleiteten Eigennamen (Wolfgang, Wolfram, Bernhard), sodann die Göttertiere (Wodans Wolf und Rabe, Freias Katze), an jene aber die deutsche Sage, in der schon die Seele des Lebenden in Tiergestalt erscheint, als Maus oder Hummel aus dem Munde des Schlafenden hervorkommt und vor dem Erwachen zurückkehrt (Weiteres s. bei Seelenwanderung). Verbreitet ist der Totemismus anscheinend über beträchtliche Teile der gesamten Menschheit; am stärksten ausgeprägt, auch am besten studiert, ist er bei den nordamerikanischen Indianern und den Hyperboreern; er kehrt aber in mannigfaltigster Form auch bei den älteren Bevölkerungsschichten Südasiens, dann bei den Malaien, Melanesiern und Australiern, endlich auch in Afrika wieder.
Bibliographie
- Frazer, J. G.: Totemism (Edinb. 1887)
- Frazer, J. G.: Observations on Central Australian Totemism (im »Journal of the Anthropological Institute N. S.«, Bd. 1, Lond. 1899)
- Lang, A: The secret of the Totem (Lond. 1905)
- Lubbock: The origin of civilization (1870, 6. Aufl. 1901; deutsch, Jena 1875)
- Morgan: Systems of consanguinity and affinity of the human family (Washingt. 1869)
- Morgan: Ancient Society (New York 1877; deutsch von Eichhoff und Kautsky, Stuttg. 1881)
- Pikler und Somló: Der Ursprung des Totemismus (Berl. 1900)
- Schurtz: Urgeschichte der Kultur (Leipz. 1900)
- Tylor: Die Anfänge der Kultur (deutsch, Leipz. 1873, 2 Bde.)
- Tylor: Remarks on Totemism (im »Journal of the Anthropological Institute N. S.«, Bd. 1, Lond. 1899)
- Zapletal: Der Totemismus und die Religion Israels (Freiburg i. S. 1901)
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909