Nischni Nowgorod

Nischni Nowgorod (Nishegorod), Gouvernement in Russland (s. Karte »Polen und Westrussland«), grenzt im Süden an die Gouvernements Tambow und Pensa, im Osten und Nordosten an Simbirsk, Kasan und Wjatka, im Norden an Kostroma, im Westen an Wladimir und umfasst 51.273,6 km² (931,18 mi²). Bewässert wird Nischni Nowgorod durch die Wolga, die hier neben einer Menge kleinerer die schiff- und flößbaren Nebenflüsse Wetluga, Kershenez (links), Oka, Tschugunka und Sura (rechts) aufnimmt, und von ca. 350 unbedeutenden Seen. Die Wolga teilt das Gouvernement in zwei ungleiche Teile, von denen der kleinere (ein Drittel), am linken Ufer, eine weite Niederung bildet und mit großen Sümpfen und undurchdringlichen Wäldern bedeckt ist, während der südlich am rechten Ufer gelegene Teil aus einer von vielen Schluchten unterbrochenen Hochebene besteht, die in der Richtung zur Wolga wellenförmig wird und dort zum Fluss 60–90 m steil abfällt.

Das Klima ist in den nördlichen Kreisen bedeutend rauer und feuchter als in den südlichen. Die mittlere Jahrestemperatur für Nischni Nowgorod beträgt 3,9°. Die Bevölkerung beläuft sich (1897) auf 1.584.774 Einwohner (31 auf 1 km²). Sie setzt sich zusammen aus 140.000 Mordwinen, 2500 Tscheremissen und 49.000 Tataren, im übrigen Russen (88 Proz.) und ist zu 92 Proz. griechisch-orthodox, 5 Proz. altgläubig, 2 Proz. muslimisch. Das Gesamtareal setzt sich zusammen aus 42,8 Proz. Ackerland, 38,2 Proz. Wald, 9,9 Proz. Wiesen und Weide, 8,4 Proz. Unland. Der Ackerbau deckt nur in den südlichen Kreisen (mit Schwarzerde) den inneren Bedarf. Die Ernte lieferte 1902: 5079 Ton. Weizen, 452.394 t Roggen, 164.738 t Hafer, 7741 t Gerste, 16.594 t Erbsen und 326.917 t Kartoffeln. Der Viehstand belief sich 1902 auf 242.000 Pferde, 295.000 Stück Hornvieh, 455.000 Schafe und 74.000 Schweine. Der früher bedeutende Wald ist in letzter Zeit durch unrationelle Forstwirtschaft sowie durch Waldbrände sehr zusammengeschmolzen. Nördlich von der Wolga kommt nur Nadelwald vor, südlich ist er hier und da mit Birken und Linden gemischt. An Mineralien werden gewonnen: Salz (bei Balachna), Gips, Kalk, Torf, Ton sowie Sumpfeisen und Erze. 1901 wurden 120.244 t Eisenerze gewonnen und 64.824 t Roheisen produziert.

Die Hausindustrie ist in Nischni Nowgorod besonders stark entwickelt. So beschäftigen sich allein mit den verschiedensten Holzarbeiten, vom Bastmattenflechten bis zum Schiffbau, über 60.000 Einwohner. Einen besonderen Ruf hat sich der Kreis Semenow durch seine Holzlöffel, der Kreis Balachna durch seine Spindeln, Makarjew durch seine eisenbeschlagenen Kisten erworben, welche Produkte bis nach Bochara und Persien versandt werden. Mit Schmiede- und Schlosserarbeiten beschäftigen sich mehr als 70.000 Einwohner. Hervorragendes leisten besonders die Dörfer Pawlowo und Worsma (Kreis Garbatow) durch ihre Messer, Scheren und Schlösser. Die Kürschner- und Lederindustrie ist besonders stark in den Kreisen Sergatsch, Arsamas und Knjaginin verbreitet. Von sonstigen Beschäftigungen sind nennenswert: die Lein- und Handschuhweberei, Netzflechterei, das Fuhrmannshandwerk, an der Oka und Wolga der Äpfel- und Gemüsebau, die Bienenzucht bei den Mordwinen und Tscheremissen und endlich die Jagd im nördlichen Teil. Die Großindustrie beschäftigte 1900: 515 Fabriken mit 39.407 Arbeitern und einem Produktionswert von 44 Mill. Rubel. Die hauptsächlichsten Industrien sind: Getreidemüllerei (12,8 Mill. Rubel), Eisenindustrie und Maschinenbau (8,5 Mill. Rubel, die bedeutendste ist die Sormowsche Fabrik) und Lederindustrie. Das Gouvernement wird eingeteilt in elf Kreise: Ardatow, Arsamas, Balachna, Gorbatow, Knjaginin, Lukojanow, Makarjew, Nischni Nowgorod, Seménow, Sergatsch und Wasil Sursk.

Militär

  • Nishegorod Infanterieregiment
  • Nishegorod Dragonerregiment (18. Jahrhundert)
  • Nishegorod Garnisonbataillon

Nischni Nowgorod (Nishegorod), Hauptstadt des gleichnamigen russ. Gouvernements, liegt malerisch am Einfluss der Oka in die Wolga, an deren rechtem hohen Ufer sie amphitheatralisch sich ausbreitet, 150 m ü. M., und ist Knotenpunkt der Eisenbahnen Moskau-Nischni Nowgorod und Nischni Nowgorod-Timirjasewo. Sie besteht aus drei Teilen, der auf drei Bergen gelegenen Oberstadt mit dem Kreml, von wo man eine prachtvolle Aussicht weithin über das linke flache Ufer der Wolga genießt, der Unterstadt am Flussufer und der mit dieser durch eine Pontonbrücke verbundenen Slobode Kunawino, zwischen dem linken Oka- und dem rechten Wolgaufer, wo auf der durch die beiden Flüsse gebildeten Landzunge auch die berühmte Messe stattfindet. Die Stadt hat 68 griechisch-orthodoxe Kirchen, zwei der Altgläubigen, eine römisch-katholische, eine luther. Kirche, drei Klöster, eine Synagoge und zwei Moscheen. Bemerkenswert darunter sind: die 1221 erbaute Preobrashenskij-Kathedrale, die Kathedrale der Verkündigung Mariä (14. Jahrhundert), die Archangelskij-Kathedrale (1222 errichtet, 1620 neugebaut), die Alexejewskaja-Kirche (aus dem 17. Jahrhundert, 1823 neugebaut) und das Petscherskij-Kloster (14. Jahrhundert, mit der Himmelfahrtskirche, wundertätigem Marienbild und reicher Bibliothek). Ferner besitzt Nischni Nowgorod ein geistliches Seminar mit tatarischer Abteilung, das Alexandrowsche Knaben- und das Mariensche Fräuleininstitut, das aus Nowgorod hierher übergeführte Araktschejewsche Kadettenkorps, drei Gymnasien, eine Real- und eine Kommerzschule, zwei Theater, Salzmagazine, 14 Bankanstalten (darunter die 1870 gegründete Kaufmannsbank), gegen 250 Ambaren (Warenlager) und 6500 Buden für den Messhandel sowie für die verschiedenen Waren sieben Landungsplätze an den Flüssen, mit einer Gesamtlänge von über 15 km. Die Zahl der Einwohner beträgt (1897) 90.053 (während des Jahrmarkts aber bis 200.000).

Die Industrie Nischni Nowgorods beschränkt sich auf dieselben Zweige wie die im Gouvernement (s. oben). Der Handel, namentlich mit Naphtha, Petroleum, Salz, Getreide, Metall und Fischen, ist blühend. Wasserverbindung besteht durch die Wolga, deren Nebenflüsse und Kanalsysteme mit dem Schwarzen, Baltischen und Kaspischen Meer. Berühmt und eine der wichtigsten Städte Russlands ist Nischni Nowgorod durch seinen vom 15. Juli (a. St.) bis zum 10. Sept. dauernden (sogen. Makarjewschen) Jahrmarkt, der den Mittelpunkt des Handels zwischen Europa und Asien bildet. Die Messe wurde 1550 von Iwan dem Grausamen in Makarjew eingerichtet, um die russischen Kaufleute und den Handel von der Messe im tatarischen Arsk (früher im alten Bolgar) abzulenken, und 1817 nach dem Brande dieser Stadt nach Nischni Nowgorod verlegt. Doch verliert der Jahrmarkt immer mehr an Bedeutung unter dem Einfluss der sich ausdehnenden Verkehrsmittel. Der Wert der dort aufgespeicherten Waren betrug 1857: 86 Mill., 1865: 111,5 Mill., 1881: 246,2 Mill. (Maximum), 1887. 193 Mill., 1890: 181,5 Mill., 1895: 174,4 Mill., 1399: 172 Mill. Rubel. Hauptumsatzartikel sind Manufakturwaren aller Art, insbes. baumwollene (1899 für 56,5 Mill. Rubel) und wollene (17 Mill. Rubel), ferner Rauchwaren und Felle (14 Mill. Rubel), worin die Messe auch heute noch internationale Bedeutung hat, Häute und Leder, Tee, Uralmetalle, chemische Artikel, Galanteriewaren etc. Im Sommer 1896 fand in Nischni Nowgorod die bisher größte und bedeutendste nationale Ausstellung Russlands statt. – Nischni Nowgorod wurde vom Großfürsten Jurij Wsewolodowitsch 1221 als Grenzfestung gegen die Mordwinen angelegt. Seit 1350 die glänzende Residenz der Fürsten von Susdal, wurde es 1392 Moskau einverleibt. Nischni Nowgorod ist wiederholt von den Mordwinen, Mongolen und den Tataren überfallen und verbrannt worden.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Historische Orte