Eisenbahn
Eisenbahn (railway, railroad; chemin de fer, voie ferrée; ferrovia, strada ferrata) ist im weitesten Sinne jede mit eisernen Schienensträngen als Spur der Fahrzeuge ausgerüstete Bahn. Unter Bahn (line, trackway; ligne, voie) versteht man eine künstliche Unterlage für Fuhrwerke, die zu dem Zweck hergestellt wird, die Bewegung der Fuhrwerke durch Verminderung der Bewegungswiderstände zu erleichtern (Fahrbahn der Straße). Erhält die Bahn ein Gleis, durch das der Weg des Fahrzeuges geregelt und sein Widerstand noch weiter vermindert wird, dann wird sie zur Spurbahn. So hatten die alten Griechen ihre Straßen, auf denen die Opferfuhrwerke zu den großen Festspielen befördert wurden, mit Spurrillen für die Räder versehen; auch Ausweichen waren angelegt. Ebenso pflegten die Römer den Verkehr auf manchen Straßen durch Spurrillen zu erleichtern; auf den alten Römerwegen in Bosnien finden sich noch Rillen in der felsigen Fahrbahn.
In anderer Form und als Ausgangspunkt der Eisenbahn begegnet man der Spurbahn zu Ende des Mittelalters in deutschen Bergwerken, von wo aus sie durch Bergleute nach England gebracht wurde und zuerst (um das Jahr 1620) in Südwales bei der Förderung in Bergwerken über Tag Verwirklichung fand. Das Gleis bestand aus Holzbohlen, die auf Querhölzern festgenagelt waren. Schrittweise vervollkommnete man diese Holzbahnen; von den Verbesserungen ist als wesentlichste das Anbringen einer Leiste an der Innenseite der Bohlen zu erwähnen, die das Abgleiten der Räder von der Bahn verhinderte. Ein Preissturz des Eisens i. J. 1767 veranlasste den Mitbesitzer der Colebrook Dale-Werke, Mr. Reynolds, das im Vorrat erzeugte Eisen in starke, oben konkave Platten zu gießen und mit diesen die Holzbohlen der Spurbahnen zu belegen, um so bei dem starken Verkehr die rasche Abnutzung der Bohlen auf seiner Kohlenbahn zu verhindern. Die Anordnung bewährte sich so vorzüglich, dass Reynolds die Absicht, bei höheren Eisenpreisen die Platten wieder abzunehmen, nicht verwirklichte; vielmehr wurden auch anderwärts die Holzbahnen durch Colebrook Dale-Schienen verbessert.
Ein vollkommeneres Schienenprofil wurde i. J. 1776 von B. Curr in Sheffield eingeführt, der einen Rand an die Außenkante der Platten angoss und dadurch die Fuhrwerke in der Spur festhielt. Der Abstand, der Ränder war, der englischen Straßenspur entsprechend, 5 Fuß engl. (= 1,525 m). Dieses Maß wurde auch später bei Schienen mit flachem Kopf von Außenkante zu Außenkante beibehalten, woraus sich für den Abstand der Innenkanten 4 Fuß 8½ Zoll engl. (= 1,435 m) – die seitherige Regel-, Voll- oder Normalspur (s. d.) – ergab. Diese Schienen wurden 1789 von Jessop verbessert; die ersten schmiedeeisernen Schienen wurden von Birkenshaw verwendet. Im Jahre 1793 goss Outram 3 Fuß lange Schienenstücke, unten durch eine Rippe in Fischbauchform versteift, und verlegte sie auf Steinwürfeln; die Karren erhielten, wie dies in Gruben schon längere Zeit üblich war, Spurkränze an den Rädern, um sie auf der hohen Schiene festzuhalten. Das Gleis konnte mithin nicht mehr von jedem Straßenfuhrwerke befahren werden; die eiserne Spurbahn tritt als selbständiges Verkehrsmittel auf; die Entwicklung der Spurbahn als solche ist abgeschlossen; es beginnt das Zeitalter der Eisenbahn.
Die erste Spurbahn wurde durch Menschenkraft betrieben, an deren Stelle sehr bald außerhalb der Bergwerke tierische Betriebskraft (Pferdebetrieb) trat.
Im Jahre 1801 wurde die erste Konzession zum Betrieb einer Eisenbahn vom englischen Parlament erteilt. Es war dies eine für den Transport von Kohlen, Getreide sowie anderer Güter bestimmte, mit Pferden betriebene Eisenbahn von Wandworth nach Croydon (bei London). Die Konzession wurde der »Surrey Eisenbahngesellschaft« erteilt und ihr gleichzeitig auch bewilligt, Personen zu festgesetzten Preisen zu befördern. Die Erteilung weiterer Konzessionen erfolgte nun fast in jedem Jahre. 1821 wurde die gleichfalls für Pferdebetrieb eingerichtete Eisenbahn von Stockton-on-Tees konzessioniert, auf der Stephenson seine, eine neue Ära begründenden Versuche zur Einführung der Dampflokomotive erfolgreich durchführte. Hiermit ist erst die Eisenbahn im eigentlichen Sinne des Wortes fertig und unterschieden die Engländer fortan, indem sie den Namen »railway« nur den Dampfbahnen vorbehalten, diese gegen die lokalen Bahnen mit Pferdebetrieb, die sie »tramway« benennen.
Mit den ersten eisernen Gleisbauten setzten schon die Versuche ein, die Fahrzeuge mit Dampfkraft fortzubewegen.
1830 gelangte auf der Liverpool-Manchester-Eisenbahn die auf Grund eines Wettbewerbs von George Stephenson erbaute Lokomotive zur Verwendung, die ansehnliche Lasten mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit zu befördern vermochte. Dieses Ereignis wirkte bahnbrechend für das gesamte Verkehrswesen der Erde.
Allerdings waren die Dampflokomotiven bis nahezu gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts von der Anwendung auf Steilrampen ausgeschlossen, über die die Züge durch feststehende Dampfmaschinen befördert wurden; dann aber eroberten sie sich auch rasch die Gebirge.
Quelle: Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Berlin, Wien 1917