Stereoskop

Stereoskop (griech.), optisches Instrument, das zwei ebene Bilder desselben Gegenstandes derart kombiniert, dass der Beschauer den Eindruck eines körperlichen Gegenstandes erhält. Nahe Gegenstände sehen wir mit dem rechten Auge etwas mehr von der einen, mit dem linken Auge etwas mehr von der anderen Seite, und die Kombination dieser etwas ungleichen Bilder zu einem Totaleindruck trägt wesentlich dazu bei, die flächenhafte Anschauung des einzelnen Auges zu einer körperlichen, einer plastischen zu erheben.

Fig. 1. Wheatstones Spiegelstereoskop.

Eine auf einer Fläche ausgeführte Zeichnung oder ein Gemälde kann immer nur die Anschauung eines einzelnen Auges wiedergeben; bietet man aber jedem Auge das passend gezeichnete Bild eines Gegenstandes dar, so werden sich beide Bilder zu einem einzigen Totaleindruck vereinigen. Wheatstone erreichte diese Vereinigung durch sein Spiegelstereoskop (Fig. 1), das aus zwei rechtwinklig gegeneinander geneigten Spiegeln ab und ac besteht, deren Ebenen vertikal stehen.

Fig. 2. Brewsters Linsenstereoskop.

Der Beobachter schaut mit dem linken Auge l in den linken, mit dem rechten Auge r in den rechten Spiegel. Seitlich von den Spiegeln sind zwei verschiebbare Brettchen angebracht, welche die umgekehrten perspektivischen Zeichnungen d und e eines Objekts aufnehmen. Durch die Spiegel werden nun die von entsprechenden Punkten der beiden Zeichnungen ausgehenden Strahlen so reflektiert, dass sie von einem einzigen hinter den Spiegeln gelegenen Punkt m zu kommen scheinen. Jedes Auge sieht also das ihm zugehörige Bild an demselben Ort des Raumes, und der Beobachter erhält daher den Eindruck, als ob sich daselbst der Gegenstand körperlich befände. Brewster hat die Spiegel dieses Instruments durch linsenartig gewölbte Prismen ersetzt, und diese Stereoskope (Fig. 2) sind jetzt allgemein im Gebrauch. Eine Sammellinse von etwa 18 cm Brennweite ist durchschnitten; die beiden Hälften A und B sind, mit ihren scharfen Kanten gegeneinander gerichtet, in einem Gestell befestigt, und an dessen Boden wird das Blatt, das die beiden Zeichnungen aa‘ und bb‘ (gewöhnlich photographische Bilder) enthält, eingeschoben. Durch die Anwendung der Linsenstücke ist es zunächst möglich, die Bilder dem Auge näher zu bringen; dann aber wirken sie auch wie Prismen, indem die Linsenhälfte vor dem rechten Auge R das Bild etwas nach dem linken schiebt, während das Bild der mit dem linken Auge L betrachteten Zeichnung etwas nach rechts gerückt erscheint. Auf diese Weise wird das vollständige Zusammenfallen der beiden Bilder bei CC‘ hervorgebracht. Wenn man durch eine zwischen den Bildern befindliche senkrechte Scheidewand dafür sorgt, dass jedes Auge nur das ihm zugehörige, nicht aber das für das andere bestimmte Bild sieht, so ist eine besondere Vorrichtung, um die Bilder zur Deckung zu bringen, nicht nötig (Stereoskop von Frick). Im Stereoskop von Steinhauser mit konkaven Halblinsen muss das für das rechte Auge bestimmte Bild links, das für das linke bestimmte rechts liegen; die Bilder des Brewsterschen Stereoskops würden darin mit verkehrtem Relief erscheinen (Pseudoskop, s. d.). Druckt man zwei stereoskopisch aufgenommene Bilder etwas seitlich verschoben übereinander, und zwar das eine mit roter, das andere mit grüner Farbe, und betrachtet sie durch eine Brille mit einem roten und einem grünen Glas, so sieht man ein schwarzes stereoskopisches Bild. Durch das rote Glas sieht man nämlich das rote Bild nicht, da das rot bedruckte Papier gleichmäßig rot erscheint, durch das grüne Glas betrachtet, erscheint aber das rote Bild schwarz auf grünem Grunde. Das andere Auge sieht aus gleichem Grund ein schwarzes Bild auf rotem Grund. Grün und Rot vereinigen sich als Komplementärfarben zu Weiß, so dass das plastische Bild schwarz auf weißem Grund erscheint. D‘Almeida benutzte 1858 dieses Prinzip zur Erzeugung stereoskopischer Projektionsbilder, ein Verfahren, das durch Pezold durch Wahl geeigneter Farben wesentlich verbessert worden ist. Ducos de Hauron (1894) nannte solche Bilder Anaglyphen. Man benutzt das Stereoskop zur Unterhaltung, zur Veranschaulichung trigonometrischer und stereometrischer Lehrsätze und zum Studium der Gesetze des binokularen Sehens. Dove demonstrierte mit Hilfe des Stereoskops die Entstehung des Glanzes. Er benutzte das Stereoskop auch zur Unterscheidung echter Wertpapiere von unechten. Bei Betrachtung der zu vergleichenden Papiere gelangen die einzelnen Zeichen, die nicht genau mit dem Original übereinstimmen, nicht zur Deckung und befinden sich anscheinend in verschiedenen Ebenen.

Auf zwei einige Zeit nacheinander hergestellten Himmelsaufnahmen sind die Planeten gegen die Fixsterne verschoben, scheinen also im Stereoskop nicht in gleicher Ebene. Setzt man Zeiger darauf, so kann man leicht ermitteln, um wie viel der eine verschoben werden muss, um das scheinbare Vor- und Zurücktreten zu beseitigen, d. h. man kann die Verschiebung des Planeten in der Zeit zwischen den beiden Aufnahmen messen (Stereokomparator). Zwei Himmelsaufnahmen, die nacheinander angefertigt sind in einer Zeit, während sich die Erde von einem Ende eines Durchmessers ihrer Bahn bis zum anderen bewegt hat, lassen im Stereoskop den Himmel so erscheinen, wie ihn ein Mensch sehen würde, dessen Augen um den Durchmesser der Erdbahn voneinander entfernt sind. Man sieht dann deutlich die Planeten als nähere Himmelskörper vor den Fixsternen frei im Raum schweben in verschiedenen Entfernungen, entsprechend ihren wirklichen Abständen von der Erde. Ebenso kann man den Mond als plastischen Körper sehen, den Saturn mit seinen Ringen etc.

Die Vorteile des Sehens mit zwei Augen vermindern sich in dem Maß, als die zu beschauenden Gegenstände weiter weg liegen, und verschwinden völlig beim Betrachten einer landschaftlichen Ferne. Die Augen liegen zu nahe, als dass sich einem jeden derselben ein merklich verschiedenes Bild darstellen könnte. Das Telestereoskop von Helmholtz bietet dem Beschauer zwei sich deckende Bilder einer Landschaft dar, gleich als ob das eine Auge von dem anderen mehrere Fuß abstände. Das Instrument besteht aus vier Planspiegeln, die senkrecht in einem hölzernen Kasten und unter 45° gegen dessen längste Kanten geneigt befestigt sind. Das von dem fernen Objekt kommende Licht fällt auf die zwei äußeren großen Spiegel, wird von diesen rechtwinklig auf die beiden inneren reflektiert und gelangt, nachdem es auch von den kleineren inneren Spiegeln rechtwinklig reflektiert wurde, in die Augen des Beobachters. Jedes Auge erblickt in den kleinen Spiegeln das von den großen Spiegeln reflektierte Bild der Landschaft in einer solchen perspektivischen Projektion, wie sie von den beiden großen Spiegeln aus erscheint. Will man das Bild vergrößern, so kann man die Lichtstrahlen, ehe sie in die Augen gelangen, auch noch durch kleine Fernrohre gehen lassen. Zeiß verwendet an Stelle der Spiegel totalreflektierende Prismen (Relieffernrohr, s. Fernrohr; vgl. auch Distanzmesser).

Bibliographie

  • Brewster: The stereoscope (Lond. 1856)
  • Hartwig: Das Stereoskop und seine Anwendungen (Leipz. 1907)
  • Manchot, W.: Das Stereoskop (Leipz. 1903)
  • Ruete: Das Stereoskop (2. Aufl., Leipz. 1867)
  • Steinhauser: Über die geometrische Konstruktion der Stereoskopbilder (Graz 1870)
  • Steinhause: Die theoretischen Grundlagen für die Herstellung der Stereoskopenbilder (Wien 1897)
  • Stolze: Die Stereoskopie und das Stereoskop in Theorie und Praxis (Halle 1894)

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe