Odessa

Odessa, 1) Stadtgouvernement, welches die gleichnamige Stadt mit einem kleinen Gebiet umfasst, einen Kreis des russischen Gouvernements Cherson bildet und 140.000 Einwohner zählt;

Militär

  • Odessa Musketierregiment (1805)
    • 40. Jägerregiment (1810)
  • Odessa Infanterieregiment (1811)
  • Odessa Griechisches Infanteriebataillon (3 Kompanien)

Odessa, 2) Stadt im gleichnamigen Gouvernement am Schwarzen Meere, am westlichen Ufer einer großen Bai, auf hoher Küste gelegen, so dass eine Treppe von 100 Fuß zum Hafen hinabführt, rings von Steppe umgeben, ist die dritte Stadt des Russischen Reichs und Sitz des Generalgouverneurs von Neu-Russland und Bessarabien, eines Militärgouverneurs und des Erzbischofs von Cherson und Taurien. Odessa ist offen, hat mehre öffentliche, mit Alleen geschmückte Plätze und Märkte, die schöne Straße längs der Küste heißt der Boulevard, wo dem Herzog von Richelieu 1826 ein Denkmal errichtet wurde; Botanischen Garten; 16 Kirchen (darunter die Kathedrale St. Nikolaus, evangelische und katholische Kirche), Synagoge, das Richelieulyceum mit einer adligen Pension, Institut für Orientalische Sprachen mit Bibliothek, Gymnasium, adeliges Fräuleinstift, mehre Kreisschulen, Technologisches Institut, Hebräische Schule, Schule für Acker- und Gartenbau, öffentliche Bibliothek, Dendrographisches und Mineralogisches Kabinett, Gesellschaft für Geschichte und Altertümer, Museum für Altertümer, drei Theater, Börse, Comptoir der Commerzbank, mehrer wohltätige Anstalten (darunter eine für Deutsche), großen Bazar (Palais royal), Jahrmarkt vom 14. September bis 1. Oktober, mehre Kasernen, Quarantäneanstalt, Sitz einer russischen Dampfschifffahrtsgesellschaft. In zahlreichen Fabriken fertigt man Tuch, Baumwollen- und Seidenzeuge, Seife, Seile, auch hat man große Schiffswerften, Schmiedewerkstätten, Branntweinbrennereien und Bierbrauereien; die Fischerei ist bedeutend, das Hauptgeschäft Odessas aber ist der Handel, da die Stadt Stapelplatz des ganzen russischen Handels im Schwarzen Meer ist; bes. wird das Getreide Südrusslands und Wolhyniens, doch auch viel Mehl, Talg, Eisen, Kupfer, Kaviar, Wachs, Hausenblase, Pottasche, Teer, Tauwerk, Pökelfleisch, Häute, Butter, Wolle etc. ausgeführt; eingeführt werden dagegen die Produkte der Levante und überhaupt der Küsten des Mittelmeers. Der Hafen ist durch zwei Dämme in drei Teile (Quarantaine-, Kriegs- und Handelshafen) geteilt, aber wegen seiner nicht hinreichenden Tiefe müssen die Schiffe von großem Tiefgang weit ab von der Küste ankern, auch gewährt er keinen Schutz gegen die heftigen Südost- und Ostwinde. Durch den Krieg von 1853–56 litt der Handel zwar bedeutend, nahm aber nach dem Frieden wieder neuen Aufschwung. Ein seit 1833 auf dem Kap Takli angelegter Leuchtturm leitet die aus- und einfahrenden Schiffe bei Nacht. Eine Wasserkunst, eine Meile von der Stadt entfernt, versorgt die Stadt mit Wasser. Die Einwohnerzahl betrug 1856 über 101.000 Seelen: Russen, Franzosen, Italiener, Engländer, Deutsche (fast alle Handwerker sind Deutsche), Juden etc. – Odessa wurde 1792 südwestlich von dem alten Odessos auf der Stelle des früheren tatarischen Dorfes Chadschibey (Hacıbey, Hadschibei) auf den Rat des Admirals Ribas von der Kaiserin Katharina II. angelegt und blühte schnell empor, bes. seit 1803, wo der Herzog von Richelieu Gouverneur daselbst wurde; dieser fand 400 Häuser und 7–8000 Einwohner, und als er 1814 seine Stelle abgab, verließ er 2600 Häuser mit 35.000 Einwohnern. Nach Richelieu machten sich die Grafen Langeron und Woronzow um das Wachstum Odessas verdient. Von 1817–1857 (15. Aug.) war Odessa ein Freihafen; am 22. April und am 16. Mai wurde Odessa von den verbündeten Flotten der Franzosen und Engländer wiederholt beschossen, doch ohne großen Schaden zu leiden, obgleich es nur durch einige schnell angelegte Batterien am Strand und auf dem Hafendamm verteidigt wurde.

Quelle: Pierer’s Universal-Lexikon 4. Auflage 1857–1865

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