Perspektive

Perspektive.

Perspektive (v. lat. perspicěre, »deutlich sehen«), die Kunst, Gegenstände so abzubilden, wie sie dem Auge des Beobachters von einem bestimmten Punkt aus erscheinen. Sie zerfällt in zwei Teile, die mathematische oder Linear- (Linien-) perspektive und die Luftperspektive. Erstere lehrt die einzelnen Punkte und Linien der Objekte an der richtigen Stelle auf der Bildfläche darstellen und bildet die praktische Anwendung der Zentralprojektion (s. Projektion); letztere dagegen handelt von der größeren oder geringeren Deutlichkeit, die den Umrissen der Objekte nach ihrer Entfernung zukommt, von den Änderungen, welche die Farben mit der Entfernung durch Absorption des Lichtes in der Atmosphäre erleiden, u. dgl.

Wesentliche Förderer der Perspektive waren die Florentiner Brunellesco und Paolo Ucello (1397–1475), der Maler Dürer und der Mathematiker Lambert durch seine »Freye Perspektive« (2. Aufl., Zürich 1794). Mit dem Namen Parallelperspektive bezeichnet man auch die Axonometrie und die schiefe Parallelprojektion (s. Projektion), zu der unter anderen die sogen. Militär- und Kavalierperspektive gehört, bei der die Projektionsstrahlen die Bildfläche unter 45° treffen. Reliefperspektive, s. Projektion.

Erzwungene Perspektive: die oben abgebildete Filmkulisse ausnahmsweise frontal betrachtet. Senkrechte Linien sind im Modell senkrecht, aber alle horizontalen Linien laufen hier auf einen gedachten Fluchtpunkt am Horizont zu. Auf eine zum Fluchtpunkt hin leicht ansteigenden Grundplatte gestellt und mit der Flucht der Fassade zum Fluchtpunkt gerichtet, erzeugt diese Kulisse eine Illusion von Tiefe.
Erzwungene Perspektive: die oben abgebildete Filmkulisse ausnahmsweise frontal betrachtet. Senkrechte Linien sind im Modell senkrecht, aber alle horizontalen Linien laufen hier auf einen gedachten Fluchtpunkt am Horizont zu. Auf eine zum Fluchtpunkt hin leicht ansteigende Grundplatte gestellt und mit der Flucht der Fassade zum Fluchtpunkt gerichtet, erzeugt diese Kulisse eine Illusion von Tiefe.

Die Perspektive ist eine der Hilfswissenschaften der Architektur und Malerei. Zur Herstellung perspektivisch richtiger Zeichnungen benutzt man Perspektivlineale (Fluchtpunktschienen), die dazu dienen, einen unzugänglichen Flucht- oder Verschwindepunkt, d. h. einen Punkt, in dem sich die perspektivischen Bilder paralleler Geraden vereinigen, zu ersetzen. Abbildungen und Erläuterungen s. »Zeitschrift für Instrumentenkunde«, 1883 (Cranz), »Deutsche Bauzeitung«, 1885 (Schupmann), und die Lehrbücher von Thibault, Schreiber, Streckfuß. 1884 wurden drei perspektivische Apparate bekannt, mittels deren man perspektivische Bilder nach geometrischen Darstellungen entweder nach zwei Ansichten oder nach einem Grundriss und einer Ansicht zeichnen kann. Der Rittersche Perspektograph (vgl. »Deutsche Bauzeitung«, »Zentralblatt der Bauverwaltung«, 1884, und Ritter, Der Perspektograph, Frankf. 1884) und das Instrument von Brix (Patentschrift Nr. 27,646 D. R.-P.) zerlegen die Darstellungen z. B. eines Bauwerkes in parallele Ebenen (Schnitte), die einzeln in Perspektive gezeichnet werden, und an die dann die Begrenzungen zu ziehen sind. Sehr einfach ist der Prospektograph von Stühler (verfertigt von Herrmannstörfer in Nürnberg). Das weitergehende Universalinstrument von Hauck (»Journal für die reine und angewandte Mathematik«, Bd. 95) liefert durch Umfahren zweier geometrischer Figuren direkt das perspektivische Bild. Eine wesentliche Verbesserung desselben lieferte Brauer (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1891). Vgl. die Lehrbücher der Perspektive von Streckfuß (2. Aufl., Bresl. 1874), Schreiber (3. Aufl., Leipz. 1886), Berger (12. Aufl., das. 1898), Pillet (2. Aufl., Par. 1888), Conz (Stuttg. 1888), Schlotke (2. Aufl., Dresd. 1902), Freyberger (in der Sammlung Göschen, 3. Aufl., Leipz. 1905), Seeberger, Prinzipien der Perspektive (8. Aufl., Münch. 1904), sowie die Spezialwerke: Gennerich, Lehrbuch der Perspektive für bildende Künstler (Leipz. 1865); Tilscher, System der technisch-malerischen Perspektive (Prag 1867); Hügel, Geschichtliche Entwickelung der Perspektive in der klassischen Malerei (Würzb. 1881); Niemann, Handbuch der Linearperspektive für bildende Künstler (2. Aufl., Stuttg. 1902); Hauck, Die malerische Perspektive (Berl. 1882); de Laspée, Grundregeln der malerischen Perspektive (Wiesb. 1883); Märtens, Der optische Maßstab (2. Aufl., Berl. 1884); Heyn, Hauptsätze der Perspektive (2. Ausg., Leipz. 1897); Balmer, Die freie Perspektive (Braunschw. 1887); Peschka, Freie Perspektive (2. Aufl., Leipz. 1888, 2 Bde.); Söllner, Perspektive für Maler, Architekten etc. (2. Aufl., Stuttg. 1891); Kleiber, Katechismus der angewandten Perspektive (4. Aufl., Leipz. 1904); Adamo, Perspektive für Architekten und Bauhandwerker (Münch. 1899); Kolbenheyer, Die Vogelperspektive (Berl. 1902); Billeter, Lehrbuch der angewandten Perspektive (Basel 1904); Böklen, Vorlagenwerk für konstruktives Zeichnen, 3. Teil (3. Aufl., Stuttg. 1886); A. v. Öttingen, Elemente des geometrisch-perspektivischen Zeichnens (Leipz. 1901); Wiener, Lehrbuch der darstellenden Geometrie, Bd. 2 (das. 1887), wo auch die Geschichte der Perspektive eingehend behandelt ist; Rohn u. Papperitz, Lehrbuch der darstellenden Geometrie, Bd. 2 (das. 1896); Burmester, Theorie und Darstellung der Beleuchtung gesetzmäßig gestalteter Flächen (2. Aufl., das. 1875).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe