Gebirgskrieg
Gebirgskrieg, unterscheidet sich wesentlich von dem Kriege in der Ebene, da die Märsche beschwerlicher, die Wege sparsamer und enger sind, die Zufuhren schwieriger werden, Hinterhalte häufiger vorfallen, und alle Gefechte meistenteils nur Postengefechte sind, indem das Terrain nur höchst selten eine Hauptschlacht zulässt. Hier ist also das eigentliche Element der leichten Truppen, wo sie unüberwindlich sind, wenn sie mit gehöriger Übung Tapferkeit und Kühnheit verbinden. Die Aussendung von leichten Parteien bricht am sichersten den feindlichen Angriff, wenn sie mit allen Schlupfwinkeln genau bekannt sind, in welche sie sich werfen, wenn sie auf Übermacht stoßen, aus welchen sie aber den Feind unaufhörlich beunruhigen, seine kleineren Abteilungen aufheben, seine Zufuhren wegnehmen oder verderben, seine Kommunikationen unterbrechen usw. Es können für den Gebirgskrieg viererlei Fälle eintreten.
1) Ein Armee marschiert durchs Gebirge, um den Feind jenseits aufzusuchen. Hier muss man Detachements von leichten Truppen weit vorausschicken, welche sich aller Hauptpässe versichern, um hierin dem Feinde, welcher unseren Durchmarsch verwehren will, zuvorzukommen. Man gibt daher diesen Avantgarden leichte Kanonen bei, zum besseren Schutz der besetzten Pässe, und um desto leichter diejenigen zurückzuwerfen, welche den Marsch hindern wollen. Beim Durchmarsch selbst beobachtet man die größte Vorsicht, und man macht sich gefasst, den Feind allenthalben nachdrücklich zu empfangen, er kommen von welcher Seite er wolle; daher gibt man auch der Arrieregarde einige leichte Kanonen bei. Das übrige Geschütz marschiert nur in kleinen Parks von 40 bis 50 Fahrzeugen, weil diese den Marsch in Défiléen weniger aufhalten, auch leichter durch die Infanterie zu verteidigen sind (s. Eskorte). Alle seitwärts in die Marschlinie einfallenden Pässe müssen hinreichend besetzt werden.
2) Eine Armee muss sich fechtend durchs Gebirge zurückziehen. Der Marsch des Gros der Armee geschieht ganz wie vorher, aber die Arrieregarde verdient hier besondere Aufmerksamkeit. Die Schwierigkeiten sind bei einem solchen Rückzuge unendlich größer, als in irgend einem anderen Falle, da nie mehr Mut und Kraft erfordert wird, welche beide gewöhnlich schon durch die Anstrengungen der vorhergegangenen Gefechte sehr erschöpft sind, und nie mehr Besonnenheit, die im Unglück überhaupt so selten ist. Verliert man in diesem Falle Zeit, und glückt es dem Feinde, uns auf Seitenwegen zuvorzukommen, so ist alles verloren. Die Arrieregarde muss also stark genug sein, und jeden Fuß breit Terrain mit Blut teuer verkaufen; sie hat leichte Artillerie bei sich. Zu beiden Seiten des Korps marschieren starke Detachements, welche natürlich kein Geschütz mit sich führen können, aber dennoch den Feind abhalten werden, uns zu umgehen. An der Spitze der Marschlinie aber befindet sich eine starke Avantgarde, welche selbst schweres Feldgeschütz bei sich haben kann, wenn es sonst die Straße erlaubt, um alles mit Gewalt über den Haufen zu werfen, was sich ihr in den Weg stellen sollte.
3) Wenn man den Krieg eigentlich im Gebirge führen will. Dann ist die erste Bedingung, so leicht als möglich zu sein, und nichts bei sich zu haben, was nicht unmittelbar auf das Gefecht abzielt. Überraschung wirkt im Gebirgskrieg am besten, sie ist aber nur durch Schnelligkeit zu erlangen, und diese ist wieder in der Leichtigkeit begründet. Man muss dem Feinde nicht Zeit lassen, irgendwo die Anordnungen zu seiner Verteidigung vollkommen in Ausführung zu bringen; ist es aber bereits geschehen, so muss man bei sich alle Kräfte sammeln, um seinem Angriff, mit Vorsicht und Klugheit verbunden, desto mehr Nachdruck zu geben. Alle Arten von Patrouillen, die aber nicht aus zu schwachen Detachements bestehen dürfen, müssen stets auf den Beinen sein; die Hauptsache im Gebirgskrieg ist die Terrainkenntnis, und die diejenige von beiden Parteien, welcher diese am meisten zu Gebote steht, wird gewiss die Oberhand behalten, wenn sonst das Verhältnis der Streitkräfte nicht allzu ungleich ist. Bei der Verteidigung im Gebirgskriege hat man es vorzüglich mit Besetzung der Täler, Schluchten und Pässe zutun, um den Feind zu zwingen, auf dem Wege vorzugehen, den man haben will. Hier werden nun alle Mittel der Verteidigung aufgeboten, wobei die Kunst der Natur die Hand reichen muss. Dabei muss man seine eigenen Kommunikationen beständig offen erhalten, die feindlichen aber durch ausgesandte Parteien beunruhigen; keinen Schritt darf der Feind tun, ohne von unseren Truppen belästigt, und durch Hindernisse jeder Art aufgehalten zu werden.
Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)