Götz von Berlichingen
Berlichingen: Gottfried oder Götz von Berlichingen, geb. um 1480, † 23. Juli 1562, „uber etlich und achtzig Jahr alt“, Sohn des Kilian von Berlichingen auf Jaxthausen und der Margaretha von Thüngen, wendet sich schon frühe ritterlichen Taten zu, die sein Leben erfüllen und ihm zweifelhaften Ruhm eintragen. Nachdem er ein Jahr lang bei einem Verwandten, Kunz von Neuenstein, verweilt und die Schule zu Niedernhall am Kocher besucht hat, tritt er 1494 als „Bube“ in den Dienst eines Vetters seines Vaters, des in Friedens- und Kriegshändeln gleich erfahrenen Konrad von Berlichingen, damaligen „Hofmeisters“ und Rates des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Diesen begleitet er bei zahlreichen Ausritten, wie er denn mit ihm dem Reichtag von Worms 1495 und dem von Lindau 1496 anwohnt.
Nach dem am 3. Februar 1497 erfolgten Tode dieses Verwandten, wählt sich der junge Götz um Pfingsten 1497 in dem Markgrafen Friedrich IV. von Brandenburg-Ansbach einen Herrn, an dessen Hof er mit vielen anderen Jünglingen als „Knabe“ auferzogen wird. Im Hofdienst, in den Raufhändeln mit den Genossen, wie in kriegerischem Leben entwickelt sich seine kräftige Natur. Er darf 1498 an dem deutschen Kriegszug nach Hoch-Burgund, Lothringen etc. Teil nehmen, verweilt, nachdem sein Vater am 29. Mai 1498 gestorben, den folgenden Winter bei den Seinigen in Jaxthausen, reißt sich aber mit Freuden aus diesem müßigen Zustande los, um mit dem Markgrafen 1499 in den Schweizer Krieg zu ziehen. Die größeren Ereignisse, an denen er sich in der nächsten Zeit, tapfer kämpfend, beteiligt, sind die Fehde zwischen den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach und Nürnberg und der Landshuter Erbfolgekrieg. In jener kämpft er mit seinem Bruder Philipp in dem für die Brandenburger siegreichen Kampfe bei Affalterbach 19. Juni 1502, in diesem streitet er auf bayerischer Seite und verliert 1504 vor Landshut durch einen unglücklichen Schuss aus einer Feldschlange der verbündeten Nürnberger die rechte Hand. Sie wird durch eine, von Cisen gearbeitete, mit einem künstlichen Mechanismus versehene Eisenhand, eine Art Handschuh, in den der Armstumpf einzuschnallen ist, ersetzt, und es erhöht des Ritters Ruhm nicht wenig, dass er mit der Eisenfaust das Schwert eben so sicher in seinen Fehden zu führen weiß, wie mit der lebendigen.
Jene Fehden sind es nun, in denen sein Leben aufgeht, und ihre Zahl ist so groß, dass hier nur die wichtigsten genannt werden können. Götz selbst rechnet etwa fünfzehn in eigener Sache, aber außerdem leistet er vielen Herren, „Freunden und guten Gesellen“ häufige Hilfe. In diesen Zeiten flackert das Rittertum zum letzten Male auf und sucht, an den Zustand des allgemeinen Landfriedens nicht gewöhnt, eifersüchtig auf den Reichtum der Städte und Kaufleute, mit den Waffen wirklich geglaubtes oder fingiertes Recht, meistens zum Zwecke des Gewinns an Beute und Lösegeld, selten zum Schutze Unterdrückter. Die mehrjährige, erst 1511 beigelegte Fehde mit den Kölnern, begonnen wegen deren Weigerung eine Schützen-Schuld zu zahlen, verwickelt Götz in vier andere, darunter in eine mit dem Bischof von Bamberg. Zudem führt er mit Nürnberg eine bittere Fehde und überfällt mit einer Schar von 130 Reitern am 18. Mai 1512 zwischen Forchheim und Neuseß 95 Nürnberger, Augsburger, Ulmer u. a. Kaufleute, die unter Bamberger Geleit aus der Leipziger Messe kommen. So erklärt Kaiser Max ihn und seine Genossen, wie Hans von Selbiz 5. Juli 1512 in des Reiches Acht, und die Stände des Schwäbischen Bundes erklären ihm 1513 Fehde wegen Schädigung von Bundesmitgliedern.
Nach mehreren Kämpfen und langen Verhandlungen wird Götz mit seinen Genossen am 27. Mai 1514 gegen ihr Versprechen 14.000 Gulden zahlen zu wollen von der Acht gelöst. Nicht lange nachher (1515, 1516) entspinnt sich eine Fehde zwischen Götz und dem Mainzer Stift und Erzbischof, in der Graf Ph. v. Waldeck von ihm gefangen wird, und welche zu einer neuen Achtserklärung gegen Götz den Anlass gibt, 11. Febr. 1518. Auch in die Pläne seine Freundes Sickingen erscheint Götz mannigfach verflochten. Er nimmt 1515 an des Wormser Fehde Teil, schickt ihm 1516 bei seinem Zuge gegen den Herzog von Lothringen Knechte und Pferde zur Hilfe, ist in seiner Fehde mit dem Landgrafen von Hessen 1518 bei der Einnahme von Umstadt gegenwärtig. Aber im Jahre 1519, als der Krieg zwischen dem Schwäbischen Bund und Herzog Ulrich von Württemberg entbrannt ist, und Götz diesem letzteren, wie schon 1514 im Aufruhr des armen Konrad Hilfe leistet, wird er, wie er selbst erzählt, verräterischer Weise gegen die Zusage freien Abzugs, wahrscheinlicher bei einem Ausfall aus dem ihm anvertrauten, belagerten Schloss Möckmühl verwundet und gefangen 11. Mai 1519.
Der Bund gibt ihn der Stadt Heilbronn in Haft, und Götz verdankt nur dem Einspruch des Franz von Sickingen und Georgs von Frundsberg, dass er das Gefängnis im Diebsturm mit zugesagter „ritterlicher Haft“ in der Herberge zur Krone vertauschen darf. Die Bemühungen befreundeter Ritter zum Zweck seiner Befreiung sind fruchtlos, und erst im Oktober 1522 entschließt sich Götz die, lange Zeit auch tätlicher Drohung gegenüber geweigerte, Urfehde zu leisten und für Zahlung von 2000 Gulden und der Zehrungskosten Bürgen zu stellen. Befreit zieht er sich auf sein 1517 erworbenes Schloss Hornberg zurück, wo er einer Verwicklung in die Sickingen’sche Katastrophe entgeht, aus dem ihn aber der Bauernkrieg aufs neue in Abenteuer und Gefahren wegreißen.
Als der Odenwälder Haufe, unter Leitung von Georg Metzler, nach Gundelsheim, in die Nähe seiner Burg, rückt, sieht er sich gleich vielen seiner Standesgenossen gezwungen, einen Vertrag mit den Bauern zu schließen, sich mit Vorbehalt des Dienstes gegen den Schwäbischen Bund in ihre „christliche Brüderschaft“ aufnehmen zu lassen, 24. April 1525. Aber da die Aufrührer und unter ihnen wohl namentlich Wendel Hipler, den Mangel einer kriegerischen Persönlichkeit von Ruf längst gefühlt haben und in Götz um so eher den rechten Mann erkennen, da er schon früher in gewissen Verhandlungen mit den Bauern gestanden hat, zwingen sie ihn einige Tage später, ihre Hauptmannschaft anzunehmen. Indem er, der Gewalt weichend, den gefahrvollen Posten auf einen Monat annimmt, mögen kriegerische Neigung, Wunsch der Schädigung von Freunden möglichst Einhalt zu tun, der Gedanke an die Richtung des Kampfes gegen alte Feinde zusammengewirkt haben. Unter seinem, Hans Berlins von Heilbronn und Hipler’s Einfluss wird 4. Mai im Kloster Amorbach eine „Declaration“ der Zwölf Artikel erlassen, durch welche diese wesentlich gemildert werden. Ein großer Teil der Bauern nimmt die Verbreitung dieser Deklaration sehr übel auf, ihre Urheber, und zumal Götz sind sogar gefährdet, und man weiß nicht, ob man ihn von nun an nicht eher einen Gefangenen als einen Leitenden zu nennen hat.
Hat er die Plünderung von Amorbach nicht allzu ungern gesehen, so geschehen der Brand von Wildenberg, die Verwüstung von Miltenberg und andere Gewalttaten auf dem Zuge nach Würzburg wider seinen machtlosen Willen. Schon am 19. Mai dringt er auf einen Vertrag mit der Besatzung des Frauenberges (Marienberg), widrigenfalls er abziehen würde. Aber seine Absicht von den Bauern loszukommen, kann er erst verwirklichen, als er Ende Mai von Würzburg aus mit einer Abteilung von 8000 Mann dem Bundesheer entgegengesandt wird. Er gelangt, indes sein Haufen sich mehr und mehr auflöste, nach Lauda, Krautheim, Neuenstein, Adolzfurt und entweicht von hier nach seiner Burg 29. Mai.
Nach Beendigung des Bauernkrieges mag Götz hoffen, weiteren Unannehmlichkeiten zu entgehen, er lässt es an Selbstverteidigungen nicht fehlen, rechtfertigt sich persönlich vor dem Truchseßen von Waldburg und vor dem Reichstag in Speyer 1526 und erhält vom Kammergericht unterm 17. Okt. 1526 die Erklärung der Schuldlosigkeit. Indes erlangen seine Gegner im Schwäbischen Bunde in Folge gravierender Aussagen des Dionysius Schmid einen Anlass, ihrem Hass gegen den alten Feind Luft zu machen. Im Begriff mit einigen Knechten nach Stuttgart zu reiten, wird Götz in Blaufelden am 7. Mai 1528 im Wirtshaus von Georg von Eisesheim, einem Diener des Schwäbischen Bundes, überfallen und zu dem Gelübde gezwungen, sich vor dem Bunde stellen zu wollen. Auf den 24. Nov. 1528 nach Augsburg zitiert, kommt er trotz der Warnungen von Freunden freimütig der Aufforderung nach. Er wird vom 30. Nov. 1528 bis zum März 1530 in enger Haft gehalten und nur gegen Ausstellung einer schmählichen Urfehde am 4. März 1530 entlassen. In dieser hat er u. a. zu versprechen, dass er sich zeitlebens im Bezirk seines Schlosses Hornberg aufhalten, kein Pferd mehr besteigen, keine Nacht außerhalb des Schlosses zubringen wolle. Außerdem muss er Entschädigung des Erzbischofs von Mainz und Bischofs von Würzburg und, mit Stellung von Bürgen, eine Pönal-Stipulation von 25.000 Gulden geloben. Über jene Entschädigung beginnt hierauf ein langwieriger Prozess mit Mainz, der am 31. Jan. 1534, so viel wir wissen, zu Götzens Gunsten endigt.
Götz hält sich nun, im Herzen der Reformation zugetan, friedlich in der Markung seiner Burg Hornberg, in den Jahren 1534–40 durch Zerwürfnisse mit dem Hochstift Würzburg über streitige Lehen in Anspruch genommen. Um 1540 wird er seiner Haft entledigt und 1542 in kaiserlichen Schutz und Schirm genommen, da man den tapferen Ritter im Kampfe gegen die Türken gebrauchen will. Er kommt der Aufforderung in vierzehn Tagen hundert Reiter zusammenzubringen, vollauf nach und gelangt mit ihnen bis Wien, in dessen Nähe er ein bis zwei Monate liet, wird aber, da der ganze Feldzug traurig ausläuft, im Winter wieder in die Heimat entlassen. Noch einmal zieht der alte Degen 1544 mit Karl V. gegen die Franzosen ins Feld. Er liegt vor St. Dizier, wo ihn ein heftiger Ruhranfall packt, und zieht nach der Übergabe der Stadt mit dem Heer ins Innere von Frankreich. Nach dem Frieden von Crespy kehrt er nach Hornberg zurück, wo er seine letzten Jahre in Ruhe verlebt. Seine Leiche ist im Kreuzgang des Klosters Schöntal beigesetzt.
Götz war zwei Mal vermählt: mit Dorothea von Sachsenheim und seit 17. Nov. 1517 mit Dorothea Gailing von Illesheim. Aus diesen Ehen gingen drei Töchter und sieben Söhne hervor. Sein Geschlecht blüht fort in der Hornberg-Rossacher Hauptlinie, die heute kurzweg den Namen Berlichingen-Rossach führt. Als schönstes Denkmal hat uns Götz seine im hohen Alter aufgezeichnete, freilich lückenhafte und unzuverlässige, Lebensbeschreibung hinterlassen, welche zum ersten Male 1731 im Druck erschien, und auch aufgenommen ist in das an biographischem, namentlich auch urkundlichem Material reiche Werk: „Geschichte des Ritters Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand und seiner Familie. Nach Urkunden zusammengestellt und herausgegeben von Friedrich Wolfgang Götz Graf von Berlichingen-Rossach“. Leipzig, Brockhaus. 1861.
Wertvolles Material für Götz von Berlichingens Geschichte findet sich weiterhin namentlich in Oechsle, „Beträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden“. Heilbronn 1830.
Figuren
- Götz von Berlichingen zu Pferd, 1:25 Elastolin 52350
Bibliographie
- Berlichingen-Rossach, Friedrich Wolfgang Götz von: Geschichte des Ritters Götz von Berlichingen und seiner Familie (Leipz. 1861)
- Pallmann: Der historische Götz von Berlichingen (Berl. 1894)
- Wegele, F. X.: „Götz von Berlichingen und seine Denkwürdigkeiten“ in der Zeitschrift für deutsche Culturgeschichte. N. F. III. 129–166
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909