Drache

Drache, oder Doppelkolubrine, ein altes Geschütz von 31 Kaliber Länge und 120 Zentner Gewicht, schoss eine 24-pfündige Kugel mit 24 Pfd. feinem Pulver, im Visierschuss auf 1364, in 15° Elevation auf 8167 Schritt. Vgl. Kolubrine.

Drache, fliegender, gehörte zu den wegen ihrer ungeheuren Länge merkwürdigen Schlangengeschützen, und schoss 31 Pfd. Eisen, mit 22⅘ Pfd. feinem Pulver, auf 7593 Schritt bei der höchsten Elevation.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Drache (lat. Draco), fabelhaftes Reptil von ungeheurer Größe, mit furchtbarem Blick, oft feuerspeiend und mehrköpfig, mit vergiftetem Hauch etc., ist in griechischen, nordischen und asiatischen Sagen vornehmlich Hüter von Heil- und Orakelquellen, Jungfrauen und Schätzen, wie des Goldenen Vlieses und der Hesperidenäpfel. Nach griechisch-römischem Sprachgebrauch ist Drachen gleichbedeutend mit Schlange und als solche das heilige Tier des Asklepios (weil Schlangen gern in der Nähe warme Quellen überwintern), der Athene und verschiedener Erdgottheiten (Drachenwagen der Demeter, des Triptolemos etc.). Häufig wird der Drache auch beflügelt dargestellt (Drachengespann der Medea). Die schatzhütenden Drachen werden von Göttern und Helden, wie Apoll, Herakles, Jason, Siegfried u. a., erlegt. Die Giganten als Söhne der Erde (Gäa) haben Schlangenbeine, ebenso Typhon, die Personifikation des vulkanischen Erdfeuers. In China ist ein heiliger Drache Symbol der Erdbeben und Gewitter. In Bayblon bekämpfte Merodach das böse Prinzip in Drachengestalt, bei den Persern schuf Uhriman den Dahaka zur Weltverwüstung. In der nordischen Mythologie umspannt der Drache als Midgardschlange das ganze Erdenrund. In den Sagen des Mittelalters fuhr der Drache (vgl. Lindwurm) als heimlicher Hüter und Bringer des Reichtums in feuriger Gestalt durch den Schornstein und legte sein zweifelhaftes Geschenk auf den Herd. Amt der Helden war es, Riesen und Drachen aus der Welt auszutilgen; Thor selbst bekämpft die Midgardschlange, und Siegfried, Siegmund, Beowulf u. a. sind tapfere Drachenüberwinder. Der Besieger erhält außer dem Goldschatz noch andere Vorteile: der Genuss des Drachenherzens bringt Kunde der Tiersprache zuwege, und das Bestreichen mit Drachenblut härtet die Haut. Zur Entstehung der Sagen von Drachen und Lindwürmern haben offenbar die Funde vollständiger Gerippe und Abdrücke vorweltlicher Ichthyosaurier und Riesensaurier mitgewirkt. Die Stadtsage vom Drachenkampf bei Klagenfurt knüpft direkt an solche Funde an; das Drachenbild der Tübinger Stadtkirche zeigt die Züge der am Neckar so häufig gefundenen schwäbischen Lindwürmer und Krokodile (Zanclodon und Belodon), und die Chinesen bezeichnen alle Fossilknochen als Drachengebeine. Vgl. Mähly, Die Schlange im Mythus und Kultus (Basel 1867).

Als militärisches Zeichen kommt der Drache bei fast allen Nationen des Altertums und Mittelalters vor. Nachdem das Bild des Drachens schon bei den alten Griechen als Schmuck auf Helm und Schild gedient, ward es auch Feldzeichen und Wappenbild. In China ist das Drache das Staats- und kaiserliche Wappen (s. Tafel »Wappen IV« und Art. »Drachenorden«).

In der biblischen und kirchlichen Symbolik ist er Bild des Teufels, des Heidentums und der Abgötterei, des Antichrists und dient auch als Attribut von Heiligen (Michael, Georg, Margareta u. a.).

In der Heraldik ist der Drache im Schild, auf dem Helm und als Schildhalter gebräuchlich und wird mit Fledermausflügeln dargestellt (vgl. die Stadtwappen von Jena, Klagenfurt, Laibach). Hat er keine Flügel, so ist es ein Lindwurm (Wappen von Reichenbach i. Schlesien), mit Flügeln, ohne Füße eine geflügelte Drachenschlange. Er ist bezwungen, wenn er Kopf und Flügel hängen lässt, ein Seedrache, wenn er einen Fischschwanz hat.

Auch in der Ornamentik des Mittelalters und der dekorativen Kunst Ostasiens hat der Drache vielfache Verwendung gefunden. S. Tafel »Tierornamente I« Fig. 10, und II, Fig 21–23, 25 und 26.

Drache (provinziell Alf), angeblich von Archytas aus Tarent um 400 v. Chr. erfundenes, aber auch bei den Chinesen und bei den Maori (Neuseeland) beliebtes Spielzeug, das durch sein Aufsteigen im Luftstrom Kinder und Erwachsene ergötzt. Bei den Maori scheint das Steigen des in Vogelgestalt aus der Rinde des Papiermaulbeerbaums gefertigten Drachen religiöse Bedeutung zu haben, denn sie begleiten es mit einem alten »Drachengesang«. Die Grundform des aus Holzstäben und Papier hergestellten Drachen, der namentlich in Japan häufig die Form von Vögeln oder Fledermäusen angenommen hat, ist ein spitzes, gleichschenkliges Dreieck, an dessen Basis sich ein Halbkreis oder ein stumpfwinkliges Dreieck anschließt. In den Schwerpunkten der beiden Dreiecke wird eine kurze Schnur befestigt und diese mit einem langen, aufgespulten Bindfaden verbunden. Wird der Drache bei mäßigem Wind in die Höhe geworfen und dabei dem Wind entgegengezogen, so erhebt er sich durch den Druck des Windes und steigt, indem der Faden allmählich nachgelassen wird, leicht zu einer Höhe von 100 bis 150 m und höher. Die horizontale Resultante des Winddrucks s w, die im Schwerpunkt s (Fig. 1) der geneigten Drachenfläche D D angreift, zerlegt sich nach Maßgabe des Parallelogramms s p r q in die Komponente s p, die senkrecht gegen die Fläche nach aufwärts drückt. Der Druck s p setzt sich mit der in s vertikal abwärts wirkenden Schwerkraft, d. h. dem Gewicht s g des Drachen, zu der Gesamtresultate s v zusammen. Die bei s befestigte Schnur s t nimmt die Richtung dieser Resultate an und hält ihr durch ihre Spannung das Gleichgewicht; der Drache schwebt also, wenn die Schnur festgehalten wird, und steigt beim Nachlassen der Schnur unter dem Einfluss der Kraft s v. Durch den am unteren spitzen Ende der Fläche D D angehängten Schweif, der etwa sechsmal länger als der Drachenkörper ist und aus einer Schnur mit eingeknüpften Papierstücken besteht, wird der Schwerpunkt des ganzen Flugapparats etwas nach unten, nach u, gerückt, während der Winddruck nach immer in s, dem Schwerpunkt der Drachenfläche, angreift. Die Schnur ist alsdann an einem dem Drachenkopf näheren Punkte x anzuknüpfen, und es entsteht außer der Resultante s v noch ein Kräftepaar, das die Fläche D D unter einem bestimmten Winkel gegen die Windrichtung einstellt. Die Steighöhe wird am größten, wenn s u doppelt so groß ist als s x. Auch werden Drachen in quadratischer Form mit etwas gewölbter Fläche hergestellt. Auf dem Prinzip des Drachen beruht teilweise der Flug der Vögel, namentlich beim Fliegen gegen den Wind. 1749 ließ Wilson ein System von Drachen aufsteigen, um die Temperatur in den oberen Luftschichten zu bestimmen, und 1752 benutzte de Romas und gleichzeitig Franklin den mit einer Metallspitze versehenen Drachen, um an der leitend gemachten Schnur die Elektrizität der Wolken zur Erde zu leiten (elektrischer Drache), wodurch große Funken gewonnen wurden, die den Beweis erbrachten, dass der Blitz ein elektrischer Funke ist. Zur Verwertung der Drachen in der Meteorologie suchte man ihre Steigkraft zu erhöhen und ihnen eine Tragfähigkeit zu verschaffen, welche das Mitführen registrierender Instrumente gestattet. Die wichtigsten Drachenarten sind der Eddy-Malaydrache, der Hargravedrache von Lawrence Hargrave in Sydney (Zellendrachen, Kastendrachen) und Köppens Treppendrache. In dem kastenförmigen Drachen von Hargrave (Fig. 2) ist nur der obere und untere Teil mit Stoff überzogen, während der mittlere Teil und die beiden Endflächen offen gelassen sind. Meist sind diese Drachen 1,1 m breit, 1,3 m lang, 0,5 m tief; das Totalgewicht 1,56 kg. Mittels des Hargrave-Drachens (man verbindet häufig mehrere miteinander) gelang es, eine Höhe von 5475 m zu erreichen. Muschenbroek hat die Theorie des Drachensteigens genau erörtert. (»Introductio ad philosophiam naturalem«, Leiden 1762, § 573). Vgl. auch Euler, Mathematische Theorie der Drachen (Berliner Akademie 1756); Fergusson, Exploration of the air by means of kites (Cambridge 1897); Köster, Die Gesetze des Drachenflugs (Berl. 1900).

Drache, Fahrzeug der normannischen Wikinger des 6. bis 10. Jahrhunderts, ungedeckt mit 1 bis 3 Masten und einem Rahsegel an jedem Mast, war auch zum Rudern eingerichtet. Bug und Heck waren in Gestalt von Drachen ausgebildet.

Drache, Feuerwerkskörper, s. Feuerwerkerei.

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe