Schuh
Schuh, Längenmaß, soviel wie Fuß.
Schuh, im Bauwesen ein eiserner hülsenförmiger Konstruktionsteil, der die in der Regel auf Mauerwerk aufstehenden Füße hölzerner oder eiserner Konstruktionen (z. B. von Hängewerken) aufnimmt, um sie vor Zerstörung zu schützen, den Druck gleichmäßig und auf eine größere Fläche zu verteilen etc.
Schuhe, sind hohl und spitz von Eisen, um an die Spitzen der Grundpfähle befestigt werden zu können, und ihr Eindringen in den Boden zu erleichtern.
Schuh, Fußbekleidung, wird aus Leder oder aus Geweben oder Filz mit lederner Sohle, aus Kautschuk, aber auch aus Rinde, Holz (Holland, Dänemark, Norddeutschland, Elsaß), Esparto (Spanien), Schilf (Böhmen), Bast (Russland) etc. handwerksmäßig durch Handarbeit, seit den letzten Jahrzehnten meist mit Maschinen im Fabrikbetrieb hergestellt. Die mechanische Schuhwarenfabrikation hat der Hände Arbeit durch die Maschine ersetzt, die quantitative Leistungsfähigkeit gewaltig erhöht und doch die höchsten Anforderungen an eine rationelle Fußbekleidung befriedigt. Diese Schuhfabrikation unterscheidet sich wesentlich von der Kleinschuhmacherei und bedingt ganz andere Arbeitsbehelfe wie jene. Bei der fabrikmäßigen Herstellung eines Schuhes oder Stiefels treten etwa hundert in ihren Funktionen verschiedene Maschinen in Tätigkeit. Neuerdings macht sich aber auch in der Kleinschuhmacherei eine Bewegung geltend, sich die Maschine soweit als möglich dienstbar zu machen. Auch die Militärverwaltung in Deutschland lässt ihr Schuhzeug in eigenen Korpswerkstätten vermittelst Maschinen herstellen, und diese erreichen bei normalem Betrieb eine Gesamtproduktion von ca. 3.000 Paar täglich, die bei erhöhtem Betrieb auf das Doppelte gebracht werden kann. Die Anzahl der mechanischen Schuh- und Schäftefabriken, die in den 1870er Jahren kaum die Höhe von 60 erreichte, ist heute auf ungefähr 1.800 angewachsen, die sich über ganz Deutschland verbreiten. Die meisten befinden sich in Pirmasens, Weißenfels und Tuttlingen, die bedeutendsten in Erfurt, Frankfurt a. M., Nürnberg und Burg bei Magdeburg.
Die mechanische Schuhfabrikation gliedert sich in drei Abteilungen. in die Schäftefabrikation, die Zwickerei mit der Bodenbefestigung und den Ausputz. Die Schäftefabrikation bildet vielfach noch einen Spezialerwerbszweig. Die Anzahl der hierbei zur Verwendung kommenden Maschinen erstreckt sich in der Hauptsache auf die verschiedenen Systeme von Nähmaschinen für Herstellung der Futter- und Oberteile und der Knopflöcher sowie auf Öseneinsetz-, Knopfbefestigungs- und andere Hilfsmaschinen. Die Schaftteile werden nach Blech- oder Pappschablonen, seltener vermittelst Stanzmesser auf der Ausstanzmaschine ausgeschnitten und dann an den Rändern geschärft.
Bodenarbeit
Der Boden, die ganze Auftrittsfläche des Stiefels, besteht aus der Brandsohle, der Kappe oder dem Afterleder, der Gelenkeinlage und der Sohle mit dem Absatz. Das für den Stiefelboden verwendete Material ist meist kräftiges, lohgares Sohlleder, aus dem vermittelst Ausstanzmesser die einzelnen Teile auf der Stanzmaschine (Tafel I, Fig. 1) ausgeschnitten werden. Die Sohlen werden der Leistenfaçon entsprechend auf der Maschine geformt, die Brandsohlen, Kappen und Gelenke abgeschärft.
Das Aufzwicken stellt die erste Verbindung der Sohle mit dem Oberleder her und gibt dem Stiefel die dem Fuße nachgebildete Leistenform. Die Zangen-Zwickmaschine (Fig. 2 u. 2a), welche die Bewegung der menschlichen Hand bis ins kleinste nachahmt, ist heute in fast allen größeren Betrieben in Gebrauch. Selbst das Überholen des Schaftes über den Leisten wird von Maschinen der verschiedensten Systeme besorgt.
Die Befestigung der Sohle an das Oberteil erfolgt durch die Sohlennähmaschine (Besohlmaschine) mittels Steppstiches oder Kettenstiches oder durch die Holznagelmaschine (Pflockmaschine). Der Kettenstich ist heute noch der meist angewendete beim Sohlenaufnähen, die hierzu dienende Mac Kay-Maschine (Fig. 3) ist die älteste und populärste Maschine in der Schuhfabrikation. Sie näht Brandsohle, Oberleder und Sohle mittels erwärmten Pechfadens zusammen (»durch«), nachdem der gezwickte Schuh auf das Horn der Maschine aufgesteckt ist. Dabei dient ein an dem Rande der Sohle entlang gezogener Riss zur Führung und zur Aufnahme der Naht.
Neben der Fabrikation durchgenähter Artikel hat die Wendeschuh- und Rahmenschuhfabrikation einen immer größeren Aufschwung genommen. Bei der ersteren wird der Schaft mittels Naht verkehrt an der Sohle befestigt und dann der Schuh mit der Hand oder mit der Maschine gewendet; bei der letzteren wird mittels der mit krummer Nadel versehenen Rahmeneinstechmaschine (Fig. 4) ein Rand oder Rahmen fest mit Brandsohle und Oberleder verbunden und an diesen Rahmen die Sohle rundherum angenäht oder mit der Maschine »angedoppelt«. Die Befestigung der Sohle mit Holznägeln geschieht ebenfalls maschinell. Diese Maschine treibt mit jedem Schlag Holzstifte ein, die sie automatisch von einer Rolle Holzspan selbst abschneidet. Bei den billigen getäcksten Artikeln wird die Sohle einfach mittels Drahtstiften von oben befestigt. Das Glätten der verdrückten Sohle erfolgt mittels einer oszillierenden Metallwalze, nachdem der Sohlenriss geschlossen worden ist. Zum Nähen der Knopflöcher dient eine besondere Nähmaschine (Tafel II, Fig. 4).
Der Absatz, der nunmehr auf dem Schuh befestigt wird, besteht aus Leder, bei Galanterieartikeln meist aus Holz. Er wird vor dem Aufnageln zusammengestellt, geheftet und mittels Maschine meist stark gepresst. Eine Aufnagelmaschine, die den Absatz zugleich presst und an der der Sohle zugekehrten Fläche beschneidet, zeigt Fig. 1 der Tafel II. Sie ist auch zum gleichzeitigen Aufstiften des Oberfleckes eingerichtet. Dieser, aus Kernleder bestehend, wird jedoch meist nach dem Absatzbauen auf einer besonderen Maschine, der Oberfleckstiftmaschine, aufgerichtet.
Dem soweit fertig montierten Schuh wird nun der Ausputz verliehen. An schnellaufenden Fräsen (Absatzfräse, Tafel II, Fig. 5) wird dem Absatz und dem Sohlenschnitt Form und Schweifung gegeben, an der Bodenglase (Fig. 3) werden die Narben von der Sohle genommen, an der Absatzausglas- und Bodenputzmaschine die rauhen Fräs- und Glasflächen geglättet und mittels Schwärzen und Bodenfarben dem Äußeren des Schuhes ein dem Auge gefälliges Kleid gegeben. Kanten- und Absatzpoliermaschinen, erstere (Fig. 2) mit oszillierender Bewegung auf warmem Wege, letztere mit rotierender Bewegung auf kaltem Wege, geben dem Schnitt und Absatz nach dem Anschwärzen den Hochglanz, während die Bodenfärbmaschinen die Laufflächen der Sohlen mit Farbe und Glanz versehen. Die letzte Herrichtung gibt dem Stiefel die Aufblock- und Bügelmaschine (Fig. 6) und das nachfolgende Appretieren, wo alle Schönheitsfehler aufgespürt und gründlich beseitigt werden.
Über die verschiedenartige Gestaltung des Schuhes als Bestandteil der Tracht s. »Kostüme« nebst Tafeln und die Artikel »Bärenklauen, Entenschnäbel, Sandalen, Schnabelschuhe und Stelzenschuhe«. Vgl. Franke, Der Schuhindustrielle (4. Aufl., Artern 1892); Busch, Methode der Fußbekleidung (3. Aufl., Erfurt 1890); Schreiber, Handbuch der mechanischen Schuhfabrikation (2. Aufl., Leipz. 1904); Rodegast, Die Fußbekleidungskunst (2. Aufl., das. 1905); Pape, Grundlagen für die Kalkulation in der Schuh- und Schäftebranche (Berl. 1898) und Der praktische Schuh- und Schäftemacher (Stuttg. 1903); »Deutsche Schuhmacherzeitung« (Berl., seit 1875); »Leipziger Illustrierte Schuhmacherzeitung« (Leipz., seit 1881); »Knöfels Neue Wiener Schuhmacherzeitung« (seit 1874); »ABC der Schuhfabrikation« (Leipz., seit 1906).
Hygienisches
Das Schuhwerk soll sich naturgemäß dem Bau des Fußes anpassen, unsere moderne Fußbekleidung aber ist meist so unnatürlich gestaltet, dass man selbst bei heranwachsenden jungen Leuten schwerlich noch einen normal gebildeten Fuß findet, da das Schuhwerk sehr frühzeitig zur Verkrüppelung der Zehen und zu Missbildungen des Fußskeletts führt. Da sich der Fuß beim Aufsetzen auf den Boden um ein Zehntel verlängert und um mehr als ein Zehntel verbreitert, so sollte das Maß nicht im Sitzen genommen werden. Beim Gehen löst sich der Fuß derartig vom Boden los, dass schließlich die Spitze der großen Zehe gegen den Boden abdrückt. Hierzu bedarf sie freien Spielraums; aber auch alle übrigen Zehen, die behufs seitlicher Stützung des Fußes sich krümmen und fest an den Boden andrücken sollen, müssen im Schuhwerk frei beweglich bleiben. Bei letzterem muss daher berücksichtigt werden, dass die Zehenränder mit der durch die Köpfchen der Mittelfußknochen gezogenen geraden Linie ein unregelmäßiges Viereck bilden, anstatt in einer Spitze auszulaufen. Die Sohle ist richtig geformt, wenn eine Linie, die um die halbe Breite der großen Zehe entfernt von dem vorderen Teil des inneren Sohlenrandes parallel mit diesem gezogen wird, in ihrer Fortsetzung durch den Mittelpunkt des Absatzes geht. Letzterer muss groß, breit und höchstens 15–20 mm hoch sein, weil bei zu hohem Absatz der Unterstützungspunkt des Körpers zu weit von seinem Schwerpunkt entfernt ist und das Körpergewicht auf die Zehen drückt, so dass die Wadenmuskeln nur unvollkommen fungieren können und das Gehen und Stehen sehr unsicher wird. Der Fußrücken ist wegen der hier verlaufenden Gefäße und Nerven ganz besonders vor Druck zu schützen. Das Oberleder soll weich und geschmeidig erhalten werden. Der Fuß wird am besten durch wollene Strümpfe vor Erkältung geschützt, doch ist notwendig, dass das Schuhwerk die Ausdünstung nicht behindere, um das Feuchtwerden zu vermeiden. Deshalb ist dauerndes Tragen von Gummischuhen ungesund, und besser als die über dem Fuß fest anschließenden Stiefeletten sind Stiefel mit halbhohem, weitem Schaft oder Schuhe.
Bibliographie
- Braatz: Über die falsche, gewöhnliche Schuhform etc. (Königsb. 1897)
- Meyer, G. H. v.: Die richtige Gestalt der Schuhe (Zür. 1858)
- Meyer, G. H. v.: Die richtige Gestalt des menschlichen Körpers in ihrer Erhaltung und Ausbildung (Stuttg. 1874)
- Öhlkers, Der Fuß, seine Anatomie und krankhaften Veränderungen. Ein Leitfaden für Schuhmacher (Hannov. 1906)
- Pestel: Der menschliche Fuß und seine naturgemäße Bekleidung (2. Aufl., Leipz. 1893)
- Thomas: Angewandte Anatomie für Schuhmacher (Köln 1905)
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909