Beschießen der Festungen

Beschießen.

Beschießen der Festungen (übrigens s. Schießen, Schuss, Angriff und Verteidigung; Artillerie, Platzierung usw.) ist seit dem so sehr verbesserten Gebrauch der Artillerie das beste Mittel zu ihrer Eroberung, wenn sie gut verteidigt werden. Ist diese letztere nicht der Fall, so hat man freilich nicht nötig, so viel Zeit, Kosten und Menschen aufzuopfern, als die förmliche Belagerung und das Beschießen der Festung erfordert; man nimmt sie durch einen gewaltsamen Angriff weg.

Der Hauptgrundsatz bei dem förmlichen Angriff ist, dass unser Feuer unaufhörlich und auf allen Punkten dem Feuer der Festung überlegen sein müsse; hieraus folgen alle übrigen Regeln.

1) Man rechnet 3 Geschütze auf ein feindliches, und setzt sich nahe genug, um auf ein wirksames Feuer rechnen zu können.

2) Die Batterien bekommen eine solche Lage, dass sie die feindlichen Werke umfassen, um gegen die einen enfilierend, gegen die anderen demontierend zu wirken.

3) Zur eigenen Deckung, und um nicht mit dem Feuer aufhören zu müssen, werden die Batterien möglichst stark und dauerhaft erbaut.

4) Einzelne Batterien müssen nicht eher anfangen zu feuern, bis alle übrige fertig sind, sonst ziehen sie außer von den angegriffenen, auch von den noch nicht angegriffenen seitwärts gelegenen feindlichen Werken, ein Feuer auf sich, dem sie nicht widerstehen können.

5) Hat man einmal angefangen, so feuert jede nachher erbaute Batterie, so wie sie fertig ist, ohne auf die gleichzeitig wie ihr erbauten zu warten. Dies findet vorzüglich in Absicht der zweiten Batterien statt, weil alle erste Batterien schweigen müssen, in deren Richtung der couronnierte Teil des Glacis liegt; hierdurch wird das Feuer der Festung auf eine Zeit lang wieder überlegen, und in diesem Zustande darf man nicht lange ausharren.

6) Jede Batterie richtet ihr ganzes Feuer auf das Werk, gegen welches sie bestimmt ist, einzelne besondere Fälle ausgenommen; eine Kanonen- oder Haubitzbatterie kann nicht nach verschiedenen Richtungen feuern, ohne allzu weite Schießscharten zu haben, und sowohl Geschütz als Bedienung in offenbare Gefahr zu setzen. Die Mortierbatterien hingegen können außer ihrem bestimmten Objekte auch diejenigen Werke bewerfen, welche das stärkste Feuer machen.

7) Einem feindlichen Werke, welches zu feuern aufhört, darf man nicht trauen, sondern man fährt mit dessen Beschießung fort, um seine Ausbesserung zu verhindern.

8) Eine Hauptsache ist, auf Genauigkeit der Schüsse und Gleichförmigkeit der Ladungen zu halten; letztere werden allezeit in Patronen von Zeug oder Papier gefasst, jeder Schuss wird sorgfältig beobachtet.

9) Die Kanonen und Haubitzen werden nach Beschaffenheit ihrer Ladung, und der Lebhaftigkeit ihres Feuers, nach jeden 10 bis 20 Schüssen mit Wasser abgekühlt. Dies geschieht von innen mit dem Wischer, von außen mit nassen Fellen, und trägt zur längeren Dauer der Geschütze bei; das Feuer darf jedoch hierdurch nicht unterbrochen werden.

10) Eine schadhaft gewordene Batterie wird sogleich, oder doch wenigstens in der folgenden Nacht, wieder ausgebessert.

11) Sollen die Gebäude einer Festung in Brand gesteckt werden, so bedient man sich hierzu amn besten der glühenden Kugeln (Glühkugeln), und richtet nach den Dächern.

12) Gegen Erdwälle bedient man sich der großen Granaten, die hier fast wie Minen wirken; mit Kanonen fasst man auf 800 Schritt die Erdbrustwehr mehr oberhalb, um sie nach und nach abzukämmen.

13) Gegen Mauerwerk bedient man sich der schwersten Kaliber, die man hat, und richtet tief, weil das Obere von selbst nachrollt. Mauern, die einen Erdkeil tragen, wie die Futtermauern der Wälle, sind leichter einzuschießen, als frei stehende; in letzteren entsteht durch mehrere auf einen Punkt treffende Kugeln bloß ein Loch, das keinen weiteren nachteiligen Einfluss auf die Festigkeit des Ganzen hat; bei Futtermauern hingegen wirkt der Druck der ganzen dahinter befindlichen Erde mit verdoppelter Kraft gegen die entstandene Öffnung, und bringt sehr bald die ganze Mauer an dieser Stelle zum Bersten.

14) Bei steinernen Gebäuden und viereckigen Türmen, richtet man das Geschütz von zwei verschiedenen Seiten so, dass dicht hinter der vorspringenden Ecke auf jeder Seite ein Loch in die Mauer geschossen wird, wo dann das Ganze sehr bald nach der Ecke zusammen stürzt.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Glossar militärischer Begriffe