August Heinrich von Friesen, Maréchal de Camp
August Heinrich (117), Graf von Friesen, geb. 26. März 1726, gestoben 1755, Sohn Heinrich Friedrichs (108) von Friesen, Neffe Friedrich Augusts II., Kurfürsten und Herzogs von Sachsen, wurde laut Kirchenbuch der evangelischen Hofkirche in Dresden am 17. April 1726 daselbst getauft. Kaum 2 Jahre alt, hatte er im Jahr 1728 seine Mutter verloren und wurde dann durch Hofmeister im Hause des Vaters erzogen. 1739 befand er sich mit seinem Hofmeister auf einer Reise in Lyon, wo er sich mit seinem Vater vereinigte, der, um Genesung von seinem Leiden zu suchen, nach Montpellier reiste und von dort nach Cette übersiedelte, wo er am 8. Dezember 1739 starb. August Heinrich kehrte darauf nach Dresden zurück und kam hier unter Vormundschaft eines Herrn von Carlowitz und eines Geh. Rathes von Watzdorf.
Bereits mit 16 Jahren wurde er lt. vorhandenem Original-Patent, d. d. Carlburg den 3. August 1742, unterschrieben vom König Friedrich von Schweden zum Lieutenant im hessischen Grenadier-Regiment ernannt. Den Grund dazu, dass er in hessische und nicht in sächsische Dienste trat, kann man nur darin suchen, dass der König Friedrich von der Schlacht bei Speyer 1703 her dem Vater, der damals sein Adjutant gewesen war, noch immer sehr ergeben war. Im Februar 1744 war er nach Dresden auf Urlaub gegangen und hatte von dort aus um Nachurlaub auf 6 Wochen gebeten, der ihm auch lt. Schreiben des Prinzen Georg von Hessen, d. d. Cassel den 20. Februar 1744, genehmigt wurde. Lt. Patent, d. d. Stockholm den 28. Februar 1744, unterschrieben vom König Friedrich, wird er zum Capitaine reformé (freigestellt) im hessischen Grenadier-Regiment ernannt und durch den Bruder des Königs, den Statthalter Prinzen Wilhelm, im Regiment eingeführt.
Seine Anwesenheit in Dresden hatte er benutzt, Unterhandlungen mit dem Könige von Polen und Kurfürsten von Sachsen – seinem Onkel – anzuknüpfen, damit ihm Gelegenheit geboten würde, an einem Feldzug teilzunehmen. Der König August III. schreibt darauf auch an den Herzog von Aremberg, d. d. Warschau den 30. Juni: „Mein Kammerherr, der Graf von Friesen hat mir den Wunsch zu erkennen gegeben, in der Armee der Königin von Ungarn an dem Feldzuge in Flandern theilzunehmen etc.“ und empfiehlt ihn zum Eintritt in die österreichische Armee. Daraus geht aber hervor, dass er bereits damals Königlicher Kammerherr war; eine Quittung über die dafür zu entrichtenden Stempelgelder in Höhe von 44 Thlr. 6 Ggr. ist vorhanden und datiert vom 13. Juli 1744. Die Unterhandlungen mit dem Herzog von Aremberg wegen Eintritts in die österreichische Armee scheinen sich indes zerschlagen zu haben, denn der König August III. nimmt ihn, trotzdem er noch Kapitän im hessischen Grenadier-Regiment war, in seine eigenen Dienst und stellt ihn lt. Patent, d. d. Warschau den 6. Januar 1745, als Major in der sächsischen Garde du Corps an, mit dem Rang als Obristlieutenant der Cavallerie; auch in diesem Patent wird er wieder Kammerherr genannt, aber seine Stellung in hessischen Diensten nicht erwähnt. Am 17. Januar 1745 schreibt er darauf von Dresden aus, wo er sich demnach immer noch aufhielt, an den hessischen Obersten von Miltitz in Cassel und ersucht ihn – vermutlich den Generaladjutanten des Landgrafen –, sein beigehendes Abschiedsgesuch aus hessischen Kriegsdiensten dem Landgrafen Wilhelm von Hessen zu überreichen. Der erbetene Abschied, vom König von Schweden am 12. Februar 1745 unterschrieben, wird ihm darauf durch Schreiben des Bruders des Königs, des Landgrafen Wilhelm, vom 17. März überschickt. Es muss auffallen, dass in dem Abschied angesprochen wird, dass er 1 Jahr und 5 Monate – zuletzt als Kapitän – in hessischen Diensten gestanden habe, trotzdem das erste vorhandene Patent als Lieutenant vom 3. August 1742 ausgestellt ist, wonach er eigentlich 2 Jahre und 6 Monate daselbst gedient hat.
Noch bevor sein Abschied aus hessischen Kriegsdiensten aus Cassel in Dresden eingetroffen war, ging er am 4. März 1745 mit einer Mission des Königs August III. nach Wien, um dem König und der Königin (Maria Theresia) von Ungarn zur Geburt eines zweiten Erzherzogs zu gratulieren. Die darauf bezüglichen Handschreiben des Königs August III. und der Königin Maria Josepha sind abschriftlich vorhanden.
Seine Mission nach Wien scheint er zur besonderen Zufriedenheit seines königlichen Herrn ausgeführt zu haben, da er lt. vorhandenem Original-Patent vom 24. Oktober 1745 zum Oberstlieutenant in der Garde du Corps und Obersten in der Cavallerie ernannt wird – also 19½ Jahr alt.
Von Wurmb und O. von Schimpff lassen ihn bereits 1744, also zu einer Zeit, da er noch nicht aus hessischen Dienste entlassen war und noch kein sächsisches Offiziers-Patent besaß, am Zweiten Schlesischen Krieg teilnehmen, was nicht recht wahrscheinlich ist, dagegen soll nicht bestritten werden, dass er, wie eben daselbst angegeben wird, an der Schlacht bei Hohenfriedeberg am 4. Juni 1745, vielleicht als Adjutant in einem höheren Stabe teilgenommen hat, obgleich die Garde du Corps an dieser Schlacht nicht beteiligt war, auch kann es möglich sein, dass er an der Schlacht bei Kesselsdorf am 15. Dezember 1745 bei der einen dort gegenwärtig gewesenen Eskadron Garde du Corps mit tätig war.
Im folgenden Frühjahr wird ihm durch Patent vom 2. März 1746 das nach Resignation des Generals Grafen von Cosel – des Bruders seiner Mutter – frei gewordene Coselsche Infanterie-Regiment zugesprochen, welches von nun an bis zum Jahre 1753 den Namen Graf von Friesen führte und heute noch als das 7. K. S. Infanterie-Regiment No. 106 besteht. Die Übergabe des Regiments, welches damals in Torgau stand, fand lt. zwei gleichlautenden Protokollen, d. d. Torgau d. 15. April 1746, von Graf Cosel und Graf Friesen unterschrieben statt.
In demselben Jahre verkaufte er das vom König August II. seinem Vater Heinrich Friedrich geschenkte, sogenannte Regimentshaus in Dresden, Jüdenhof No. 1, an den Geh. Rath von Hennicke (Siehe Geschichte der Häuser in Dresden.)
O. von Schimpff schreibt weiter über ihn in der Monographie seines Vaters: „Aber der junge Mann, der bei Striegau und Kesselsdorf bereits unter unglücklichen Verhältnissen den Beweis geführt hatte, dass der soldatische Geist des Vaters und Grossvaters auf ihm ruhe, fühlte den unwiderstehlichen Drang, auch unter günstigeren Verhältnissen den Ruf eines klugen und tapferen Offizier zu bewähren. Nirgends bot sich hierzu bessere Gelegenheit, als im Dienste des Königs von Frankreich, in dem Friesen‘s Oheim, der Graf Moritz von Sachsen, sich bereits den Marschallstab erworben und durch den Sieg bei Fontenoy schnell auf die Höhe eines der ersten Feldherrn seiner Zeit erhoben hatte. Friesen eilte daher zur französischen Armee nach Flandern, wo er unter der „troupe dorée de volontaires“, die sich hier um die gefeierte Person des Marschalls scharte, sich durch Tapferkeit und feine Sitte bemerkbar machte und an der Schlacht bei Rocourt, am 11. Oktober 1746 in glänzender Weise beteiligte. Von Brabant begleitete er der Oheim nach Paris und Versailles. „Friesen“, schreibt dieser unter dem 10. Dezember 1746 nach Dresden: „plait extrèmement ici; je crois qu‘on lui donnerait volontiers le grade de brigadier.“ –.“
Durch ein – noch vorhandenes – Handschreiben des Königs Louis XV., d. d. Versailes 9. Mai 1747, gegengezeichnet von Kronsekretär Marquis d‘Argenson, wurde ihm ein Patent, d. d. 20. Mai 1747, übersendet, in dem er zum Brigadier der Cavallerie ernannt wurde. Bald darauf errichtete er ein Regiment Infanterie, aus Deutschen geworben, und wurde durch Patent vom 10. Mai 1748 zum Colonel du régiment d‘infanterie allemande de Madame la Dauphine (139e, später 114e), et Brigadier d‘infanterie ernannt, lt. Schreiben vom 26. Dezember 1748 aber teilt ihm Argenson mit, dass ihm der König den Grad eines Maréchal de Camp verliehen habe.
Am 5. Juni 1749 erhielt er einen vom König unterschriebenen, im Original ebenfalls erhaltenen Pass zu sechsmonatlichem Urlaub nach Sachsen. In Dresden angelangt, wurde er darauf lt. Patent vom 5. Juli 1749 – also erst 23 Jahre alt – zum Generalmajor von der Armee ernannt. Das Patent erwähnt, dass er „alle diesem Charakter competirenden Honneurs und Distinctionen ohnweigerleich zu geniessen“ habe, wir wissen aber auch, dass damit der Gehalt eines Generalmajors verbunden war, und aus vielen noch vorhandenen Briefen geht hervor, dass er seine Stelle als Inhaber seines Infanterie-Regiments in Sachsen und damit die einem solchen zustehenden Kompetenzen immer noch inne hatte. Außerdem bezog er damals schon 20.000 Taler jährlich von seinen militärischen Stellungen in Frankreich und die Revenuen seiner Güter Schönfeld und Königsbrück wurden auf mindestens 25.000 Taler jährlich veranschlagt. Trotz dieser ansehnlichen Einkünfte war er damals schon sehr derangiert und sein Sekretär Joggel in Dresden, der Verwalter seiner Güter Schönfeld und Königsbrück, klagt in seinen Briefen fortwährend, dass es kaum mehr möglich wäre, Gelder aufzutreiben, da seine Schulden in Sachsen damals bereits die Höhe von 250.000 Talern erreicht hätten.
Zu solchen außerordentlichen Ausgaben war er durch seinen intimen Verkehr in den höchsten Gesellschaftskreisen von Versailles veranlasst worden. Die Memoiren du duc de Luynes berichten darüber ausführlich; wir erfahren daraus, dass er zu der kleinen auserwählten Gesellschaft gehörte, welche auf dem Privattheater in den sogenannten kleinen Gemächern des Königs Theatervorstellungen veranstaltete, dass er vom Jahre 1748 an öfters in den Vorstellungen mitgewirkt hat, welche Rollen, in welchen Stücken er gespielt hat u. s. w. Mit seinem Onkel, dem Grafen Moritz von Sachsen, scheint er auf sehr gutem Fuße gestanden zu haben, so dass ihn dieser in seinem Testament bedachte; er war am 30. November 1750 auf dem Schloss Chambord, welches ihm der König Ludwig XV. geschenkt hatte, verstorben. „Histoire du comte Maurice de Saxe“, Dresde 1752 II. pg. 305, gibt den Wortlaut seines Testament wieder, welches am 1. März 1746 ausgefertigt ist und in dem es heißt: „– à Monsieur le comte de Friese un livre, que j‘aie fait sur la guerre, intitué: Mes reveries, et qui est en manuscrit.“ In einem Zusatz aber vom 1. Januar 1758 heißt es „Je légue aussi mon gros diamant nommé le Prague, et qui es aprésent en France entre les mains de M. Forties, notaire, a mon neveu, le comte de Friese. Et je prie S. M. T. C de lui accorder mon Regiment de cavalerie légère et mon habitation de Chambord, avec la capitainerie du dit Chambord, à la charge et condition qu‘il entretiendra les harras que j‘y aie établis, pour servir de remonte au dit régiment. J‘espère que par cet arrangement je conserverai au Roi un régiment, qui n‘aurai pas son pareil, et un harras unique, nayant rien épargné pour remplir cet objet et pour procurer à la France une espèce de chevaux superieurs en vitesse à ceux qu‘on y élève àprésant, chose dont l‘on manque pour la cavalerie légère et que l‘on ne saurait se procurer en temps de guerre. Dans le cas, que le Roi accorda cette grace a mon très humble prière, mon intention est, que Chambord reste meublé tel qu‘il est, selon l‘inventaire, qui s‘y trouvera, pour servier à mon neveu, le comte de Friese. Mais s‘il plait à S. Majesté d‘en disposer autrement, les meubles et le harras seront vendus à l‘enchère, et la somme, qui ne reviendra sera portée en masse à celle du reste de mes biens situés en France.“
Der oben genannt Diamant war nach den Aufzeichnungen des duc de Luynes dem Grafen Moritz von Sachsen von der Stadt Prag geschenkt worden, welche denselben für 111.000 Livres gekauft hatte.
Der König Ludwig XV. bestätigte dieses Testament in allen seinen Teilen und ernannte durch ein Dekret vom 5. Fevrier 1751 „le S. comte de Friese, capitaine et gouverneur des chateaux, parc et capitainerie de Chambord.“ Dieses sehr ausführliche noch vorhandene Dekret überträgt ihm die Oberaufsicht über das Schloss, die Jagden, die Gewässer, die Civil- und Criminal-Justiz, die Ernennung und Absetzung der dortigen Beamten etc.
O. von Schimpff berichtet über August Heinrich weiter: „Aber Graf Friesen sollte sich seiner zahlreichen Ehrenämter, welchen der König noch eine Pension von 12.000 Livres hinzufügte, nicht lange erfreuen. Gegen Ende März 1755 wurde er von den Masern befallen, zu welchen sich ein bösartiges Faulfieber gesellte, und schon den 29. März, fünf Tage nach der Erkrankung, raffte ihn der Tod in der Blüthe seines Lebens dahin. Er starb in seinem Hotel in Paris, noch nicht achtundzwanzig Jahre alt, in Gegenwart zweier Landsleute, der Grafen Schönberg und Watzdorf. Der Erzbischof von Paris erzeigt ihm noch im Tode eine besondere Rücksicht, indem er die Genehmigung ertheilte, dass Friesen, der Protestant, in der Parochialkirche seines Stadtviertels, der Madeleine Ville l‘Evéque, beerdigt wurde.“
Abweichend hiervon schreibt der duc de Luynes: „du samedi 5. Avril Dampierre. Mrs. le comte de Frise et morte le 31 du mois derner, il était maréchal de camp, il avait 27 ans. Il a été enterrée à la Magdaleine sa paroisse; il était catholique et le Roi le savait etc.“
Nach einer Nachricht in Familienpapieren wäre er am 5. April gestorben. Da aber in den Lehnakten des Appellationsgerichtes in Bautzen gelegentlich der Vergebung des Lehens von Königsbrück der 29. März als Todestag angegeben ist und hierzu jedenfalls ein Totenschein vorgelegen haben muss, habe ich den 29. März 1755 als seinen Todestag angenommen. Dass er als Katholik gestorben ist, scheint nach verschiedenen Nachrichten erwiesen zu sein.
Seine in Frankreich befindliche Hinterlassenschaft reichte kaum hin, wie der duc de Luynes angibt, um seine Schulden zu decken. Die Standesherrschaft Königsbrück kam infolge einer testamentarischen Bestimmung seines Vaters, da er keine Nachkommen hinterließ, an die Röthaer Linie. Über das Gut Schönfeld entspann sich, da sein Großvater Julius Heinrich (65) die von dem Urgroßvater Heinricht (41) eingesetzte Successionsordnung umgestoßen hatte, ein langwieriger Prozess zwischen allen Nachkommen der Schwestern des Großvaters, der damit endete, dass der Staat das Gut übernahm und dasselbe damit der Familie verloren ging. (Siehe Geschichte der Güter).
Mit August Heinrich starb die Schönfelder oder gräfliche Linie aus, in welcher wir, abgesehen von dem in frühester Jugend gestorbenen Grafen Friedrich, nur 3 Grafen finden, deren Lebensschicksale einer gewissen Tragik nicht entbehren. Während der erste Graf, Julius Heinrich, seine Zeit, sein Vermögen, sein Leben, sein Alles, nur dem einen Zwecke, der Befreiung Deutschlands von französischem Einfluss opfert, sich nur aus diesem Grunde mit seinem Landesherrn verfeindet, erfreut sich sein Sohn der ganz besonderen Gunst gerade dieses Landesherrn und widmet seine Dienste dem Vaterlande, der Enkel aber verlässt sein Vaterland ohne zwingenden Grund, widmet seine Dienste dem Königshofe, für dessen Bekämpfung sein Großvater Alles geopfert hat und stirbt als Franzose und Katholik in Paris.
Der Schriftsteller Friedrich Melchior Grimm fungierte als Friesens Sekretär.
Quelle: Ernst Freiherr von Friesen, Generalmajor z. D., Geschichte der reichsfreiherrlichen Familie von Friesen (Dresden 1899)