Berennen
Berennen der Festung, geht der Einschließung und förmlichen Belagerung vorher. Dies geschieht, indem man, ehe noch das eigentliche Belagerungskorps ankommen kann, ein Detachement abschickt, welches ungefähr so stark wie die Besatzung der Festung ist, und sich plötzlich und unerwartet vor der Festung aufstellt, sie von allen Seiten umgibt, und jede Verbindung nach außen abschneidet. Dieses Detachement nähert sich daher in heimlichen Märschen der Festung, und verfährt dann, wie bei der gewöhnlichen Einsperrung, indem man sich so nahe wie möglich postiert, jedoch gedeckt vor den feindlichen Schüssen, und so, dass man einem etwaigen Ausfall der Besatzung kräftig begegnen kann.
Wenn hierauf das eigentliche Belagerungskorps angekommen ist, wird die Festung von dem kommandierenden General, und den Ingenieuren rekognosziert, um einen vorteilhaften Punkt zum förmlichen Angriff, oder zur Angriffsfront, ausfindig zu machen, und die Orte zu bestimmen, wo während der Belagerung die Einschließungskorps stehen sollen, wo unter ihnen über Flüsse etc. Gemeinschaft erhalten werden kann, und wo das Materialiendepot, der Park, das Lazarett, die verschiedenen Magazine, das Laboratorium usw. etabliert wird. Unterdessen nehmen einige Ingenieure auf etwa 2000 Schritt von der Festung die umliegende Gegend auf, und entwerfen ein Skelett, auf welchem die Entfernungen genau angegeben sind. Die Rekognoszierenden bemühen sich, eine genaue und richtige Kenntnis von der Festung und der Beschaffenheit ihrer Werke zu erlangen; die etwa vorhandenen Risse werden nach den gemachten Bemerkungen genau abgeändert, und verbessert.
Dieses Rekognoszieren geschieht von dem die Belagerung leitenden Ingenieur, nur in Begleitung eines Adjutanten, teils bei Tage, teils bei Nacht, in letzterem Falle zu Fuß, wo er sich so nahe wie möglich an die Festung heranschleicht, und nur einen Patrouilleur vor sich hat, um nicht unvermutet dem Feind in die Hände zu fallen. Die Angriffsfront wird er dann nach der Lage der Werke und der Beschaffenheit der umliegenden Gegend, nach der Stärke der Werke, der Tiefe des Grabens, und je nachdem er nass oder trocken ist, usw. bestimmen; am liebsten wird man diejenigen Punkte wählen, wo das Terrain eine große Annäherung gewährt, unsere Arbeiten deckt, und die Festung beherrscht; wo der Boden die Arbeiten erleichtert, wo die Werke in schlechtem Zustand sind, usw.
Nach geschehener Aufforderung des Kommandanten, verbindet man öfters mit dem Berennen ein Bombardement, wenn man sich davon Vorteile versprechen kann, und glaubt, dass dadurch der Kommandant sich ergeben würde, oder die Einwohner in der Stimmung wären, selbst den Kommandanten dazu zu zwingen. Hilft dieses nicht, so fängt man auf der nun ausgemittelten Angriffsfront, in größter Stille, die eigentlichen Belagerungsarbeiten an, (s. Angriff) wobei es öfters zweckmäßig ist, den Feind zugleich von einer anderen Seite zu beunruhigen, und daselbst Tranchéen aufzuwerfen, wodurch er über unsere eigentliche Absicht in Ungewissheit bleibt. Während dieser Zeit hat man sich gleich vom ersten Tage der Berennung an, mit Verfertigung der Materialien zum Bau der Tranchéen und Batterien, und der Munition und übrigen Feuerwerkskörper beschäftigt. Für die ersteren muss man beim Anfang der Arbeiten gleich einige tausend Schanzkörbe, und eben so viele Faschinen, je nachdem das Terrain felsig ist, oder nicht, vorrätig haben. Man wirft nun die erste Parallele, auf 700 bis 1000 Schritt auf; kann man jedoch sogleich mit der zweiten Parallele auf 3 bis 400 Schritt anfangen, so ist dies sehr vorteilhaft.
Das Lager für die ganze Belagerungsarmee liegt außerhalb dem Kanonenschuss der Festung, wobei man die nötigen Sicherheitsmaßregeln nimmt. Gegen die Ausfälle der Besatzung wird es schon gewöhnlich durch die vorliegenden Tranchéen und übrigen Arbeiten, sowie durch die darin aufgestellten Truppen gedeckt; hat man aber ein feindliches Entsetzungskorps zu befürchten, so stellt man eine Observationsarmee auf, oder verschanzt sich durch einzelne Redouten, s. verschanztes Lager. In älteren Zeiten warf man gegen die Festung die Kontravallationslinien, und gegen die Ensetzungsarmee die Zirkumvallationslinien auf.
Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)