Ingenieure
Ingenieure, sind diejenigen Offiziere, deren Theorie und Praxis mit dem allgemeinen Namen der Ingenieurwissenschaft bezeichnet wird, und welche zu ihrer Aushilfe und Unterstützung noch eine besondere Truppengattung, die Pioniere, haben, deren Dienste indessen auch bei anderen Kriegsvorfällen, als solchen, die sich ausschließlich für den Ingenieurdienst eignen, gebraucht werden. In den früheren Zeiten waren die Ingenieure bloß zur Verfertigung und Bedienung der Kriegsmaschinen bestimmt, und haben auch dieser Bestimmung ihren Namen zu verdanken: ingegniere, lat. machinator, von griech. γεννάω, hervorbringen, und έν, welches den Begriff durch Werkzeug gibt. Die Feldherren leiteten damals die Belagerungsarbeiten selbst; den wirklichen Bau der Festungen führten die Kriegsbaumeister. Ein besonderes Korps von Ingenieuren aber wurde erst 1604 in Frankreich errichtet, welches zu Anlegung neuer Festungen, zur Ausbesserung der alten, so wie zu ihrer Verteidigung und zur Führung der Belagerungen, bestimmt war. Gustav Adolph vereinigte die Ingenieure mit dem Generalstabe, und wandte sie zugleich zum Aufnehmen der Läger, Stellungen und Schlachtfelder an, bis endlich bei allen Armeen besondere Korps von ihnen gebildet wurden. Bei einigen teilte man sie in Festungs- und Feldingenieure ein; hierzu kommt bei Seemächten noch eine besondere Abteilung. Ingenieur-Geographen sind nur zu Vermessung und topographischen Aufnahmen, zur Aushilfe für die eigentlichen Ingenieure, bestimmt.
Aus allem diesem geht hervor, was ein tüchtiger Ingenieur jetzt, da er zu Ausführung aller dieser Verrichtungen geschickt sein soll, für Kenntnisse besitzen müsse. Die Kriegsbaukunst ist ein angewandter Teil der Mathematik und beruht auf den Elementarbegriffen dieser Wissenschaft; während die beste Lage der Linien und Winkel durch analytische Verhältnisse bestimmt wird, gibt das Gesetz der Bewegung und des Gleichgewichts die nötige Stärke der Futtermauern und der Widerlager der Gewölbe an. Die Grundsätze der höheren Geometrie und die Sternkunde sind zu Aufnahmen im Großen und zur Landesvermessung nötig, besonders aber in Seestaaten die letztere, wozu auch noch die Schiffbaukunst kommt. Nächst diesen gleichsam einleitenden Wissenschaften muss der Ingenieur die Baukunst in ihrem ganzen Umfange kennen, weil er nicht allein den Umriss und die äußere Form der Festungswerke bestimmen, sondern auch ihre wirkliche Aufführung leiten muss. Die genaue Kenntnis der verschiedenen Baumaterialien, so wie ihrer Behandlung, ist demnach hier eine unerlässliche Bedingung, mit der sich zugleich die schöne Baukunst verbindet, um Tore, Zeughäuser, Gouvernementsgebäude usw. auch zweckmäßig durch die ihrer Bestimmung entsprechende Säulenordnung zu verzieren. Indem der Ingenieur alle Angriff- und Verteidigungsmittel, die in seiner Hand stehen, überblickt, muss er die der Beschaffenheit des Terrains angemessenen wählen. Der Gebrauch der vorhandenen Gewässer, sowohl zur Verstärkung der Befestigung, als zum Nutzen der Besatzung und der Einwohner, führt auf die Wasserbaukunst im weitesten Sinne des Wortes. Es kommt ihm zu, jene Gewässer nach Befinden durch Dämme zu beschränken, oder ihnen durch Schleusen und Kanäle einen neuen Weg anzuweisen; ihren periodischen, vielleicht den anzulegenden Festungswerken nachteiligen Verheerungen, Einhalt zu tun, oder sich ihrer als Annäherungshindernis für den Fall eines feindlichen Angriffes zu bedienen.
Alle diese mannigfaltigen Kenntnisse reichen jedoch bloß für den Friedenszustand hin; im Kriege sind noch andere nötig, von denen ein Teil oft im heftigsten Feuer des Feindes angewendet werden muss. Dem Ingenieur muss hier eine Übersicht der Geschützkunst und der Taktik aller Truppengattungen nicht fremd sein; die Terrainkenntnis und eine Bekanntschaft mit den Kombinationen der Strategie sind ihm nötig, um feste Positionen, Anlehnungspunkte der Flügel, verschanzte Lager zu wählen, und zu beurteilen; seine Kenntnisse fallen hier mit denen der Generalstabsoffiziers zusammen. Das Schlagen der Kriegsbrücken aller Art, die Pontonierkunst, der Minenkrieg, die Minierkunst, werden im offenen Felde, so wie bei Belagerungen häufig Gegenstand seiner Verrichtungen sein. Zu allem diesem kommt endlich die Zeichenkunst, und das Aufnehmen, als das unentbehrliche Hilfsmittel, durch wenige Züge ausführliche Beschreibungen zu ersetzen, und einen allgemein verständlichen Rapport von rekognoszierten Gegenden, oder von Anschlägen zu neuen Festungswerken usw. zu machen.
Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)