Befestigungskunst

Befestigungskunst.

Befestigungskunst, beschäftigt sich mit der Vergleichung, Beurteilung und Anwendung der Mittel, durch welche an sich unhaltbare, von der Beschaffenheit des Terrains mehr oder weniger begünstigte Orte verteidigungsfähig gemacht werden. Indem sie die Angriffsweise, und die Hilfsmittel, welche sie hat, zergliedert, findet sie die wirksamsten Hindernisse auf, welche sich dem Feinde entgegen setzen lassen, und passt alle ihre Mittel bei der Ausübung den vorfallenden Umständen und der Beschaffenheit des Terrains an. Sie verbindet hiermit eine vollkommene und genaue Kenntnis aller sich auf das Bauwesen beziehenden Handwerke, so wie die strategischen Grundsätze bei der Anlage sowohl der permanenten Befestigungen, zu Anlehnungspunkten und Operationsbasen bestimmt, als auch der passageren, deren Absicht ist, irgend einen Posten oder wichtigen Punkt, und zwar nur für die Dauer ihrer vorübergehenden Wichtigkeit, zu behaupten.

Die Befestigungskunst ist eben so alt, als der Krieg; denn als die bürgerliche Gesellschaft entstand, suchte man auch die Städte, und das darin bewahrte Eigentum gegen die Raubgier und Übermacht der Nachbarn zu sichern. Dicht an einander gereihte Pfähle oder Palisaden, oft in mehrfachen Reihen, mit dazwischen oder dahinter geschütteter Erde, bildeten die ersten Einfassungen der Wohnplätze, die man späterhin mit hohen und dicken Mauern umschloss, als der steigende Wohlstand sie vergrößerte, und zugleich mehr Anreize für die Habsucht der Nachbarn wurde, auch die unterdessen erfundenen Kriegswerkzeuge diesen Gelegenheit gaben, sie einzustürzen. Die Mauern wurden von Türmen bestrichen, die 150 höchstens 300 Schritt von einander standen, und die oben darauf befindlichen Zinnen dienten, durch die zwischen den Kragsteinen befindlichen Öffnungen, die stürmenden Feinde mit heißen oder brennenden Substanzen, als Pech, Harz, siedendem Öl usw. zu überschütten. Die Türme waren teils vier- oder achteckig, teils rund, weil diese letztere Form mehr Widerstand gegen die Stöße des Sturmbocks gewährte.

Weil die gewöhnlichen Mauern nicht erlaubten, Werkzeug darauf zu stellen, fing man an sie zu verdoppeln, und den zwischen ihnen gelassenen Raum mit Erde auszufüllen. Die Stadtmauern von Byzanz sollen 20 Fuß, die von Ninive 30 Fuß, und die von Babylon sogar 70 Fuß breit gewesen sein. Ihre Höhe betrug 60 bis 300 Fuß, und die Türme waren 50 bis 60 Fuß höher. Nach der Erfindung des Geschützes aber, wo nicht nur diese Mauern einen geringen Widerstand leisteten, sondern man auch dem Angriff gleiche Verteidigungswerkzeuge entgegensetzen musste, wurde die Höhe der Mauern bedeutend verringert, um Erdwälle hinter denselben aufführen, und durch das auf die Mauern gestellte Geschütz die vorliegende Gegend besser bestreichen zu können. Die Türme verwandelten sich auf diese Weise in Rundelle, und endlich vermittelst der daran gesetzten Sitze in Bollwerke. Gegen die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts fing man in den Niederlanden sogar an, sich bloß der Erdwälle zu bedienen, und um diese Zeit kamen auch die Außenwerke auf, deren Vervielfältigung zuletzt ungeheuer wurde. Ihre Anzahl nahm wieder ab, als man darauf fiel, durch sie bloß eine wirkliche Deckung des Hauptwalles zu erhalten, und als die Verteidigung der Festungen bloß den Besatzungen überlassen wurde.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Glossar militärischer Begriffe