Angriffsfront

Angriffsfront, ist im Allgemeinen die schwächste Befestigungsfront einer Festung, und welche daher vom Belagerer zum Angriff gewählt wird. Für die schwächsten Befestigungsfronten hinsichtlich der Werke selbst gelten diejenigen, denen man sich unbehindert am meisten nähern kann, deren Fronten umfasst, und deren wichtigsten Linien rikoschettiert und im Rücken beschossen werden können; deren Bekleidungsmauern zum Teil eingestürzt, oder weithin sichtbar sind. Solche, die wegen ihrer geringfügigen Höhe den Sturm begünstigen, und die Bresche entbehrlich machen, – solche, deren Außen- und Hauptwerke sich nicht regelmäßig beherrschen, und dadurch unbestrichene Räume im Graben erzeugen, oder wo die ersten allzu weit vorliegen, und keine kräftige Seitenverteidigung von den letzteren erhalten; auch die Verbindungen zwischen selbigen leicht abgeschnitten werden können; solche endlich, wo Wassermanöver, eine niedrige Grabenverteidigung, ein bedeckter Weg, und das Glacis mangeln, oder dieses steil abfällt, und die Grabenbrücken auf steinerne Pfeilern ruhen. Dahin gehören auch Befestigungsfronten ohne vorliegende Überschwemmungen, ohne Minen, ohne Mauerbekleidung, ferner, die überhöht sind, einen weit vorspringenden Winkel bilden, etc. Mehrere an einander grenzende, und auf einer geraden Linie, oder in einem eingehenden Bogen erbaute Befestigungsfronten sind zu vermeiden.

In Hinsicht auf die Gegend wählt man eine Befestigungsfront zum Angriff, wenn sich in der Nähe des Glacis Vorstädte, einzelne Gebäude, Gärten, hohle Wege usw. vorfinden; wenn sanft aufsteigende Höhen im Kanonenbereich liegen, worauf sich teils die Batterien vorteilhaft anbringen lassen; wenn bei vorhandenen Flüssen, Inseln die vorteilhafte Anlage einer Batterie gestatten, wenn das Erdreich trocken und leicht zu bearbeiten ist; wenn im wässerigen oder morastigen Boden Dämme, Straßen usw. zu Tranchéen, Brustwehren und Führung der Laufgräben benutzt werden können, und wenn endlich Flüsse etc. den Transport aller Belagerungsgeräte und Baumittel, in die Tranchée erleichtern. – Werke auf Felsen, oder mit Wasser oder Morast umgeben, oder solche, gegen welche man bergab cheminieren muss, sind, wo möglich, zu vermeiden. – Vorgeschobene Werke bedecken gewöhnlich die schwachen Stellen am Hauptwall, daher sich oft diese Fronten leichter als andere, mit weniger Außenwerken versehene, angreifen lassen. Besonders aber sind solche kleinen Fronten leicht zu umfassen, und zu rikoschettieren, und deren lange Flügel und Gräben vorzüglich geeignet, dem Hauptwall gedeckt näher zu rücken, und die Arbeit an Bresche- und Kontrebatterien zu verkürzen.

Findet man mehrere gleich starke Angriffsfronten, und gewährt das vorliegende Terrain gleiche Vorteile, so bestimmt zuweilen die bequemste Lage des Artillerieparks, nämlich der Platz, wo sich selbiges am nächsten und sichersten anbringen lässt, die Wahl der anzugreifenden Fronte. Zuweilen ereignen sich auch Fälle, wo man nicht die schwächste, sondern eine stärkere Angriffsfront wählt, sobald die dabei zu erhaltenen Vorteile den späterhin erfolgenden Nachteil überwiegen.

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Glossar militärischer Begriffe