Österreichischer Feldmarschall Karl Alexander, Prinz von Lothringen und Bar

Standbild des Feldmarschalls Karl Alexander Prinz von Lothringen in Brüssel.

Karl Alexander Prinz von Lothringen und Bar kommt am 12. Dezember 1712 als der jüngste Sohn des Herzogs Leopold von Lothringen und seiner Gemahlin, der Prinzessin Elisabeth Charlotte von Orleans, in Lunéville zur Welt. Von Jugend auf zum Kriegsmanne bestimmt, trachtet er frühzeitig sich durch körperliche Übungen aller Art sowie durch eifrige Studien vorzubereiten für diesen Beruf, wobei übrigens auch seine sonstige geistige Ausbildung nicht vernachlässigt wird. Erst 16 Jahre zählt er, als sein älterer Bruder Franz (s. d.) durch den Tod des Vaters zur Herrschaft über Lothringen kommt. Seine Bewerbung um die Hand der dereinstigen Erbin aller österreichischen Länder, der Erzherzogin Maria Theresia, veranlasste den Herzog Franz, seinem Aufenthalt in Lothringen, wo er erst sieben Monate nach des Vaters Tod eintraf, schon im April 1731 wieder ein Ende zu machen. Nicht seinem jüngeren Bruder Karl, wie wohl irrig behauptet worden ist, sondern seiner Mutter überträgt Franz die Regentschaft über Lothringen, dessen Boden er nie wieder betritt. Denn schon in dem Augenblicke seiner Vermählung mit der Erzherzogin, ja gleichsam als Preis für dieselbe muss er sich widerstrebenden Herzens entschließen, in die Vertauschung Lothringens gegen Toskana und in die dereinstige Vereinigung seines Stammlandes mit Frankreich zu willigen.

Von Niemand wird heftigerer Widerstand gegen diese Vereinbarung als von der verwitweten Herzogin von Lothringen erhoben. Sie verweigert ihre Zustimmung zu der Reise ihres jüngeren Sohnes Karl nach Wien, indem sie dessen Einladung dorthin nur als Kunstgriff erklärt, um beide Brüder gleichzeitig zur Unterzeichnung der Abtretungsurkunde zu zwingen. Und als Herzog Franz sie des Gegenteils versichert und sich verbürgt, Niemand werde versuchen, den Prinzen zu einem solchen Schritte zu drängen, da erhebt sie zwar keine Einsprache mehr gegen Karls Reise nach Wien, sie versieht ihn aber mit zwei von ihr selbst verfassten Denkschriften, in denen sie alle Gründe gegen die Abtretung Lothringens ausführlich darlegt. Sie macht es ihm zur Pflicht, nicht nur seinem Bruder, sondern auch dem Kaiser selbst in diesem Sinne mit Nachdruck zu sprechen, und wirklich rechtfertigt Karl das Vertrauen seiner Mutter.

In Wien angekommen, ruft er seinem Bruder die Haltung ins Gedächtnis zurück, die ihre Vorfahren der Begehrlichkeit Frankreichs nach dem Besitze Lothringens jederzeit entgegengesetzt haben. Er weist ihm die Abschrift eines Briefes vor, welchen bei einem ähnlichen Anlasse ihr Vater, Herzog Leopold, an Ludwig XIV. gerichtet hat, und er erklärt ihm, dass er unter keiner Bedingung der Abtretung beistimmen und niemals ein Volk verleugnen werde, das seinen Herrschern jederzeit so treu gewesen sei.

Viel zu weit ist jedoch schon diese Angelegenheit gediehen, und zu übermächtig der Druck, mit welchem auf die Verwirklichung jenes Projekts hingearbeitet wird, als dass die Vorstellung des Prinzen Karl der Sache noch eine andere Wendung zu geben vermögen. Ihn zu beschwichtigen, trägt wohl auch wesentlich bei, dass der Kaiser die ganz bestimmte Zusage gibt, die Hand seiner jüngeren Tochter Marianne keinem anderen Bewerber als dem Prinzen Karl zu Teil werden zu lassen. Denn nur in solcher Weise könne er seinen Lieblingsplan, die Häuser Habsburg und Lothringen künftighin in ein einziges umzugestalten, zur Ausführung bringen.

Gleich seinem Bruder ist nun auch Karl, wie man sieht, für die Dauer seines Lebens an Österreich gebunden. Auch darin teilt er dessen Schicksal, dass er gleich ihm den unglücklichen Feldzügen gegen die Türken in den Jahren 1737 und 1738 beiwohnt. Wohl mag er im Verlaufe derselben redlich seine Pflicht getan haben; dass er jedoch einmal und zwar in dem Défilé bei Methadia durch seine Umsicht und Entschlossenheit die ganze Armee gerettet habe, ist eine durch nichts erwiesene Übertreibung. Es scheint vielmehr, dass die Missliebigkeit, in welche der ältere Bruder Franz in Folge der verhängnisvollen Kriegführung verfallen ist, auch auf den jüngeren Bruder sich ausdehnt. Verirrt man sich ja doch sogar zu der Behauptung, kein Ausländer, wie Franz von Lothringen, sondern nur ein deutscher Fürst könne berufen sein, nach dem Tode des Kaisers an der Seite einer seiner Töchter in den österreichischen Ländern nachzufolgen. Selbst Karl VI. hege diese Ansicht und er gehe damit um, seine Tochter Marianne mit dem Kurprinzen von Bayern zu vermählen und die Erbfolge in Österreich zu ihren Gunsten zu ändern.

Trotz der völligen Grundlosigkeit dieser Gerüchte hält man es doch für klug, auch Karl die Reise mitmachen zu lassen, welche Franz in Gesellschaft seiner Gemahlin im Dezember 1738 nach Toskana unternimmt. Von diesem Lande, das ihm schon vor anderthalb Jahren durch den Tod des letzten Medici zugefallen ist, persönlich Besitz zu ergreifen, ist der ausgesprochende, ihn für einige Zeit aus Österreich zu entfernen, wohl der eigentliche Zweck dieser Reise.

Länger als ein Jahr sind beide Brüder von derselben nach Wien zurückgekehrt, als der damals noch ganz unerwartete Tod des Kaisers plötzlich die Katastrophe herbeiführt, der man so lange Zeit hindurch mit Bangen entgegengesehen und durch Verhandlungen und Verträge aller Art vorzubeugen zu können geglaubt hat. Der kurz darauf ausbrechende Österreichische Erbfolgekrieg ruft bald auch Karl von Lothringen ins Feld. Maria Theresia, welche von den militärischen Fähigkeiten ihres Schwagers eine überaus günstige Meinung hegt, ernennt ihn, der damals noch nicht 30 Jahre zählt, zum Feldmarschall und gibt ihn seinem Bruder, ihrem Gemahl bei, als derselbe im November 1741 den Oberbefehl über die Armee übernimmt, welche bei Znaim zusammengezogen wird, um von dort aus in Böhmen einzurücken und den Preußen, Bayern und Franzosen den Besitz dieses Landes zu bestreiten. Einer so übergroßen Aufgabe sind jedoch die wenig zahlreichen Streitkräfte, welche Maria Theresia ins Feld stellen kann, nicht gewachsen. Prag geht verloren und der Großherzog, nach dem Wunsche seiner Gemahlin nach Wien zurückkehrend, überträgt nun seinem Bruder den Oberbefehl.

Bei Chotusitz stößt Karl am 17. Mai 1742 mit König Friedrich zusammen; nach langem Kampfe behauptet Letzterer das Schlachtfeld. Aber in so großer Ordnung vollzieht Karl seinen Rückzug, dass von einer Niederlage der Österreicher nicht Rede sein kann. Ja sie gewinnen, sobald nur die Breslauer Friedenspräliminarien sie von ihrem furchtbarsten Feinde, dem König von Preußen befreit haben, rasch wieder die Oberhand. Mit der Vertreibung der Franzosen und Bayern aus Böhmen, wo sie nur noch Eger besetzt halten, endigt dieser Feldzug, dem im Jahre 1743 ein für Österreich noch glücklicherer folgt. Er führt den Prinzen Karl nach der Unterwerfung ganz Bayerns bis an den Rhein, doch misslingt der Übergang über diesen Strom. Die Untätigkeit des Königs von England, der die pragmatische Armee befehligt, bleibt nicht ohne lähmenden Einfluss auf Karl, und nichts geschieht mehr zur Verwirklichung der hochgespannten Erwartungen, welche der Anfangs so glänzende Verlauf des Feldzuges erweckt hat. Dennoch ist sein Ergebnis kein geringfügiges zu nennen, und insbesondere gibt Maria Theresia selbst mit der ganzen Lebhaftigkeit ihres Wesens dem Gedanken sich hin, ihrem Schwager allein verdanke sie die Eroberung Bayerns, die Zurücktreibung der Franzosen bis über den Rhein. In ihm erblickt sie den Retter ihrer selbst, ihres Hauses und ihrer Länder, und man muss sagen, dass Maria Theresia mit dieser Beurteilung des Prinzen nicht allein steht: im Heer wie in der Bevölkerung Österreichs herrscht eine ähnliche Meinung. Seine persönliche Tapferkeit, seine Unermüdlichkeit bei Erfüllung seiner Pflichten, sein vorsichtige Überlegung werden nicht weniger als sein zuvorkommendes, rücksichtsvolles Benehmen, die wahrhaft humane Gesinnung, die er überall und gegen Jedermann an den Tag legt, einstimmig gepriesen.

Daher begrüßen auch Alle aufs freudigste den Entschluss der Königin, das schon von ihrem Vater gegebene Versprechen zu erfüllen und ihre Schwester Marianne mit dem Prinzen zu vermählen. Beiden gemeinsam wird die Generalstatthalterschaft der Niederlande übertragen, und dorthin begeben sie sich, nachdem am 7. Januar 1744 ihre Trauung stattgefunden hat. Am 23. Februar treten sie die Reise nach Brüssel an, nicht ohne eine gewisse Vorsicht zu beobachten, denn man ist von Paris aus vor einem Anschlag der französischen Regierung gewarnt worden, das neuvermählte Paar während seiner Reise aufzuheben; nur gegen Loslassung aller französischen Gefangenen in Österreich werde man es wieder freigeben. Aber ohne Gefährde treffen Prinz Karl und seine Gemahlin in Brüssel ein, wo sie mit den größten Ehrenbezeigungen bewillkommt werden.

Nur kurze Zeit soll Karl daselbst verweilen, denn bei der sehr hohen Meinung, die man damals von seinen Feldherrntalenten hegt, ist es nur natürlich, dass man seine Kraft gleich der, die man ihm beimisst, nicht unbenützt lassen kann in dem noch fortdauernden Kriege gegen Frankreich. Neuerdings tritt der Prinz an die Spitze der Rheinarmee und glücklich führt er sie in den ersten Tagen des Juli 1744 über den Strom. Sie wisse wohl, schreibt ihm Maria Theresia, was sie der Unermüdlichkeit seiner Vorkehrungen, seinen klugen Maßregeln schulde. Sobald schon trete er in die Fußstapfen seines Großvaters und erwerbe sich gleich ihm nicht nur die glänzendsten Verdienste um Österreich und Deutschland, sondern auch unsterblichen Ruhm für sich selbst.

Womöglich noch freudiger begrüßt der Großherzog von Toskana die Erfolge seines Bruders, denn von einer glücklichen Bewerkstelligung des Übergangs über den Rhein hat er immer die größten Erwartungen gehegt. In beiden Brüdern lebt die Liebe zur Heimat mächtig wieder auf und sie mögen sich Lothringens Wiedererwerbung weit leichter vorstellen, als sie es in der Wirklichkeit ist. Sie hoffen darauf, dass sich die Bewohner dieses Landes bei dem Erscheinen der österreichischen Truppen, insbesondere wenn sie an ihrer Spitze ein rasch berühmt gewordenes Mitglied ihres angestammten Herrscherhauses sehen, zu Gunsten derselben erheben werden. Aber in dem Augenblicke, in welchem Karl an die Durchführung der Entwürfe zur Wiedergewinnung Lothringens schreiten soll, scheinen ihm auch die Schwierigkeiten dieses Unternehmens vollkommen klar zu werden. Noch ist ihm deren Überwindung nicht gelungen, als seinen ferneren Unternehmungen auf dem linken Rheinufer durch Preußens erneuerten Angriff ein rasches Ende bereitet wird. Der Einmarsch König Friedrichs in Böhmen nötigt den Prinzen Karl zur schleunigen Rückkehr über den Rhein. Trifft er auch zu spät in Böhmen ein, um Prag zu retten und das Vordringen der Preußen bis über Budweis zu verhindern, so manövriert er doch, durch die klugen Ratschläge des Feldmarschall Grafen Traun hierbei aufs wirksamste unterstützt, mit solcher Geschicklichkeit, dass König Friedrich in Böhmen immer mehr Boden verliert. Ohne dass es zu einem eigentlichen Zusammenstoße mit ihm gekommen wäre, wird Friedrich allmählich zur Räumung von Prag und endlich zu völligem Rückzuge aus Böhmen genötigt. Die Österreicher unter Prinz Karl und Traun folgen ihm bis auf schlesischen Boden.

Gleichzeitig mit diesen freudigen Ereignissen wird der Prinz von dem schwersten Schlage des Schicksals heimgesucht, der ihn nur treffen kann. Am 6. Oktober hat seine Gemahlin, die in Brüssel zurückgeblieben ist, in unglücklicher Niederkunft ein totes Kind geboren; von diesem Tage an siecht sie dahin und am 16. Dezember 1744 stirbt sie. Wenige Augenblicke, nachdem für die Vertreibung der Preußen aus Böhmen das Tedeum gesungen worden ist, trifft die Trauerbotschaft in Wien ein. Durch diesen schmerzvollen Verlust wird der vielgespriesene Überwinder des äußeren Feindes im eigenen Hause zum trostlosen Witwer gemacht, denn Karl ist seiner Gemahlin in tiefster Seele ergeben.

Man erweist ihm gewiss nicht zu viel Ehre, wenn man behauptet, dass er damals wirklich ein „Vielgepriesener“ ist. Denn mit Erstaunen und Bewunderung erfüllt es die Welt, dass ein Friedrich fast ohne Schwertstreich vor ihm aus Böhmen hat zurückweichen müssen. Darum erhebt sich schon lange vor Beginn des nächsten Feldzuges zwischen Maria Theresia und ihren Verbündeten ein Streit über den Kriegsschauplatz, auf welchem Prinz Karl von Lothringen verwendet werden solle. Dringend verlangen die Seemächte, es möge ihm der Oberbefehl über das vereinigte Heer in den Niederlanden anvertraut werden. Maria Theresia hingegen, noch weit mehr als alle Übrigen von der Überzeugung durchdrungen, dass der Prinz, den sie schon als teuren Verwandten aufs innigste liebt, einer der größten Feldherren seiner Zeit ist, will ihm die Aufgabe, die ihr am meisten am Herzen liegt, die Wiedereroberung Schlesiens anvertrauen. Dem Prinzen verbleibt also das Oberkommando über das Heer, welches zum Kampfe gegen Preußen bestimmt ist. Er zeigt sich jedoch, und zwar wohl aus dem Grunde, weil ihm sein früherer Ratgeber Traun nicht mehr zur Seite steht, dieser Aufgabe nicht gewachsen. Freilich erhalten hiedurch nun diejenigen Recht, welche lang schon behauptet haben, die glänzenden Erfolge des vergangenen Jahres habe man nicht so sehr dem Prinzen als Traun zu verdanken.

Wenn Karl, um diese Meinung Lügen zu strafen, selbst darauf hingewirkt haben mochte, dass Traun eine andere Bestimmung erhält, so wird dies jetzt an ihm bitter gerächt. Denn bei Hohenfriedeberg erkämpft Friedrich den glänzendsten Sieg, den er bisher errungen, und bei Soor erliegt ihm Karl von Neuem. Mit dem Kriegsruhme des Prinzen, der noch vor kurzem in so hellem Glanz gestrahlt hat, ist es nun für immer vorbei, und gern hätte man ihn, den noch vor wenigen Monaten jede der verbündeten Mächte an die Spitze ihrer eigenen Streitkräfte berufen wollte, des Oberkommandos ganz enthoben gesehen, wenn nur die geringste Aussicht vorhanden gewesen wäre, dass Maria Theresia und ihr Gemahl darauf eingehen würden. Mochten sie hierin auch so ziemlich allein bleiben, so zeigen sich beide doch unerschüttert in ihrem Vertrauen zu Karl. Sogar sein tadelnswertes Benehmen in Sachsen, wo fast unter seinen Augen und ohne dass er rechtzeitig zur Hilfe eilt, die einheimischen Truppen, bei denen sich auch österreichische Streitkräfte befinden, bei Kesselsdorf eine Niederlage erleiden, und der unmittelbar darauf folgende Dresdener Friede machen seiner unglücklichen Kriegführung noch kein Ende.

Er weiß, nach Wien zurückgekehrt, der Kaiserin die Ereignisse des Feldzuges in solchem Licht zu schildern, dass sie nicht ihm, sondern der Ungunst des Schicksals und der vermeintlichen Unzuverlässigkeit eines Teils der Truppen den traurigen Ausgang zur Last legt. Ohnedies sehr für ihn eingenommen, verschließt sie sich seiner Behauptung nicht, dass wenn er in dem nächsten Feldzuge unverwendet bliebe, hierin nur eine Bekräftigung der gegen ihn allgemein erhobenen, seiner Meinung nach aber ganz unverdienten Beschuldigungen erblickt werden würde. Er erhält daher den Oberbefehl über das Heer der Verbündeten in den Niederlanden, freilich nur, um, wie es früher von Seite des Königs von Preußen geschehen ist, jetzt, und zwar am 11. Oktober 1746 bei Raucoux von dem Marschall von Sachsen geschlagen zu werden. Nun endlich tritt der Prinz vom Oberkommando zurück und widmete sich, da er, wenngleich durchaus kein glücklicher Feldherr, doch gewiss ein kenntnisreicher Soldat ist, mit Eifer und Erfolg den Arbeiten, die insbesondere nach Abschluss des Aachener Friedens zur Reform des österreichischen Heerwesens beginnen. Erst im April 1749 trifft er wieder in Brüssel ein, und der überaus festliche Empfang, der ihm dort bereitet wird, ist ein unwiderleglicher Beweis der Freude, die man über die Beendigung der französischen und die Rückkehr der österreichischen Herrschaft empfindet. Wenn man jedoch keinen glücklicheren Ausdruck hierfür findet, als den Prinzen als Triumphator in Brüssel einziehen zu lassen, so steht dies mit seinem wirklichen Leistungen als Feldherr in gar argem Kontrast.

Dagegen lässt sich nicht leugnen, dass der Jubel, mit welchem das niederländische Volk seinen Generalstatthalter empfängt, durch die Art seines Auftretens daselbst und durch die Sorgfalt, mit der er den Pflichten seiner Stellung sich widmet, ausreichend gerechtfertigt wird. Die reformatorische Tätigkeit, welche zu jener Zeit in allen österreichischen Staaten und auf den verschiedensten Gebieten der Verwaltung zum Heile dieser Länder und ihrer Bewohner entfaltet wird, findet, soweit sie die Niederlande in den Kreis ihres Wirkens zieht, an Karl von Lothringen ein verständnisvolles und hingebendes Werkzeug. So viel Wohlwollen bringt er denen entgegen, die er im Namen der Kaiserin regiert, und so sehr weiß er sie mit der Erkenntnis seines guten Willens und seiner edlen Absichten zu durchdringen, dass er sich bald einer ebenso allgemeinen als tief empfundenen Beliebtheit im ganzen Lande erfreut. Leider wird dieses ersprießliche Wirken durch den Ausbruch des Siebenjährigen Krieges wenigsten für einige Zeit unterbrochen.

Trotz mannigfacher Warnung lässt sich Maria Theresia wohl zumeist durch ihren Gemahl und durch ihren eigenen Wunsch, ihrem Schwager die Möglichkeit zu eröffnen, durch Besiegung des Königs von Preußen seine letzten unglücklichen Kriegserlebnisse vergessen zu machen und seinen frühreren Ruhm wieder herzustellen, dazu verleiten, ihm wieder den Oberbefehl zu übertragen. Durch die Niederlage des Prinzen bei Prag – 6. Mai 1757 – wird sie ebenso rasch als hart für diesen Missgriff bestraft. Daun’s Sieg bei Kolin macht freilich das Geschehene so ziemlich gut, aber umsomehr betrachtet man es als eine Kalamität, dass bei der Vereinigung Daun’s mit Karl das Oberkommando dem Letzteren zufällt. Auch jetzt noch zeigt sich Maria Theresia keiner Gegenvorstellung zugänglich, und der Rückzug Friedrichs aus Böhmen scheint ihr im ersten Augenblicke Recht geben zu sollen. Gar bald aber erhebt sich gegen die Kriegführung des Prinzen von allen Seiten neue und gegründete Beschwerde. Mit unerträglicher Langsamkeit folgt er dem Feinde nach der Lausitz und endlich nach Schlesien; jede Gelegenheit, sich auch unter den günstigsten Verhältnissen mit ihm zu schlagen, geht ungenützt vorüber, und so weit kommt es, dass endlich sogar der Kaiser wankend wird in seiner bisherigen blinden Parteilichkeit für seinen Bruder. „Ich zittere für Deine Ehre“, schreibt er am 25. September 1758, „und Du kannst selbst die Wirkung beurteilen, welche es auf alle Welt hervorbringt, wenn diese kleine preußische Armee immer wieder Mittel findet Dir zu entwischen, nachdem sie sich so oft und durch so lange Zeit in Deiner Nähe befant, ohne dass Du sie zu schlagen vermochtest.“

Durch so scharfe Worte zu größerer Tätigkeit angespornt, wendet sich Karl endlich gegen Breslau aber auch hier kommt er zu spät und findet den Herzog von Braunschweig-Bevern (s. d.) schon vor der Stadt gelagert. Im kaiserlichen Heerlager meinte man, in Anbetracht dieses Umstandes jeder nachdrücklichen Unternehmung gegen Breslau entsagen zu müssen, bis man Schweidnitz erobert und das dortige Belagerungskorps mit dem Hauptheere vereinigt habe. Am 12. November fällt Schweidnitz; zehn Tage später greift Karl endlich den Herzog von Bevern vor Breslau an und schlägt ihn aufs Haupt. Die Einnahme dieser Stadt ist die unmittelbare Folge des errungenen Sieges.

Ganz unbeschreiblich ist der Jubel, welchen diese Nachricht in Österreich hervorruft, und Maria Theresia, die schon ganz Schlesien als wiedergewonnen ansehen möchte, freut sich doppelt dieses großen Erfolges, weil ihr Schwager es ist, dem sie ihn verdankt. Aber so lebhaft die Freude, so kurz ist sie auch. Denn schon nach zwei Wochen, am 5. Dezember 1757 greift König Friedrich, aus Sachsen herbeigeeilt, bei Leuthen die Österreicher an und binnen weniger Stunden ist ihr vor kurzem noch siegreiches Heer fast ganz vernichtet. Wer nicht in der Schlacht gefallen ist, wird in Breslau kriegsgefangen oder auf dem übereilten Rückzug versprengt. In dem beklagenswertesten Zustande kehren die letzten Trümmer der österreichischen Armee in der zweiten Dezemberhälfte nach Böhmen zurück.

Ein wahrer Sturm der Entrüstung erhebt sich nun in ganz Österreich wider den Prinzen und allgemein ist die Ansicht, nun und nimmermehr dürfe die Leitung der Kriegführung ihm neuerdings anvertraut werden. Diesen immer energischer laut werdenden Stimmen gegenüber, denen die nachdrücklichen Vorstellungen der zwei verbündeten Mächte Frankreich und Russland doppeltes Gewicht verleihen, wagen selbst die ärgsten Wohldiener nicht mehr den Standpunkt zu verteidigen, von dem sie vielleicht auch jetzt noch annehmen zu dürfen glauben, dass er dem Kaiser und der Kaiserin am meisten genehm sei. Nun hat aber auch Maria Theresia ihre frühere Meinung geändert und sich entschlossen, ihrem Schwager den Oberbefehl zu entziehen. Auch der Kaiser fügt sich, wenngleich schwer bekümmerten Herzens, dieser unabweislichen Notwendigkeit. Durch liebreiche, aber doch auch nachdrückliche Vorstellungen sucht er seinen Bruder zur freiwilligen Abdankung zu bewegen. Und als diese nichts fruchten, fasst sich Maria Theresia ein Herz und richtet ein Schreiben an den Prinzen, in welchem sie ihm erklärt, ihm den Oberbefehl nicht länger belassen zu können; er möge daher selbst seine Enthebung begehren. Einigen Trost mag es Karl gewährt haben, dass er bald darauf als der Erste aus den Händen des Kaisers das Großkreuz des neugestifteten Theresienordens empfängt.

Noch längere Zeit hindurch bleibt Karl in Wien und sucht sich durch gut Ratschläge für die Kriegführung, in der er keine aktive Rolle mehr spielen wird, sowie durch Beteiligung an den Vorkehrungen, welche für dieselbe erforderlich sind, der Kaiserin nützlich zu erweisen. Erst im November 1758 kehrt er nach den Niederlanden zurück, deren Regierung neuerdings zu übernehmen, und auch jetzt wieder wird sie von ihm zum Wohle jenes Landes und zu seinem eigenen Ruhme in ersprießlichster Weise geführt. Zu besonderer Ehre gereicht es ihm, dass er sich nicht zum blinden Vollstrecker der ihm von Wien aus zukommenden Befehle ergibt, sondern dass die Rechte und Freiheiten der niederländischen Provinzen, die gar Mancher am Kaiserhofe nur mit scheelem Auge betrachtet, einen tapferen Verteidiger an ihm finden. Darum zeigt sich auch, als er im Jahre 1767 gefährlich erkrankt, die Liebe aller Kreise der Bevölkerung zu ihm in wahrhaft rührender Weise, und jubelnd wird überall die Feier seiner Wiedergenesung begangen. Zwei Jahre später erneuern und vervielfältigen sich diese Feste, denn 25 Jahre sind seit jenem 26. März 1744 verflossen, an welchem Karl von Lothringen mit seiner verstorbenen Gemahlin seinen ersten Einzug in Brüssel gehalten und die Regierung des Landes angetreten hat. Nicht nur freiwillige Geschenke werden ihm jetzt in reichlichem Ausmaße bewilligt; die Stände von Brabant beschließen, ihm in Brüssel eine Statue zu errichten, und am 17. Januar 1775 wird sie in seiner Gegenwart und in der seines Neffen, des Erzherzog Maximilian feierlich enthüllt.

Am 4. Juli 1780 stirbt er im Schloss zu Tervueren, wo er während der letzten Jahre seines Lebens mit besonderer Vorliebe fast ausschließlich verweilte, Prinz Karl von Lothringen, der seit 1761 auch mit der Würde des Großmeisters des Deutschen Ordens bekleidet war. In den Niederlanden aufrichtig betrauert, wird er von Maria Theresia, die ihm Zeit ihres Lebens in wahrhaft schwesterlicher Liebe zugetan war, schmerzlich beweint. Nach seiner ihm allzeit so teuren Heimat aber, nach Lothringen kehren nun seine sterblichen Überreste zurück. In der Grabkapelle seiner Ahnen zu Nancy wird ihnen die letzte Ruhestätte bereitet.

Figuren

  • Karl Alexander Prinz von Lothringen, 28 mm Front Rank Figuren SYAP1
  • Karl Alexander Prinz von Lothringen, 25 mm Minifigs SYWCX 3

Bibliographie

Quelle: Alfred Ritter von Arneth

Figuren des Siebenjährigen Krieges