Nikolaus, Graf von Luckner
Nikolaus Graf v. Luckner, zuletzt Marschall von Frankreich, am 12. Januar 1722 zu Cham im bayerischen Wald geboren, der Sohn des dortigen Bürgermeisters, in Passau bei den Jesuiten erzogen, wo ihm, „einiger Leichtsinn und Wildheit“ nachgesagt wird, so dass man ihm den Beinamen Libertinus gegeben hatte, trat 1737 als Kadett in das bayerische Infanterieregiment Morawitzky, nahm mit diesem unter Österreichs Fahnen an dem 1739 beendeten Türkenkrieg teil, ward in letzterem Jahr Fähnrich, 1741 Lieutenant und 1743 zu Feraris-Husaren versetzt. Ob er 1744 eine Zeit lang bei dem von dem militärischen Abenteurer Johann Michael Gschray für Bayern geworbenen Freicorps gedient hat (vgl. Luckner Lebensbeschreibung in Streffleurs Österreichischer militärischer Zeitschrift, 1861, IV), steht nicht fest. Luckners Aufzeichnungen erwähnen nichts davon. General Dr. K. v. Spruner lässt ihn in seinen „Charakterbildern aus der bairischen Geschichte. Erläuterungen zu den Bildern des Nationalmuseum zu München“, München 1878, auf dem Bild Nr. 68 mit Gschray Straubing gegen die Österreicher verteidigen. Als Feraris-Husaren 1745 in den Sold der Generalstaaten überlassen wurden, ging Luckner mit denselben nach den Niederlanden, machte dort die Feldzüge des Österreichischen Erbfolgekrieges mit und stieg 1748 zum Major auf. Hier wurde er dem Bruder der Erbstatthalterin, dem Herzog von Cumberland, bekannt und gelangte durch diesen bei Beginn des Siebenjährigen Krieges in den hannoverschen Dienst. Am 1. Mai 1757 wurde er als Major, mit dem Auftrag ein Husarencorps zu bilden, angestellt; erst ein Jahr später schied er aus seinem Verhältnis in Holland. Es geschah auf Veranlassung der dortigen Regierung. Als es sich um diese Frage handelte, schrieb der Sekretär Westphalen an den Höchstkommandierenden, den Herzog Ferdinand von Braunschweig, „Luckner scheine ihm nicht Großes zu sein, da man aber keinen Besseren habe, möge man ihn conserviren“ und um dieselbe Zeit äußerte Letzterer gegen Ersteren, „man möge das größere Commando an Freytag geben, dem er mehr zutraue und dessen Discretion man sicherer sei.“ Rasch aber gelang es Luckner darzutun, dass in der unscheinbaren Hülle, welche sein Anblick zeigte, ein tüchtiger Kern stecke. Schon im Sommer 1758 charakterisiert ihn Westphalen folgendermaßen: „Luckner qu’a son maintien incompréhensible de ses rapports, semblait n’avoir pas le sens commun, avait reçu que lui, ni ne raisonnait plus just pour tirer parti de l’occasion présente“. Im Frühjahr 1759 berichtet General Wangenheim über ihn „Luckner thut Wunder; ungeachtet immer zehn gegen einen sind, greift er sie an und wirft sie immer zurück“; drei Jahre später nennt der Herzog seine Manöver „admirable“. Die Uniform seiner Husaren war zunächst ein gelbverschnürter grüner Pelz und Dolman mit roten Hosen und ungarischen Flügelkappen von Filz; nach zwei Jahren erhielten sie weiße Dolmans und Pelzmützen mit roten Beuteln.
Gleich bei Beginn der neuen Ära, welche mit des Herzogs Erscheinen auf dem nordwestlichen Kriegsschauplatz anhub, führte Luckner sich Ende Dezember 1757 durch einen gelungenen Überfall auf den Oberst Grandmaison in Wahrenholz bei Gifhorn glücklich ein und diese Art von Unternehmungen waren es, der er auch später einen großen Teil seiner Erfolge verdankte. Sein Angriff des französischen Lagers vor der Schlacht bei Krefeld, wo er in den Artilleriepark fiel, drei Schwadronen nacheinander warf und 60 Beutepferde zurückbrachte; der Überfall von 400 französischen Reitern, welche in Holzhausen standen, in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli, von denen nur wenige entkamen, weil in der Folge der gegenseitigen Erbitterung die meisten niedergemacht wurden; Luckners überraschender Anfall auf ein Detachement bei Lahde an der Weser vor der Schlacht bei Minden, welcher ihm „für die bezeigte Bravour“ von Seiten des Herzogs ein Douceur von 1000 Talern eintrug; sein Zug von Weilburg gegen Frankfurt (Mitte September 1759), wo er die für Bercheny-Husaren bestimmten Remonten aufhob; die Überwältigung einer Abteilung gemischter Truppen zwischen Dillenburg und Siegen (29. Dezember 1759), für welche sein Corps ein genommenes Geschütz „zum steten Andenken“ erhielt; der Erfolg, welchen er wenige Tage darauf im Westerwald bei grimmer Winterkälte über das Regiment Beauffremont-Dragoner davon trug, sind einige der bedeutendsten solcher Husarenstreiche; sie brachten ihm und den Seinen Ruhm und reiche Beute. „Herr Jesus, was wollen wir mit allen Gefangenen machen!“ schreibt er am 24. Februar 1761 und bis zum Monat September brachte er deren in diesem Jahr 1507 ein, darunter 61 Offiziere. Der Winter, während dessen, nach Art der damaligen Kriegführung, in den größeren Operationen ein Stillstand eintrat, gewährte den leichten Truppen wenig Zeit zur Erholung; ihnen lag dann ob, für die Ruhe der kantonnierenden Kameraden zu sorgen, eine Aufgabe, die um so schwieriger war, als ihnen keineswegs verächtliche Gegner gegenüberstanden, deren Führer, wie Fischer, Grandmaison, Champfort, du Blaisel nichts unversucht ließen, den Alliierten Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Luckners Geschick für Truppenführung und seine Erfolge hatten bald die Wirkung, dass ihm auch größere Abteilungen, aus allen Waffen zusammengestellt, unterstellt wurden und dass er in den vorkommenden Schlachten bedeutende Kommandos erhielt; bei einer solchen Gelegenheit, bei Wilhelmsthal am 24. Juni 1762, ließ er indes den ihn sonst nie verlassenden Unternehmungsgeist vermissen und trug so dazu bei, dass der Sieg nicht in vollem Maße ausgenutzt wurde, um die braunschweigischen Lande gegen die Unternehmungen des Prinzen Xaver zu schützen und er sich dieses Auftrages rasch und geschickt entledigte. Zwei Umstände sprechen für den Wert, den man Luckners Diensten beimaß, die Vermehrung seines Corps und seine eigene rasche Beförderung. Aus einer Kompanie zu 54 Mann wuchs das Husarencorps allmählich zu einem Regiment von vier Schwadronen zu zwei Kompanien und zu einer Stärke von 671 Mann, und Luckner selbst, im Jahr 1757 Major, ward, jedes Jahr um einen Grad befördert, 1761 Generallieutenant. „Vorzügliche Meriten erfordern auch vorzüglich Distinctiones“, schrieb Herzog Ferdinand, als er Luckner 1760 zum Generalmajor vorschlug; er äußerte damals die Absicht, ihm das Kommando über alle leichten Truppen zu geben, doch kam es dazu nicht; auch war der Herzog gegen Ende des Krieges in mancher Beziehung gegen ihn eingenommen, namentlich rügte er den unerlaubten Gewinn, der durch das Offenhalten von Vakanzen in Luckners Taschen floss und der ihn, neben dem Verdienst, welcher ihm als Truppenlieferant erwuchs und seinen sonstigen bedeutenden militärischen Einnahmen, in Stand setzte, bereits im Frühjahr 1761 das Gut Blumendorf bei Oldesloe für 100.000 Taler anzukaufen. Später erwarb er das in der Nähe liegende, noch im Besitz der Familie befindliche Gut Schulenburg. In den Reihen seiner Kameraden hatte Luckner viele Widersacher und Feinde, darunter allerdings manche Neider. Alles dies trug dazu bei, dass als nach Friedensschluss die hannoversche Armee reduziert ward, das Husarencorps trotz der Verwendung des General v. Spörcken nicht als ein besonderes Regiment bestehen blieb, sondern mit den übrigen für den Krieg geworbenen leichten Truppen in zwei leichte Dragonerregimenter verschmolzen wurde und dass Luckner selbst, genau sechs Jahre nach seinem Eintrtt, den kurfürstlichen Dienst quittierte. Schon während des Krieges hatte er mit fremden Mächten über eine Anstellung unterhandelt, es wurden ihm mancherlei Anerbieten gemacht; jetzt fand er einen Platz – mit seinem Rang und 30.000 Francs Gehalt – in Frankreich, also in den Reihen seiner Gegner, denen sein Name seit dem Jahr 1758 wohlbekannt war.
Fast 30 Jahre sollte es dauern, bis er von Neuem berufen wurde das Kriegshandwerk auszuüben. Die Revolution war ausgebrochen; der charakterlose General schloss sich ihr an und wurde gleichzeitig mit Rochambeau zum Marschall ernannt. Man hegte große Erwartungen von ihm und hoffte, dass die Taktik Friedrichs des Großen durch ihn zu Frankreichs Ruhm und Vorteil neue Triumphe feiern würde. Aber der unternehmende Parteigänger war kein Feldherr und der kecke Soldat des Siebenjährigen Krieges war alt geworden, dazu lähmte die Halbheit seiner politischen Parteinahme die Energie seiner Entschlüsse. Als er an Rochambeaus Stelle das Kommando der Nordarmee erhalten hatte, rückte er freilich 22 Lieues in Flandern ein, drängte die schwachen österreichischen Abteilungen, die ihm gegenüber standen, zurück, nahm Menin und Courtray, gab aber alle diese Vorteile wieder auf, als es hieß, Dumouriez sei nicht mehr Minister. Charakterlos schwankte er hin und her; solange Lameth, Jouy und andere Offiziere, welche ihm nahe standen, bei ihm waren, schimpfte er auf Dumouriez; hatte dieser die Oberhand, so klagte er jene an. Man gab ihm nun Lafayette zum Nachfolger und versetzte ihn zur Armee des Zentrums in Metz, wo er sich ebenso unfähig erwies. Der Herzog von Braunschweig war in die Champagne eingedrungen; Luckner, statt ihn in Flanke und Rücken zu fassen, wozu Dumouriez ihn aufforderte und wozu er trotz des üblen Zustandes, in welchem seine Truppen sich befanden, wohl im Stande gewesen wäre, blieb untätig. Dennoch wagte man nicht, ihn zu beseitigen, weil man die öffentliche Meinung, welche für Luckner eingenommen war, fürchtete; man versetzte ihn nach Châlons, wo er die Aufsicht über eine zu sammelnde Armee haben sollte, ohne selbst ein Kommando zu führen. Die Soldaten machten sich über ihn lustig und die Disziplin in der republikanischen Armee ging vollends zu Grunde. Um ihn zum Rücktritt zu bewegen, setzt man ihm den Oberst Laclos zur Seite, ohne dessen Mitunterschrift keine Anordnung Luckners Gültigkeit haben sollte. Dies bewog ihn endlich, seine Enthebung vom Kommando nachzusuchen, die er unter Zusicherung der Fortzahlung seines ganzen Gehaltes erhielt. Damit haperte es aber bei der französischen Republik sehr bald; um seine sehr berechtigten Forderungen beizutreiben, ging Luckner nach Paris und verfiel hier den Händen Fouquier-Tinvilles, der ihn der Mitschuld an den Verbrechen von Dumouriez und Custine anklagte. Charles Hesse, ein Sprößling des hessischen Fürstengeschlechts, der unter jenem Namen sich der Revolution in die Armee geworfen hatte, war der Hauptbelastungszeuge, auf dessen haltlose Anschuldigungen er zum Tode verurteilt wurde. Am 4. Januar 1794 erlitt er diesen mit der würdigen Haltung des alten Soldaten; die Revolution glaubte in ihm einen Hauptrepräsentanten der alten Armee zu treffen.
L. v. Sichart, Geschichte der königlich hannoverschen Armee, III, Hannov. 1870. – H Wallon, Histoire du tribunal révolutionnaire de Paris, II, Paris 1880. – (Generallieutenant v. Dachenhausen), Luckner und seine Husaren, Verden 1863 (einzelne Ungenauigkeiten).
Poten, Bernhard von, „Luckner, Nikolaus Graf von“ in: Allgemeine Deutsche Biographie 19 (1884), S. 359-361