Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, 1735–1806

Generalmajor Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, 40 mm Zinnfigur Prince August.

Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, ältester Sohn des Herzogs Karl I. und seiner Gemahlin Philippine Charlotte, einer Schwester Friedrichs des Großen, wurde am 9. Oktober 1735 zu Wolfenbüttel geboren. Er wuchs in den geistig sehr angeregten Kreisen auf, welche seine Eltern, besonders in Braunschweig, um sich zu versammeln wussten. Seine erste Erziehung, die v. Wittorf, ein leichtsinniger Lebemann, als Hofmeister leitete, war von Missgriffen nicht frei. Aber bald wurde dem Prinzen in dem würdigen Abt Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem ein vorzüglicher Lehrer gewonnen, der auf seine ganze geistige und religiöse Entwicklung den nachhaltigsten Eindruck ausübte. Er erhielt eine gründliche vielseitige Bildung, welche er durch den Besuch des neugegründeten Collegium Carolinum in Braunschweig, sowie durch Reisen, die er 1751 und 1752 in Holland, Frankreich und Deutschland unternahm, noch vervollkommnete. Mit Leidenschaft war Karl Wilhelm Ferdinand, zumal in seinen jungen Jahren, Soldat. Er tat sich im Siebenjährigen Krieg auf das Vorteilhafteste hervor. An der Spitze seines braunschweigischen Leibregiments erstürmte er in der Schlacht bei Hastenbeck eine feindliche Batterie, und nicht zum wenigsten durch sein kühnes Eingreifen wäre der Tag für die verbündeten Truppen siegreich geworden, wenn nicht der Herzog von Cumberland in unbegreiflicher Kopflosigkeit den Rückzug angeordnet hätte. Als Herzog Karl mit den Franzosen bei ihrem Einrücken in die braunschweigischen Lande eine Konvention abgeschlossen hatte, wollte der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand auf Reisen gehen.

Auf dem Weg nach Holland traf er in Hamburg seinen Onkel Herzog Ferdinand, der an Cumberlands Stelle den Oberbefehl übernommen hatte. Durch dessen dringende Vorstellungen bewogen, sich dem Kampf wider die Franzosen aufs Neue anzuschließen, nahm er an demselben bis zum Friedensschluss den ruhmvollsten Anteil. In der Schlacht bei Minden vorzüglich errang er sich neue Lorbeeren. König Friedrich sang sein Lob in einer Ode; er war der Ansicht, dass die Natur den Jüngling zu einem Helden bestimmt habe. Am 16. Januar 1764 vermählte sich der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand mit der Tochter des Prinzen Friedrich Ludwig von Wales, Auguste, die ihm eine äußerst reiche Mitgift zuführte. Im Spätsommer 1765 brachte er die Gattin nach England, wo dieselbe ihre Entbindung abwarten sollte. Als sie dem Erbprinzen Karl Georg August am 8. Februar 1766 das Leben geschenkt hatte, trat Karl Wilhelm Ferdinand bald darauf eine längere Reise an. Er begab sich zunächst nach Frankreich, wo er mit Ehren überhäuft wurde. Besonders bemühten sich in Paris der Hof und der hohe Adel, ihn durch Feste aller Art zu feiern. Sein Auftreten war fürstlich, entsprechend dem Ansehen seines Hauses und dessen Familienverbindungen; er zeigte sich niemals so freigebig und glänzend wie auf dieser Reise. Nicht minder gern als in den aristokratischen Kreisen verkehrte er mit den geistigen Größen der Weltstadt. So vor Allem mit Jean-François Marmontel, der von dem Herzog stets mit großer Verehrung sprach. Von Frankreich ging er zunächst in die Schweiz, besuchte Voltaire in Verney und reiste dann nach Italien. Längere Zeit verweilte er in Rom. Auch hier fand er eine so ehrenvolle Aufnahme, wie sie kaum je einem protestantischen Prinzen zu Teil geworden. Allem anderen Verkehr aber zog er den Winckelmanns vor, mit welchem er unermüdlich die reichen Kunstschätze der Stadt Rom und ihrer Umgebung besichtigte. Bis Neapel dehnte er seine Reise aus und kehrte dann über Paris, wo er mit seiner Gemahlin wieder zusammentraf, nach der Heimat zurück.

Das Land befand sich in jener Zeit gerade in der traurigsten Lage, die Finanznot hatte nach dem Siebenjährigen Krieg ihren Gipfel erreicht. Schleunige Hilfe war dringend von Nöten. Diese wurde dem Land vor Allem durch den Erbprinzen gebracht. Wie er durch kluge Maßregeln besonders mit Hilfe des Geheimen Rates Féronce von Rotenkreuz (s. d.) den Kredit des Landes wieder herstellte und eine gründliche Ordnung im Finanzwesen schuf, ist in einem früheren Aufsatz (s. Karl I.) bereits geschildert worden. Mit Recht verehrten ihn die Braunschweiger wie als tüchtigen Kriegshelden, so als Retter des Landes vor dem finanziellen Bankrott. Als sein Vater am 26. März 1780 gestorben war, trat Karl Wilhelm Ferdinand die Regierung des Herzogtums an. Er führte dieselbe in echt landesväterlichem Sinne, sparsam und haushälterisch, aber wohlwollend, stets auf das Beste der Untertanen bedacht, gemäßigtem Fortschritt nicht abgewandt. Ihm widerstand alles gewaltsame Durchgreifen. Er betrachtete die Sache von allen Seiten, gestand abweichenden Ansichten ihre Berechtigung zu und zögerte mit dem Entschluss. Seine Tatkraft wurde dadurch nicht selten in bedenklicher Weise gelähmt. Nicht nur in seinen Feldzügen, auch bei seinen Regierungshandlungen tritt dieser Zug deutlich hervor. Begegneten seinen Plänen, die er mit einsichtiger Bedächtigkeit entworfen, größere Schwierigkeiten, erregten sie namentlich den Widerspruch weiterer Kreise, so gab er sie mitunter auf halbem Wege wieder auf. Besonders war das der Fall, wenn er sich in Widerspruch mit seinen Landständen wusste. Seine Sparsamkeit erschien zuweilen drückend und übertrieben, aber Niemandem legte er größere Entbehrungen auf als sich selber. Auch litt die Verwaltung des Landes dadurch in keiner Weise. Im Gegenteil suchte er alle Einrichtungen zweckmäßig weiter zu entwickeln. Er zahlte seinen Beamten meist nur sehr mäßige Gehalte, aber er zog doch auch wieder tüchtige Leute gegen höhere Besoldung gern in seine Dienste. So vor Allem den Freiherrn K. A. v. Hardenberg (s. d.), den späteren preußischen Staatskanzler Fürsten v. Hardenberg, der 1782–90 als braunschweigischer Geheimrat eine rege Tätigkeit entfaltete. Überhaupt besetzte er höhere Staatsdienststellen mit sehr einsichtsvollen Männern. Außer Féronce v. Rotenkreuz, v. Braun (s. d.) sind hier besonders noch der Hofrat, spätere Geheime Rat Mahner und der Geheime Legationsrat, spätere westfälische Staatsrat Henneberg zu nennen.

Der Herzog wandte besonders dem Erziehungswesen eine sehr große Sorgfalt zu. Er suchte auch hier den Forderungen der Zeit möglichst gerecht zu werden, indem er den wohl einzig dastehenden Versuch machte, das gesamte Erziehungswesen des Landes von Staatswegen nach philanthropischen Grundsätzen umzugestalten. Dieser Plan wurde vorzüglich durch den Geheimen Rat v. Hardenberg unterstützt. Man wollte die Leitung der Schule der Kirche vollständig nehmen und sie dem durch Verordnung vom 12. Juni 1786 neugegründeten Schuldirektorium übertragen, das über alle Schulen in den Städten und auf dem Lande, die sämtlichen Lehrer, auch über die Geistlichen, die an ihnen beschäftigt waren, die unumschränkte Aufsicht führen sollte. Campe hatte ein umfassendes Gutachten geliefert. Dasselbe enthielt auch Vorschläge zur Umgestaltung der theologischen Erziehung, zu deren Ausführung man den Dr. Bahrdt nach Helmstedt berufen möchte. Doch konnten weder Hardenberg noch der Herzog diesen letzten Entwurf gutheißen. Um Druck, Verlag und Betrieb neuer brauchbarer Schulbücher zu bewerkstelligen und zu erleichtern, gründete Campe mit Unterstützung der Regierung die Schulbuchhandlung in Braunschweig. Kaum war aber die neue Behörde errichtet, als auch schon der landständische Ausschuss mit heftigen Einwendungen hervortrat, obwohl unter den Landesdesiderien Verbesserung des Schulwesens zum Öfteren gefordert war. Man erblickte in der Neuerung eine Überschreitung der landesherrlichen Befugnisse. Die Geistlichkeit war äußerst erregt; es erwuchsen für eine gänzliche Trennung von Schule und Kirche erhebliche praktische Schwierigkeiten daraus, dass die Lehrer zumeist auch Kirchendienst zu versehen hatten; der Stadtmagistrat von Braunschweig weigerte sich das Martineum dem Schuldirektorium zu unterstellen. Es wurde eine Kommission eingesetzt, welche die Grenzen zwischen Konsistorium und Schuldirektorium feststellen sollte. Der ständische Ausschuss forderte die Aufnahme zweier neuer Mitglieder in das Direktorium. Alle diese Weiterungen veranlassten, dass dem Herzog die Sache gründlich verleidet wurde; zwar behielt er sich die beanspruchten Befugnisse ausdrücklich vor, aber löste doch durch eine Verordnung vom 6. April 1790 das Schuldirektorium wiederum auf. Nicht minder erfolglos verliefen Verhandlungen in Betreff einer Verlegung der Universität Helmstedt nach Wolfenbüttel oder Braunschweig. kein Zweifel, dass zumal an letzterem Ort sich manche Institute nutzbringend mit ihr hätten vereinigen lassen, während sie in ihrem damaligen Zustand mit den in der Nähe aufblühenden Schwesteranstalten Halle und Göttingen nicht gleichen Schritt zu halten vermochte. Doch zogen sich die Vorberatungen, die seitens der Regierung hauptsächlich Hardenberg als Kurator der Universität leitete, in die Länge und nach Ausbruch der französischen Revolution wie bei den nachfolgenden Kriegswirren gerit die Angelegenheit bald völlig in Stillstand. Dagegen trugen des Herzogs Bemühungen für Verbesserung des Schulwesens in anderer Beziehung ihre guten Früchte. Das Katharineum in Braunschweig erhielt unter Heufingers Leitung vortreffliche Einrichtungen und tüchtige Lehrer. Der unermüdlichen Tätigkeit Junkers (1798 von einem Magdeburger Pfarramt nach Braunschweig berufen) gelang es, aus der Garnison- und Waisenschule eine Musteranstalt zu schaffen, die Seminaranstalt im Waisenhaus zu Braunschweig neu zu ordnen und ein Vorseminar ins Leben zu rufen. Das Konsistorium wurde angewiesen, das Schulwesen auf dem Lande zu beaufsichtigen und tunlichst zu fördern, die Geistlichen zur regelmäßigen Visitation ihrer Schulen anzuhalten etc.

Auch im Kirchenwesen suchte Karl Wilhelm Ferdinand zeitgemäße Umgestaltungen zu treffen. Schon seit einiger Zeit hatte man zweckmäßigere liturgische Anordnungen und eine verbesserten Landeskatechismus gefordert. Auf Vorschlag des Generalsuperintendenten Küster hatte besonders das geistliche Gericht Braunschweig 1794 hierauf bezügliche Wünsche geäußert und die theologische Fakultät zu Helmstedt sich in einem von Henke verfassten Gutachten zustimmend ausgesprochen. Aber das Konsistorium verwarf die geplanten Neuerungen auf das Entschiedenste und der ständische Ausschuss trat demselben bei, so dass es bei den bisherigen Zuständen sein Bewenden behielt. Damit trat Karl Wilhelm Ferdinand, welcher in seinen Plänen bei dem größten Teil der Geistlichkeit des Landes volle Unterstützung gefunden hatte, von weiteren Reformversuchen auf einem Gebiet zurück, auf welchem er bei ruhigeren Zeiten, zumal unter Henkes Beirat, noch Manches hätte erreichen können. Gegen Andersgläubige war der Herzog sehr milde gesinnt; Reformierte, Katholiken und Juden hatten sich durch ihn mancher langerstrebten Freiheiten und Berechtigungen zu erfreuen.

Einer gründlichen Umgestaltung bedürftig erschien vor Allem auch die Gerichts- und Finanzverwaltung, deren verwickelte Verhältnisse nur schwer einen Überblick gestatteten. Der Wirkungskreis der Justiz- und Verwaltungsbehörden war auf das innigste in einander verwachsen, die Kompetenzabgrenzungen der zahlreichen Gerichtsämter liefen wunderlich durch einander her und einer schnellen, sicheren Rechtspflege erwuchsen dadurch unzählige Schwierigkeiten. Ähnlich das Finanzwesen. Die Steuern wurden teils in die Landrenteikasse, teils in eine Anzahl herzoglicher Kassen erhoben, zwischen denen beständig Abrechnungen, Hin- und Herzahlungen stattfinden mussten. In Folge dieser Einrichtung, die eine unverhältnismäßig große Zahl von Beamten erforderte, gestaltete sich die Verwaltung äußerst kostspielig. Während indes der Herzog, vielleicht aus Scheu vor neuen Konflikten mit den Ständen, es unterließ, durch Vereinfachung des Geschäftsganges und Verminderung der Behörden hier Abhilfe zu schaffen, strebte er daneben, auf anderem Wege das Land von einer Wiederkehr der ehemaligen Schuldenlasten zu bewahren. In dem berühmten Schuldenedikt vom 1. Mai 1794 knüpfte er aus freien Stücken die Belastung des Kammerguts mit Schulden, die Veräußerung und Verpfändung von Dominialgut an die Zustimmung der Landstände und bindet sich sonach selbst die Hände, damit „das enge Band zwischen Wohlstande des Landesherrn und der Glückseligkeit der Unterthanen nie möge geschwächt oder wol gar aufgelöst werde.“ Wie weise diese selbstlose Maßregel des Fürsten für das Wohl seines Landes berechnet war, hat sich einige Jahrzehnte später unter seinem unwürdigen Enkel, dem Herzog Karl II., zur Genüge gezeigt.

Um überhaupt die Lasten der Untertanen nach Kräften zu erleichtern, hob der Herzog schon im ersten Jahr seiner Regierung die Kopfsteuer auf und ermäßigte späterhin die Kontribution und die Accisegefälle. Das Staatsgut erfuhr nicht unwesentliche Bereicherungen. Als einen dankenswerten Gewinn musste man, zumal für den Augenblick, den mit dem hannoverschen Kurhause abgeschlossenen Rezess vom 4. Oktober 1788 betrachten, durch welchen die bislang gemeinsamen harzischen Güter bis auf die Bergwerke am Unterharz und einige Andere aufgeteilt wurden. Braunschweig erhielt in drei Siebteln des Territoriums höchst wertvolle Forsten, Hannover in vier Siebteln die Städte Zellerfeld, Grund, Wildemann, Leutenthal und den Bergbau des Oberharzes. Letzterer erforderte sehr bedeutende Zuschüsse. Die Ausführung des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 wandte dem Herzogtum reiche Domänen zu. Es wurden in der Folge desselben die Güter des Stifts Gandersheim und der ihm inkorporierten Klöster Brunshausen und Klus, der Stifter St. Blasii und St. Cyriaci in Braunschweig, des Klosters St. Ludgeri bei Helmstedt für den Staat eingezogen. So war die Finanzlage bei Beendigung der Regierung Karl Wilhelm Ferdinands äußerst zufriedenstellend.

Nebenher wurden auf Anregung und unter tätiger Beihilfe eines Erziehers des Erbprinzen, des Geheimen Justizrats Johann Anton Leisewitz, Dichters des „Julius von Tarent“, wesentliche Verbesserungen im Armenwesen getroffen, gewerbliche Unternehmungen vom Herzog ins Leben gerufen, mit dem Bau einer chaussierten Landstraße eifrig der Anfang gemacht. Nicht am wenigsten lag dem Herzog die Verschönerung seiner Residenzstadt am Herzen. Die nutzlos gewordenen Festungswerke wurden abgetragen und an deren Stelle unter der Leitung des Baumeisters P. J. Krahe, den man vom Rhein hatte kommen lassen, anmutige Promenaden angelegt. Freilich war der Blick des Herzogs, wenngleich er selbst eine Anzahl neuer Gebäude ausführen ließ und zugleich Privatleuten den Bau tunlichst erleichtern half, immer nur auf das Nützliche gerichtet. Dem mittelalterlichen Ansehen der Stadt Braunschweig geschah durch Abbruch interessanter Baudenkmäler erheblicher Eintrag, die zahlreich im Lande zerstreuten Schlösser wurden eben hingehalten, zum Teil praktischen Zwecken eingeräumt. Auch für die Kunstanstalten, namentlich die Sammlungen seine Vaters, hat der Herzog nicht viel aufgewendet, obwohl er zeitweise sich mit der Absicht trug, eine Kunstakademie in Braunschweig zu errichten. Wenn er sogar die reichen Schätze des wolfenbüttler Zeughauses, die kostbaren Rüstungen früherer Mitglieder des Fürstenhauses öffentlich versteigern ließ, so entsprach eine solche Maßregel immerhin dermaßen dem Geiste jenes nationalistischen Zeitalters, dass die Zeitgenossen auch hierin den sparsamen, haushälterischen Sinn des Herzogs zu rühmen fanden. Allerdings lag hinreichend Anlass vor, das landesväterliche Walten des Fürsten dankbar anzuerkennen. Der persönlichen Anregung Karl Wilhelm Ferdinands sind fast alle Fortschritte im Staatswesen zu verdanken. Mit den Staatsverwaltungsgeschäften bis in die kleinste Einzelheit vertraut, erledigte er mittels einer bewunderungswürdigen Arbeitskraft und Arbeitslust und in gleicher Sorgfalt und Pünktlichkeit die wichtigen und die unwichtigen Regierungsgeschäfte. Mehrfach gab das Land der innigen Verehrung Ausdruck, die es für seinen Fürsten hegte. Aber kein Lob wiegt schwerer als das, welches ihm der Feind erteilte. Bei Eröffnung der Landstände zu Kassel äußerte sich der wackere westphälische Minister Siméon voll rückhaltsloser Anerkennung: „Braunschweig war glücklich durch die Weisheit und gute Verwaltung seines Fürsten.“

Neben dieser emsigen Regentenwirksamkeit hat Karl Wilhelm Ferdinand eine sehr ausgedehnte Tätigkeit im Dienst der preußischen Krone entfaltet. Hier war er als Heerführer wie als Diplomat und Berater der Regierung auf das Mannigfachste beschäftigt. Er hatte den Rang eines preußischen Generalfeldmarschalls erhalten und war Chef des in Halberstadt garnisonierenden magdeburgischen Infanterie-Regiments Nr. 21, welches er nicht ohne große Kosten zu einer Mustertruppe des Heeres heranzubilden suchte. Sein kleines Land bestrebte er sich von der hohen Politik möglichst fern zu halten, um den aufblühenden Wohlstand nicht auf Spiel zu setzen. Er hatte den Ehrgeiz, nur durch seine Persönlichkeit Einfluss zu erlangen bei Erledigung der Fragen, welche damals die Welt bewegten. Hier erhielt er bald eine sehr große Bedeutung, der seine wirkliche Machtstellung wenig entsprach. Das zeigt sich sehr deutlich, wenn es galt mit eigenen Kräften den politischen Ansichten Rückhalt zu verschaffen. Überhaupt wirkte die Enge seines Staatswesens, dessen Schuldenmenge ihm freie Bewegung selten gestattete, die hierdurch entstandene Gewöhnung stets mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die er mehr behutsam zu beseitigen als kühn von sich zu stoßen suchte, auch auf das Entwerfen politischer Pläne ungünstig ein. Er war ein gewandter Diplomat, scharf beobachtend, kalt berechnend, aber zu viel erwägend, kein Staatsmann höheren Stiles, der mit der ruhigen Sicherheit des Genies die einmal gefassten Pläne fest und entschieden verfolgt. Sein ängstliches Bestreben, Alles ohne Tadel auszuführen, ließ ihm auch einen großen Wurf niemals gelingen. Er kehrte sich sorgsam an die Meinungen zumal Höhergestellter; ein plötzlicher Einwand konnte ihn den bestentworfenen Plan leicht wieder verwerfen lassen. Dadurch wurde seine Tatkraft gelähmt, die Unentschlossenheit, Bedachtsamkeit seines Wesens zu bedenklicher Höhe gesteigert. Das hat sich zumal in den späteren Feldzügen auf Klarste erwiesen.

Er hatte manche Züge mit seinem Onkel Friedrich dem Großen gemeinsam. Schon die großen blauen Augen erinnerten an ihn; er teilte mit ihm die Vorliebe für französisches Wesen und französische Bildung, von der sich sein Vater Karl I. weit freier gemacht hatte, den haushälterischen, strengen Sinn, die Nichtachtung des einzelnen Individuums, die Neigung für Musik, in der Karl Wilhelm Ferdinand Hervorragendes leistete; aber es fehlte ihm das Geniale des großen Königs in der Heerführung wie in der Politik, wenn auch manche Einzelheiten oft an ihn erinnern. Friedrich II. schenkte seinem Neffen ein sehr großes Vertrauen. Wenn er auch zeitweise, wie während des Bayerischen Erbfolgekrieges, heftig über die Unschlüssigkeit des Herzogs erzürnt war, so ließ er ihn doch häufig an der Beratung wichtiger Fragen nicht unwesentlichen Anteil nehmen. Karl Wilhelm Ferdinand war ein unbedingter Anhänger der preußischen Politik zumal gegen das österreichische Kaiserhaus. Das Auftreten Kaiser Josephs II., der von ihm beabsichtigte Austausch der Niederlande gegen Kurbayern erregten Besorgnis bei fast allen Fürsten des Reichs vor der drohenden Übergewalt des Habsburgischen Hauses. Aber die besonnene nüchterne Natur Karl Wilhelm Ferdinands wandte sich dennoch von allen Plänen ab, die ihm keinen praktischen Erfolg versprachen. Als ihn mehrere der kleineren Fürsten, wie Karl August von Weimar, der Fürst von Dessau, der Herzog von Gotha etc., zu einer Vereinigung aufforderten, hielt er den Plan für einen schönen patriotischen Traum, ohne Preußens Mitwirkung für unausführbar. Als aber von diesem aus die Gründung des Fürstenbundes geschah, schloss auch er sich demselben an. Sein damaliger Minister v. Hardenberg wirkte auf das Lebhafteste für diesen Bund; auch England und Hannover wurden durch diesen für denselben gewonnen. Nur einen Vorbehalt machte dem Herzog die ungünstige Finanzlage seines Landes zur Pflicht, dass bei der Festsetzung seines Kontingents die Bestimmung darüber immer von seinem eigenen Ermessen abhängig bleiben sollte.

Nach Friedrich II. Tod glaubte man wohl, dass der Einfluss des Herzogs in Berlin nun ein maßgebender werden würde. Aber er hatte gar nicht den Ehrgeiz, einen solchen dort geltend zu machen. Nur gelegentlich, meist in Folge an ihn ergangener Aufforderungen, trug er seine Ansichten dort vor, vorzüglich in Militärangelegenheit. Man erblickte in ihm jetzt den ersten Feldherrn seiner Zeit. Als der Herzog von Gotha mit dem Herzog von Weimar über die Gründung des Fürstenbundes verhandelt, schreibt ersterer: „Niemand Anders solle das Reichsheer befehligen als der Herzog von Braunschweig; er würde es sich zur Ehre schätzen unter ihm zu dienen.“ Noch erhöht wurde der Kriegsruhm des Herzogs durch die Erfolge, die er 1787 mit leichter Mühe in Holland errang. Als König Friedrich Wilhelm II. sich entschlossen hatte mit gewaffneter Hand in die holländischen Wirren zu Gunsten der oranischen Partei einzugreifen, erhielt Karl Wilhelm Ferdinand den Oberbefehl über das preußische Heer. Ohne offenem Widerstand zu begegenen, durchzog er das Land. Er eroberte Amsterdam und brach damit die Gegenwehr der republikanischen oder patriotischen Partei. Die Macht des Erbstatthalters wurde neu wieder hergestellt. Der Herzog erlangte auch bei seinen Gegnern ein sehr bedeutendes Ansehen. Als die Patrioten 1789 den Plan gefasst hatten aud den Provinzen Brabant und Flandern eine Republik zu bilden, forderten sie ihn auf sich an ihre Spitze zu stellen und sicherten ihm die Herrschaft über ein aus den Provinzen Limburg, Geldern und Luxemburg zu bildendes Gebiet zu. Der Herzog, welcher derartige Verhandlungen stets durch Mittelspersonen führen ließ, verhielt sich erst längere Zeit abwartend; er brach dieselben erst vollständig ab, als Preußen sich in der Reichenbacher Konvention verpflichtet hatte, Österreich wiederum zu dem Besitz der Niederlande zu verhelfen.

Noch mehr konnte ein anderer Antrag überraschen, der dem Herzog aus Frankreich zuging. Man wollte ihn hier mit der schwierigen Aufgabe betrauen, das französische Heer vollständig neu zu organisieren. Der Plan ist von dem Kriegsminister v. Narbonne, wenn nicht ausgegangen, so doch bereitwillig aufgenommen; auch König Ludwig XVI. war mit ihm einverstanden. Der junge v. Custine weilte Anfang des Jahres 1792 längere Zeit in Braunschweig, um den Herzog für diese Aufgabe zu gewinnen. Aber diesem schien das Wagnis zu groß, der Erfolg zu zweifelhaft, wenn sein Ehrgeiz auch für die Verlockung des Anerbietens keineswegs unempfänglich blieb. Bald nachdem Custine Braunschweig verlassen, reiste der Herzog nach Potsdam, um an den preußischen Kriegsberatungen Teil zu nehmen. Er war dort vielleicht der Einzige, der die Schwierigkeit des Unternehmens richtig erkannte und die gewaltige Kraft der nationalen Bewegung in ihrem ganzen Umfange würdigte. Er stand damals auf dem Gipfelpunkt seines Ruhmes. Bald sollte der bewunderte Vertreter der Friederizianischen Schule im Kampf mit den frisch aufstrebenden revolutionären Mächten des Nachbarreiches, mit dem gewaltigen Erben der Revolution an jenem Ruhme die beträchtlichste Einbuße, zuletzt gänzlichen Schiffbruch erleiden.

Wenn Karl Wilhelm Ferdinand auch die Emigranten in nicht unbedeutender Anzahl in sein Land aufnahm, dem König Ludwig XVIII. als comte de Lille sogar in Blankenburg durch dritte Personen ein Unterkommen besorgte – das dortige Schloss ihm einzuräumen weigerte er sich aus politischen Gründen —, so war er doch keineswegs für einen Krieg gegen die Franzosen sehr eingenommen. Ihn beherrschte gegen Österreich ein starker Widerwille, welcher der Grundzug der Politik Friedrichs II. gewesen war. Ungern zog er mit diesem Staat in Waffenbrüderschaft zu Felde. Er erhielt den Oberbefehl über die Truppen der verbündeten Mächte; ein von ihm entworfener Feldzugsplan wurde dem Unternehmen zu Grunde gelegt. Man wollte die Maasfestungen und damit eine sichere Grundlage für einen zweiten kräftigeren Feldzug gewinnen. Die Bedingungen, unter denen der Herzog seine Aufgabe übernahm, waren sehr ungünstig, doppelt ungünstig aber für einen Charakter wie den des Herzogs. Ein kraftvoller rücksichtsloser General würde gewiss verstanden haben auch der widrigen Umstände Herr zu werden. Aber bei dem Herzog entsprach die eigene Unlust zu dem Feldzug der Langsamkeit, mit der die Rüstungen betrieben wurden, der Unvollständigkeit der Machtmittel, mit denen man den Krieg begann. Die Politik trat einem entschiedenen Handeln Schritt für Schritt hindernd in den Weg. Die Bundesgenossen trauten sich unter einander nicht. Währen sie im Westen Krieg führen wollten, waren ihre Gedanken im Osten argwöhnisch beschäftigt. So wurde der geeignetste Zeitpunkt zum Schlagen leichtsinnig verpasst. Erst im Spätsommer 1792 wurden die Operationen eröffnet. Denselben voran ging das berüchtigte Manifest des Herzogs vom 25. Juli 1792, das, von dem blinden Hass kurzsichtiger Emigranten verfasst, die maßlosesten Drohungen gegen die französischen Revolutionäre, besonders die Stadt Paris enthielt. Als das traurige Schriftstück die Zustimmung der Monarchen gefunden, wagte der Herzog nicht Bedenken gegen dasselbe zu erheben; er unterschrieb es in einem Augenblick unverzeihlicher Schwäche. Ein kühner Angriff der wohldisziplinierten preußischen Truppen würde unter energischer Führung über die zusammengewürfelten französischen Scharen zweifellos den Sieg davon getragen haben. Unaufhörlich drängte König Friedrich Wilhelm II. zu entscheidender Feldschlacht. Der Herzog ließ sich jedoch in seiner methodischen bedächtigen Kriegführung nicht stören. Zwar gibt er dem König nach, indem er die Maasfestungen im Rücken liegen lässt. Aber er führt den veränderten Kriegsplan nicht ehrlich durch, auf Umwegen sucht er doch seine ursprüngliche Absicht zu erreichen, die er sich scheut offen vor dem König zu verteidigen. Er misstraut sich und seinen Kräften; darüber verliert er den Blick für die Blößen, welche die Feinde sich mehrfach geben. Vor Allem offenbarte sich bei Valmy die Unentschlossenheit des Herzogs in ihrer ganzen Schädlichkeit. Die zwecklose Kanonade hatte keine Erfolg. Wäre derselben von preußischer Seite ein kräftiger Angriff gefolgt, so wären nach dem eigenen Zugeständnis der Franzosen die Heere Kellermanns und Dumouriez’ ohne Zweifel vernichtet worden. Der König wurde immer unzufriedener mit der Heerführung des Herzogs. Das empfand dieser sehr wohl; seine Unsicherheit wurde dadurch nur noch vermehrt. Er fühlte sich beleidigt, dass direkte Befehle des Königs an ihm untergebene Offiziere ergingen. Die Eigenwilligkeit des österreichischen Generals Wurmser bereitete ihm mancherlei Schwierigkeiten und Verdruss. Es würde hier zu weit führen die einzelnen Kriegsoperationen des Näheren zu verfolgen. Genug, dass zumeist durch des Herzogs Schuld die Feldzüge zweier Jahre, wenn auch einzelne Siege des Herzogs, wie bei Pirmasens und Kaiserslautern, die alte Waffenehre aufs Neue betätigten, doch ohne eigentliches Ergebnis verliefen, dass dadurch für die verbundenen Mächte viel verloren, für Frankreich viel gewonnen war.

In großer Verstimmung legte der Herzog den Oberbefehl im Anfang des Jahres 1794 nieder, den darauf der Feldmarschall v. Möllendorf erhielt. Schon damals wurden öffentlich gegen den Herzog heftige Anklagen erhoben. Er ließ sie unbeantwortet, aber er sprach die Erwartung aus, dass man dereinst seine Rechtfertigung aus seinen Papieren erweisen werde. Leider sind diese Akten zum größten Teil absichtlicher oder elementarer Vernichtung anheim gefallen. Auch ein richtiger vollständiger Einblick in die politische Tätigkeit des Herzogs wird durch diesen Verlust außerordentlich erschwert. Er nahm auch in der Folgezeit an den Beratungen der preußischen Politik nicht unwesentlichen Anteil. Er ergriff zwar mit seinen Ideen fast niemals die Initiative, gab selten den Ausschlag, aber als gewandter Vermittler, zu dem ihn seine Talente, sein Ansehen, seine fürstliche Stellung und seine Familienverbindungen besonders befähigten, wurde er öfter mit Vorteil verwandt. So in Verhandlungen mit England, an dessen Herrscherhaus ihn enge verwandtschaftliche Bande knüpften. Letzteres hinderte ihn übrigens nicht die Erwerbung Hannovers für Preußen zu wünschen. Nach Petersburg unternahm er 1803 eine erfolgreiche diplomatische Sendung, um ein freundliches Verhältnis zwischen dem preußischen und russischen Hofe zu Stande zu bringen. Eine genaue Darstellung der politischen Wirksamkeit des Herzogs ist bislang noch nicht geliefert worden. Leider ließ sich der Herzog in hohem Alter noch einmal bewegen, als es zwischen Preußen und Frankreich zur Waffenentscheidung kam, an die Spitze der preußischen Truppen zu treten. Lange hatte er sich gesträubt. Erst die beredten Worte der Königin Louise, die persönlich nach Braunschweig kam, vermochten ihn zur Annahme der verantwortungsvollen Stellung. Dem Feldherrngenie eines Napoleon war er nicht gewachsen. Die Doppelschlacht von Jena und Auerstädt vernichtete wie das alte Staatswesen Friedrichs des Großen, so den Kriegsruhm des Herzogs. Schon bei Beginn des Kampfes beraubte ihn eine feindliche Kugel des Augenlichts. Er wurde, ein völlig gebrochener Mann, vom Schlachtfeld geführt. Da sein Herzogtum neutral geblieben war, er selbst nur als preußischer Offizier sich an dem Krieg beteiligt hatte, so hoffte der tödlich verwundete Fürst für sich und sein Land Gnade von Napoleon zu erlangen. Aber mit schnödem Hohn wies dieser die Bitte zurück. So musste die Flucht fortgesetzt werden durch die Lüneburger Heide über Hamburg nach Ottensen, wo der große Held am 10. November 1806 verschieden ist. Die Leiche ruhte auf dem Kirchhof daselbst, bis sie 1819 in der Domgruft zu Braunschweig feierlich beigesetzt ward. Das letzte Werk vor seinem Tod war die Feststellung der Regierungsnachfolge in seinem Herzogtum. Der Erbprinz Karl Georg August war bereits am 20. September 1806 plötzlich gestorben. Die beiden nun ältesten Söhne Georg Wilhelm Christian (geb. am 17. Juni 1769, gest. am 16. September 1811) und August (geb. am 18. August 1770, gest. am 18. Dezember 1820) waren zur Regierung nicht fähig, da jeder geistesschwach, dieser blind war. Es gelang, sie zu einem Verzicht auf die Thronfolge zu bewegen, den sie am 27. Oktober 1806 zu Gunsten ihres jüngeren Bruders, des Herzogs Friedrich Wilhelm (s. d.) ausstellten.

So überbedächtig Karl Wilhelm Ferdinand in seinem Alter sich zeigte, so leidenschaftlich war er in seiner Jugend. Er hatte von Natur einen äußerst heftigen, leicht in Jähzorn ausbrechenden Sinn. Aber schon als Knabe lernte er seiner leidenschaftlichen Regungen Herr zu werden, vollkommene Gewalt über sich zu gewinnen. Sein Erzieher, der Abt Jerusalem, verglich sehr richtig den lebendigen Geist des jungen Fürsten mit einem Feuer, das in einem feuerfesten Gewölbe eingeschlossen sei. Das Vorbild seines Onkels, Friedrichs des Großen, die Not des Landes, das er von großer Schuldenlast befreien musste, spornten ihn zu emsiger Tätigkeit, zu treuer Pflichterfüllung an. Er war wohl der fleißigste Mann in seinem Staate. Aber die verzweifelte Lage seines Landes, sein Bemühen derselben abzuhelfen, machte ihn auch hart gegen die Menschen; er war mitunter bei der Wahl der Mittel die Finanzen seines Staates zu heben kleinlich, fast grausam. So gab er kaltherzig den Befehl, Krüppel und Lahme bei der Rückkehr der braunschweigischen Truppen in Amerika zurückzulassen. Dabei zeigte er sich leutselig im Verkehr mit dem Bürger und Landmann. Aber er besaß nicht die joviale Gutmütigkeit seines Vaters. er tat auch hier das Meiste mit Berechnung. Weniger aus Liebe zu seinen Untertanen als aus Mitgefühl traf er seine auf das Wohl des Landes gerichteten Maßregeln. Die Erwägungen des Verstandes überwanden bei ihm stets die Regungen der Leidenschaft. So sehr hatte er seine ursprüngliche Natur zu überwältigen vermocht. Man erkannte später in dem unentschlossenen Feldherrn den Jüngling kaum wieder, der todesmutig den größten Gefahren sich ausgesetzt und die Warnungen seiner Begleiter mit den Worten zurückwies: „Mein Vater hat noch mehrere Söhne, die einst regieren können.“ Alle die Leidenschaften, die sanft das Herz eines jungen Menschen erfüllen, die Freuden der Tafel, der Jagd, des Spiels etc. blieben ihm fremd. Nur der bunte Wechsel des Kriegerlebens, sowie die Freuden der Liebe konnten ihn fesseln. Seine gutmütige, aber geistig unbedeutende Gattin konnte den Ansprüchen des hochgebildeten Fürsten keineswegs genügen. Von seiner italienischen Reise brachte er die Frau v. Branconi, eine jugendliche Witwe, mit heim, der auch ein Goethe seine Bewunderung zollte. Sie gebar dem Erbprinzen in Braunschweig einen Sohn, den Herzog Karl I. durch den Kaiser zu dem Rang eines Grafen von Forstenburg erheben ließ. Später lernte Karl Wilhelm Ferdinand in Potsdam als Hofdame seiner Tante das Fräulein Louise Henriette v. Hertefeld kennen, das 1777 eine Stelle als Stiftsfräulein in Steterburg erhielt. Sie verlebte den größten Teil des Jahres stets in Braunschweig, wo sie zuletzt eine Wohnung im Schloss erhielt. Sie war eine edelgesinnte geistreiche Dame, die in anspruchsloser Stille in ununterbrochenem regen, geistigen Verkehr mit dem Fürsten lebte; ihr Tod, der am 31. Juli 1806 erfolgte, war für ihn ein äußerst herber Schlag. Seine Gemahlin überlebte den Herzog um mehrere Jahre; sie starb in London am 22. März 1813. Die westphälische Herrschaft, welche der Regierung Karl Wilhelm Ferdinands folgte, brachte dem Lande bedeutende unleugbare Vorteile. Aber keines von ihren Verdiensten ward nach Gebühr vom Volke anerkannt. Mit Sehnsucht blickte man stets auf die Zeit zurück, wo als angestammter Fürst Karl Wilhelm Ferdinand die Landesregierung führte.

Quelle: Zimmermann, Paul, „Karl Wilhelm Ferdinand“ in: Allgemeine Deutsche Biographie 15 (Leipzig 1882)

Bibliographie

  • Kleist, Friedrich Wilhelm von: Tagebuch von dem Preußischen Feldzug in Holland. 1787.

Figuren des Siebenjährigen Krieges