Schwärmen

Schwärmen.

Schwärmen (Debandieren, Tiraillieren), teils ein Signal der leichten Infanterie, teils die Bewegung, welche auf dieses Signal ausgeführt wird, und die in der Auflösung eines geschlossenen Trupps in eine zerstreute Feuerlinie, Tirailleurlinie, besteht. Da dieses aber auf zweierlei Weise geschehen kann, nämlich entweder auf der Stelle, d. h. in der Verlängerung der Frontlinie des geschlossenen Trupps, oder zum Erreichen und Besetzen eines vor der Front gelegenen Geländes, so dient das Signal: »Schwärmen!« in der preußischen Armee nur für die letztere Art; hingegen kann die erste Art in den meisten Fällen von dem Befehlshaber durch die Stimmen kommandiert werden, daher das früher für diese Bewegung übliche Signal: »von der Stelle debandiert!« jetzt (1827) abgeschafft ist.

Sobald ein Jäger- oder Schützen-Bataillon auf dem Exerzierplatz den Tirailleurdienst üben will, zieht dasselbe seine Kompanien auf ungefähr 150 Schritt Intervalle auseinander, und diese formieren schon während dieser Bewegung, welche teils im geschwinden Schritt, teils im Trab geschehen kann, die Kompaniekolonne, zu 4 Zügen, dergestalt, dass die beiden rechten Flügelkompanien links, die beiden linken rechts abmarschiert sind. Hierdurch wird, im darauf eintretenden Fall, die Formation der Kolonne nach der Mitte sehr erleichtert. (Von der hier bei der Linien-Infanterie herrschenden Verschiedenheit, s. drittes Glied).

Wird nun das Signal Schwärmen gegeben, so geht von jeder Kompanie der vorderste Zug vor; die Mitte des Zuges geht gerade aus, die anderen Rotten dehnen sich mit halb rechts und halb links aus, und zwar so lange, bis aus sämtlichen Tirailleurs des ganzen Bataillons eine zusammenhängende Linie geworden ist. Die ganze Linie geht nun so lange vor, bis das Signal: „Halt!“ erfolgt. Diese ganze Bewegung geschieht im raschen Schritt, wobei der Tirailleur sein Gewehr sogleich von der Schulter nimmt, und es mit der rechten Hand im Schwerpunkt fassend, trägt. Nach dem Signal Halt nimmt er es unter den rechten Arm, und sucht sich möglichst verdeckt zu postieren, jedoch so, dass er den Feind nicht aus den Augen verliert. Dergleichen Deckungen werden sich fast immer vorfinden, wie Bäume, Gräben, Hecken, Zäune, Mauern, Häuser, Getreide, selbst Ackerfurchen, und sonstige Erhöhungen des Terrains.

Die beiden Mann einer Rotte dürfen sich nie verlassen, sondern sekundieren einander beständig (s. Feuern); der Hintermann steht im ganz freien Feld und auf dem Exerzierplatz einen Schritt rechts hinter seinem Vordermann. Die Nebenleute dürfen nicht zu nahe zusammenkommen, wenigstens nicht unter 6 Schritt; doch müssen sie sich auch nie aus den Augen verlieren, um immer eine gewisse Verbindung erhalten zu können; ein jeder einzelne Tirailleur hat also, neben dem Feind, noch seinen Sekundanten und seine Nebenleute rechts und links beständig im Auge zu behalten. Die Entfernung der einzelnen Rotten einer Tirailleurlinie von einander, richtet sich nach ihrer Stärke, und nach der Ausdehnung des zu besetzenden Terrains; je durchschnittener ein Gelände ist, desto geringer darf die Entfernung der Rotten sein.

Es versteht sich von selbst, dass von der genauen Richtung einer Tirailleur-Linie nicht die Rede sein kann; im allgemeinen geht sie aber von der Mitte der ganzen Linie aus; jeder Zugführende hält sich dabei hinter der Mitte seines Zuges auf, die Unteroffiziere sind gehörig hinter den Flügel und der Mitte verteilt.

Wird das Signal Schwärmen für Kolonnen, oder Soutiens, welche im Retirieren begriffen sind, gegeben, so macht der hinterste Zug, oder vielmehr der nächste nach dem Feind zu, Front, und debandiert auf der Stelle, entweder, um erst eine Tirailleurlinie gegen den nachrückenden Feind zu bilden, oder um unsere mit demselben im Gefecht befindlichen Tirailleurs aufzunehmen, zu verstärken, oder abzulösen.

Wird auf der Stelle oder im Avancieren zum zweiten Mal »Schwärmen!« geblasen, so geschieht dies ebenfalls um die Feuerlinie zu verstärken oder abzulösen; der an der Tete der Kolonne stehende Zug geht nun mit raschen Schritten, wie es oben beschrieben ist, sich nach und nach auseinander breitend vor, und doubliert rottenweise in die Feuerlinie ein, und zwar so, dass die rechte Flügelrotte dieses vorgehenden Zuges, zwischen den beiden rechten Flügelrotten der Feuerlinie seiner Kompanie zu stehen kommt. (S. Signal, Tirailleur, Jäger, drittes Glieg, und die einzelnen Signale.)

Quelle: Rumpf, H. F.: Allgemeine Real-Encyclopädie der gesammten Kriegskunst (Berl. 1827)

Schwärmen, im deutschen Heer Kommando zum Ausschwärmen, d. h. zum Übergang aus der geschlossene in die geöffnete Ordnung, wobei die Mannschaften ein Glied mit zwei Schritt lichtem Zwischenraum von Mann zu Mann bilden; der Zwischenraum wird nach Bedarf erweitert oder verringert. Die so entstandene Form heißt Schützenlinie (s. Schützen).

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909

Glossar militärischer Begriffe