Französische Artillerie des 18. Jahrhunderts
Die französische Artillerie des 18. Jahrhunderts war geprägt von Reformen der Minister d’Argenson, Belle-Isle, und Choiseul, und der Tätigkeit des Generalleutnant der Artillerie Jean-Florent de Vallière und seines Nachfolgers, Jean-Baptiste Vaquette de Gribeauval. Die Angehörigen des Corps royal d’Artillerie waren in zwei Lager gespalten: die „Roten“, Anhänger des alten Systems, und die „Blauen“, die Gribeauval folgten; wobei sich die Bezeichnungen auf die Farbe der Kamisole und Kniehosen der Artilleristen bezogen, die 1765, im Jahr der Gribeauval-Reformen, von rot in blau geändert wurden.
Bekannte Modelle
- Canon de 2×½ livres à la Rostaing M.1757
- Canon de 4 livres à la suédoise M.1740/1757 (Brocard), Kaliber 84 mm L/18
- Französische Artillerie, 25 mm RSM SYWF-A
- Mörserstellung mit französischen Artilleristen, 1755–1763, 1:72 BUM 2025
- Französische Bataillonsgeschütze (2) und Artilleristen (4), 20 mm Outland 20809
- Französisches mittleres Feldgeschütz und Artilleristen (4), 20 mm Outland 20810
- Französisches schweres Feldgeschütz und Artilleristen (4), 20 mm Outland 20811
- Französische Artillerie, 1:300 Heroics & Ros
System Vallière
Geschütze | Kaliber | Länge | Gewicht | Schussweite |
---|---|---|---|---|
Canon de 4 (M.1732) | 86 mm | L/25 | 1200 kg | 2600 m |
Canon de 8 | 109 mm | L/24 | 1750 kg | 2800 m |
Canon de 12 | 124 mm | L/23 | 2425 kg | 3000 m |
Canon de 16 | 137 mm | L/22 | 3200 m | |
Canon de 24 | 156 mm | L/20 | 3200 m | |
Mortier de 8 pouces | 220 mm | L/2 | 250 kg | 600 m |
Mortier de 12 pouces | 320 mm | L/2 | 720 kg | 800 m |
Pierrier de 15 pouces | 400 mm | L/0,9 |
Die Schwerfälligkeit des Materials Vallière, das einst einen so großen Fortschritt bedeutet hatte, dann aber zurückgeblieben war, trat während des böhmischen Feldzugs von 1742 zu Tage. Der Herzog von Broglie klagte, dass gewöhnlich nur die 4pfündigen Regimentsstücke rechtzeitig ins Gefecht kämen. – Da im polnischen Erbfolgekriege als Übelstand hervorgetreten war, dass eine besondere Truppe zur Spezialbedeckung fehlte, so hatte man von den 67 Mann jeder Artillerie-Kompanie wieder 27 zu Füsilieren gemacht; ein offenbarer Rückschritt. Im Jahr 1743 kamen jedoch die Kompagnien auf 100 Mann und die Bataillons wurden um je 1 Kanonier- und 1 Bombardier-Kompagnie vermehrt, so dass jetzt 30 Kanonen-, 5 Sappeur- und 15 Bombardier-Kompagnien existierten. Die Parks waren in Batterien zu 10 bis 20 Geschützen formiert. Im Jahr 1748 zählte die Artillerie 300 Offiziere und 5000 Mann in einem Regiment.
Eine Ordonnanz von 1744 verfügte die Trennung der königlichen Ingenieurs von der Artillerie, eine andere von 1748 schied die Zivil- von den Militär-Ingenieurs, und die letzteren legten sich nun den vielbestrittenen Namen »Genie-Corps« bei. Da die Vallières, Sohn wie Vater, jedoch entschiedene Gegner der Trennung beider Waffen waren, so verschmolz der Minister d’Argenson durch Ordonnanz vom 8. Dez. 1755 dieselben aufs neue zu einem »königlichen Artillerie- und Genie-Corps«, dessen General-Direktor der jüngere Vallière ward. Die Würde des Großmeisters wurde nun aufgehoben, das Corps, bzgl. sein Generaldirektor unmittelbar dem König unterstellt. Die Artillerie-Offiziere erhielten höheren Rang als die der Infanterie; die Ingenieure wurden als Premier-Lieutenant eingestellt. Die von der Artillerie in Festungen abkommandierten Offiziere sollten gleichzeitig Artillerie- und Fortifikationsdienst tun.
Im Jahr 1756 zählte die Artillerie: 6 Bataillons zu 16 Kompagnien von 50 Mann, 6 Mineur-Kompagnien von 60 Mann, und 6 Handwerker-Kompagnien von 40 Mann.
In den Siebenjährigen Krieg trat man mit 60 Kanonier-Kompagnien ein, welche höchstens 300 Geschütze bedienen konnten. Der Koeffizient der französischen Feldartillerie während des ganzen Krieges 3 bis 4 auf 1000 Mann des Heeres. – Bei den einzelnen Bataillons wurden durch Ordonnanz vom 26. Jan. und 26. Februar 1757 auf d’Argensons Anordnung 3pfdr. eingeführt; Rostaing-Kanonen oder »pieces à la suédoise«, welche, von 3 Pferden gezogen, der Infanterie beständig folgen sollten, tatsächlich aber deren Selbständigkeit beeinträchtigten und eher schadeten als nutzten.
Nach den Niederlagen von 1757 regten sich aufs neue Trennungsgelüste der Ingenieure und wirklich löste sie der Marschall de Belle-Isle durch Ordonnanz von 1758 von der Artillerie los. Ein Jahr später wurden auch die Sappeur- und Mineur-Kompagnien dem Genie-Corps zugewiesen; aber schon 1759 traten die ersteren, 1761 die anderen zur Artillerie zurück.
Eine Ordonnanz vom 1. Jan. 1759 formierte die Artillerie in 7 Brigaden, die den bisherigen Bataillons entsprachen. – Diese Organisation führte einheitliches Kommando herbei und entsprach den Vorschlägen Gribeauvals, jeder Infanterie-Brigade 8 Geschütze zuzuweisen. Die Artillerie-Brigaden trugen die Namen ihrer Chefs. Außer diesen (Generälen) gehörten zu jedem ihrer Stäbe: 1 Oberst, 1 Oberstlieutenant, 1 Major und 3 Adjutanten. Die Brigade zählte 5 Kanonier-, 2 Bombardier- und 1 Sappeur-Kompagnie. Jede Kompagnie hatte 2 Capitains, 4 Lieutenants und 100 Mann.
Im Jahr 1761 wurde jede Brigade um 2 Kanonier-Kompagnien verstärkt und außerdem traten auch die Mineure wieder zur Artillerie zurück, so dass die Brigade nun je 11 Kompagnien zählten, darunter 7 Kanonier-Kompagnien: eine für die erhöhte Bedeutung der Feldartillerie bezeichnete Tatsache. Dann verschmolz eine Ordonnanz vom 21. Dez. 1761 die Marineartillerie mit der Landartillerie, und die Zahl der Brigaden stieg daher um drei. Im folgenden Jahre entstand eine »Kolonien-Brigade«, welche bald ebenfalls mit den älteren auf einen Fuß gesetzt wurde. – Im Jahr 1763 geschah abermals ein Trennungsversuch, indem man die Mineure unter Gribeauval zu einer besonderen Inspektion vereinigte; doch wurde die Maßregel bald darauf rückgängig gemacht.
Nach dem Frieden von Fontainebleau 1762 unterzog der ausgezeichnete General Gribeauval die französische Artillerie völliger Erneuerung. Die Ordonnanz vom 13. Aug. 1765 bezeichnet den Sieg seiner Ideen.
System Gribeauval
Feldgeschütze | Kaliber | Länge | Gewicht | Schussweite |
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Canon de 4 | 84 mm | L/18 | 1050 kg | 1250 m |
Canon de 8 | 106 mm | L/18 | 1630 kg | 1500 m |
Canon de 12 | 121 mm | L/18 | 2100 kg | 1800 m |
Obusier de 6 pouces | 165,7 mm | L/4,7 | 1450 kg | 1200 m |
Belagerungsgeschütze | Kaliber | Länge | Gewicht | Schussweite |
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Canon de 8 | 106 mm | L/24 | ||
Canon de 12 | 121 mm | L/24 | 2500 kg | |
Canon de 16 | 132 mm | L/23 | 3200 kg | |
Canon de 24 M.1775 | 151 mm | L/21 | 4100 kg | |
Obusier de 8 pouces | 220 mm | L/4,3 | ||
Obusier de 18 pouces | 480 mm | L/1,5 | ||
Mortier de 8 pouces | 220 mm | L/1,5 | ||
Mortier de 10 pouces | 270 mm | L/1,5 | ||
Mortier de 12 pouces | 320 mm | L/1,5 | ||
Mortier de 18 pouces | 480 mm | L/1,5 | ||
Pierrier de 15 pouces |
Küstengeschütze | Kaliber | Länge | Gewicht | Schussweite |
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Canon de 12 | ||||
Canon de 18 | ||||
Canon de 24 | ||||
Canon de 36 |
Vom französischen Kriegsministerium über seine Meinung hinsichtlich der besten dem Artilleriewesen zu gebenden Einrichtungen befragt, schrieb er am 3. März 1762 aus Wien: „daß ein aufgeklärter Mann die beiden Artillerien, die österr. und die französ., zusammenfassen würde, um daraus eine neue zu bilden, welche fast alle Gefechte im Feldkriege entscheiden würde.“
Soweit seine Maßregeln die Reorganisation des Materials betrafen, wurden ihrer und der an sie anknüpfenden wissenschaftlichen Streitigkeiten bereits gedacht. Aber die Artillerie verdankt ihm auch die Abfassung der Ordonnanz von 1764, welche das Verhältnis der Waffe zu den übrigen Truppen und ihren Gebrauch regelte, sowie die vortreffliche Neueinrichtung ihrer Schulen.
Gribeauval stützte die Organisation des Personals der Artillerie auf einen Grundsatz, welcher in Frankreich noch nicht zur Geltung gekommen war. Bis dahin wurde jedes Geschütz der Feldartillerie durch Detachements, d. h. durch Kanoniere bedient, welchen eben augenblicklich dazu beauftragt waren. Gribeauval wollte demselben Geschütz auch stets dieselben Kanoniere zuteilen und organisierte darauf hin seine Kompagnie. Sie zerfiel in 4 Escouaden, von denen jede ½ Esc. zur Bedienung eines Geschützes hinreichte. Der Kompagnie wurden also 8 Geschütze zugeteilt. – Gribeauval war ferner der Meinung, dass die den Infanterie-Bataillons zugewiesenen Kanonen nur dann gut bedient werden könnten, wenn man ihnen Kanoniere aus dem Artillerie-Corps gebe. Jede Brigade Infanterie (4 Bataillons) sollte daher beim Feldzugbeginn 1 Kompagnie Sappeurs oder 1 Kompagnie Kanoniere erhalten; jedes Escouade dieser Kompagnien sollte die beiden Geschütze ein und desselben Bataillons bedienen. Der Kapitain der Artillerie stand unter dem Befehl des Infanterie-Brigadiers; aber die Inspektion über sein Personal und Material kam den Stabsoffizieren der Artillerie zu.
Alle Geschütze einer Armee, welche nicht zu den Infanterie-Bataillons gehörten, machten die Reserve-Artillerie aus (sog. „Positionsgeschütze“). Sie sollten in 3 oder 4 große Abteilungen zerfallen, deren jede gesondert marschieren und fechten könnte und eine Anzahl von „Divisionen“ zu 8 Geschützen umfasste. Eine Armee erhielt außerdem eine Division Haubitzen, welche in die Reserve des Zentrums trat.
Die Artillerie gliederte sich nun in 7 Regimenter zu je 20 Kompagnien (einschließlich 14 Kompagnien Sappeure und Mineure), i. g. 8500 Köpfe, was eine Vermehrung um 42 % bedeutet. Die Regimenter konnten 2 Bataillons zu 10 oder 5 Brigaden bilden und ihre Stäbe erhielten daher je 5 Majors als eventuelle Brigadechefs. Die 14 Kanonier-, 4 Bombardier- und 2 Sappeur-Kompagnien eines Regiments hatten je 1 Kapitain, 2 Premier-, 1 Second-Lieutenant und 1 Adjutanten (Jung-Major, Feldwebel-Leutnant). Die 7 Handwerker-Kompagnien standen à la suite der Regimenter. – Übrigens behielt die Gesamtheit der 7 Regimenter auffallender- und seltsamerweise immer noch als »Régiment royal d’Artillerie« den Titel eines Füsilier-Regiments (Nr. 64). Jedes einzelne Regiment hieß nach dem Standort der Schule, bei welcher es in Garnison lag, also nach den Städten La Fère, Metz, Straßburg, Grenoble, Besançon, Auxonne oder Toul. – Für die Feldarmee rechnete Gribeauval 4 Geschütze auf 1000 Mann.
Das Werk Gribeauvals, welches österreichischem und preußischem Vorbilde nachgebildet war, erscheint in jeder Hinsicht tüchtig, und mit Recht sagt Favé: »Si pendant les guerres de la Révolution l’artillerie française exerça sur la sort des batailles une influence nouvelle et décisive, elle le dut surtout au grand homme qu’elle ne saurait trop honorer.« Daher stellt er das Verdienst Gribeauvals um das französische Kriegswesen nahezu ebenso hoch die dasjenige Vaubans, und es lässt sich nicht verkennen, dass ohne die Leistung dieses großen Artilleristen und ohne die allerdings erst 1792 stattgefundene Übertragung der fridericianischen reitenden Artillerie auf das französische Heer Napoleon I. niemals im stande gewesen wäre, die Regiments-Kanonen mit dem übrigen Teil der Feldartillerie zu verbinden, sein Geschütz gegen die maßgebenden Punkte vereinigt wirken zu lassen und all’ die großen Schlachterfolge davonzutragen, wie sie zuerst bei Castiglione gewonnen wurden.
Quelle: Jähns, Max: Geschichte der Kriegswissenschaften: Abt. Das XVIII. Jahrhundert seit dem Auftreten Friedrichs des Grossen. 1740-1800 (Oldenb. 1891)